HessenChemie: Digitaler Wandel in der Arbeitswelt fordert Führungskräfte
Arbeitgeberverband veröffentlicht Studie zur Digitalisierung in hessischen Chemie- und Pharmaunternehmen
Über den digitalen Wandel und dessen Auswirkungen auf die Arbeitswelt haben im Oktober 2017 Vertreter aus Wissenschaft, Politik, Gewerkschaften und Unternehmen im Rahmen der 12. Wiesbadener Gesprächen zur Sozialpolitik der HessenChemie diskutiert. Anlässlich der Tagung veröffentlichte der Arbeitgeberverband eine Studie zur Digitalisierung in der hessischen Chemie- und Pharmaindustrie, die sich mit den Veränderungen der Arbeitswelt und der Rolle von Führung im „Unternehmen 4.0“ befasste.
„Digitalisierung ist kein kurzfristiger Trend, sondern ein Prozess kontinuierlicher Weiterentwicklung in allen Unternehmensbereichen“, sagte Prof. Heinz-Walter Große, Vorstandsvorsitzender der HessenChemie anlässlich der Vorstellung der Studie in Wiesbaden. „Der technologische Fortschritt bietet auch neue Chancen für gute Arbeitsplätze. Hier müssen wir gemeinsam mit dem Sozialpartner immer wieder passende Lösungen finden und die richtigen Rahmenbedingungen setzen“, so Große.
Um einen Überblick über den aktuellen Stand der Digitalisierung in der Branche zu erhalten, beauftragte der Arbeitgeberverband HessenChemie das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) mit einer Befragung seiner Mitgliedsunternehmen. Das Ergebnis zeigt, dass die Digitalisierung in den Mitgliedsunternehmen angekommen ist. Bereits 88 % der Befragten befassen sich mit dem Thema; mehr als ein Drittel tut dies sogar intensiv.
Die flexible, schnelle und zuverlässige Verfügbarkeit von Produkten und Dienstleistungen für Kunden sind für 92 % der Befragten typische Merkmale eines digitalisierten Unternehmens (vgl. Grafik auf der letzten Seite). Die Bereiche Personal und Logistik sind dabei gute Beispiele und „typische“ Digitalisierungstreiber. Hier können viele Vorteile des digitalen Fortschritts genutzt und eine effiziente Vernetzung der Prozesse entlang der gesamten Wertschöpfungskette erreicht werden.
Flexibilisierung der Arbeitsprozesse
Die befragten Mitgliedsunternehmen erhoffen sich von einem zunehmenden Einsatz digitaler Technologien vor allem eine Flexibilisierung der Arbeitsprozesse. Eine breite Mehrheit der Unternehmen erwartet zudem, dass Spezialisten nicht mehr nur unter sich, sondern überwiegend mit Beschäftigten anderer fachlicher bzw. beruflicher Disziplinen zusammenarbeiten werden.
Im Rahmen der Studie bewerteten über der Hälfte der Befragten aus hessischen Chemieunternehmen (57 %) den Mangel an Fachwissen und Fachkräften als das größte Hemmnis für den Digitalisierungsprozess. Andere, in der öffentlichen Diskussion prominente, Digitalisierungshemmnisse, wie etwa eine unzulängliche Breitbandinfrastruktur oder ein fehlendes Vertrauen in die Datensicherheit, spielen für die Mitgliedsunternehmen der HessenChemie eine eher untergeordnete Rolle. Auch das Problem einer fehlenden bzw. zu geringen Veränderungsbereitschaft innerhalb der Belegschaft scheint in den befragten Unternehmen weitgehend nicht existent (vgl. letzte Seite).
Gute Voraussetzung dafür, den digitalen Wandel zu gestalten. Denn der chemisch-pharmazeutische Industrie in Hessen benötigt auch in Zukunft qualifizierte Fachkräfte. Die Anforderungen an deren Kompetenzen werden sich jedoch weiter verändern. Dabei sei die Ausgangslage für die Branche gut, denn die Unternehmen verfügen über hoch qualifiziertes Personal, sagt Dr. Hans-Peter Klös, Geschäftsführer IW Köln und „das Engagement der befragten hessischen Unternehmen bei Personalentwicklungs- und Qualifizierungsmaßnahmen ist bereits heute größer als in der Gesamtwirtschaft.“
Wandel in der Führung
Nicht nur die Unternehmen, auch ihre Führungskräfte sind gefordert. Sie nehmen im Digitalisierungsprozess eine besondere Rolle ein. Nicht nur die Anforderungen an deren Kompetenzen haben sich verändert, zwei Drittel der befragten Mitgliedsunternehmen sehen sie auch als Impulsgeber für neue Ideen.
In den vergangenen fünf Jahren sind insbesondere die Anforderungen an Führungskräfte in den beiden Bereichen Kommunikations- und Innovationsfähigkeit gestiegen, so die Ergebnisse der Studie. Zudem werden für sie Kompetenzen wichtiger, die sie für eine adäquate Ausübung der Rollen als Impulsgeber, Coach und Moderator von Veränderungsprozessen benötigen, hierzu zählen Überzeugungs-, Kooperations- und Motivationsfähigkeit.
Ganz besondere Herausforderungen hält die Digitalisierung zudem für den Personalbereich bereit: Hier dürften die Anforderungen an Führungskräfte insbesondere in den Kompetenzbereichen Datenerfassung, -pflege und -analyse zukünftig deutlich steigen. Die zunehmende Datenorientierung im HR-Bereich bietet zugleich aber auch die Chance, vermeintlich „weiche“ personalpolitische Maßnahmen auf Grundlage belastbarer Fakten zu bewerten. Aufgrund dieser neu entstehenden Möglichkeiten zur Ergebnismessung im Personalbereich dürften sich personalpolitische Entscheidungen zukünftig auch immer stärker in der strategischen Unternehmensplanung wiederfinden.
Studie zum digitalen Wandel
Die Studie „Digitaler Wandel in der chemischen und pharmazeutischen Industrie“ wurde von der HessenChemie in Kooperation mit dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln und IW Consult in nach einem mehrstufigen Konzept durchgeführt. Sie startete mit einem Design-Thinking-Workshop bei dem Experten aus der Unternehmenspraxis typische Kennzeichen der Digitalisierung in der chemischen Industrie sowie erfolgsversprechende Maßnahmen zur Gestaltung des digitalen Wandels identifizierten. Danach wurden die Mitgliedsunternehmen online zum Thema befragt und in einem dritten Schritt einzelne Interviews mit Unternehmensvertretern geführt. Die Ergebnisse der Studie stehen online und kostenfrei zur Verfügung.