Logistik & Supply Chain

Herausforderungen und Trends in der Chemielogistik

19.11.2024 - Studie zum Erfolgsfaktor Supply Chain Management und Logistik in der Chemieindustrie 2024

Man wird sich des Eindrucks kaum erwehren können, dass die aktuell angespannte Wirtschaftslage in der Chemiebranche zur Unzeit kommt – großen Herausforderungen mit immensem Handlungsbedarf stehen derzeitigem starken Kostendruck und einer gesamtwirtschaftliche Abschwächung gegenüber. Doch gerade jetzt gilt es, die Weichen für einen erfolgreichen Neustart nach Überwindung der aktuellen Talsohle zu stellen! Dies ist die Zusammenfassung der Ergebnisse aus der Studie „Erfolgsfaktor Supply Chain Management und Logistik in der Chemieindustrie 2024“ von Solventure, Aimms und Miebach, die sich mit aktuellen Schlüsseltrends und Herausforderungen, dem Einsatz von Digitalisierung und KI sowie der Planung in der europäischen Chemieindustrie befasst.

Was sind die aktuellen Trends und Herausforderungen in der chemischen Industrie? Diese Ausgangsfrage wurde in eine Auswahl möglicher Trends und deren Bedeutung aus Sicht der Teilnehmer heruntergebrochen.

Kostendruck dominiert – CO2-Neutralität spielt nur untergeordnete Rolle

Als aktuell am bedeutendsten haben die Teilnehmenden – wenig überraschend – den steigenden Kostendruck auf Lagerhaltung und Transport eingestuft. Dieser Kostendruck ist derzeit überall zu spüren und spiegelt auch aus Sicht der Studienverfasser die aktuelle Wahrnehmung im Markt wider, jagt doch ein Kostensenkungsprogramm das andere vor dem Hintergrund dramatischer Umsatzeinbrüche auf der einen Seite bei gleichzeitiger Hyperinflation, was Energie- und Personalkosten betrifft, auf der anderen Seite. Aber nahezu ebenso wichtig und bedeutend wie der aktuelle Kostendruck wurde die Transparenz durch verstärkte Kommunikation und engen Austausch eingeschätzt, gefolgt von der Diversifizierung der Lieferketten, um flexibel alle Transportmittel einsetzen zu können. Überraschend war das Ergebnis, dass nach Auffassung der Studienteilnehmenden dem Ziel der Industrie, klimaneutral zu werden, aktuell nur eine untergeordnete Rolle zugedacht wird. Dies wurde in ihrer Bedeutung als Trend – entgegen allen öffentlichen Bekundungen – am wenigsten wichtig erachtet.

Chemieindustrie für Herausforderungen nicht wirklich gut gerüstet

Lediglich zum Thema der Transparenz durch verstärkte Kommunikation und engen Austausch antwortet rund die Hälfte sehr gut oder gut vorbereitet zu sein, etwa je ein Drittel antworten, auf den steigenden Kostendruck auf Lagerhaltung und Transport sowie die Logistik in der chemischen Lieferkette auf die Kunden- und Produktspezifika auszurichten und nicht nach dem Motto „ One Supply Chain fits all“ vorzugehen, gut vorbereitet zu sein. Die größte Zustimmung aller genannten Herausforderungen gewinnt das Maturity Level „in Arbeit“, d.h. die Unternehmen stellen sich den Themen, ohne aber eine Antwort bereits parat zu haben. Und einige müssen sich auch eingestehen, nur unzureichend oder gar nicht auf die eine oder andere Herausforderung vorbereitet zu sein.

Digitalisierung und Einsatz von KI bisher kaum verbreitet

Digitalisierung und der Einsatz von KI sind derzeit die heißesten Themen und (fast) jeder spricht öffentlich darüber. Doch wie sieht es mit der tatsächlichen Verbreitung von Digitalisierung und KI-Anwendungen im Supply Chain Management und in der Logistik aus? Im Rahmen der Studie wurde nachgefragt und die Antworten sind ernüchternd:

Keiner der Teilnehmenden verfügt bisher über einen „Supply Chain Digital Twin“ oder plant zumindest, einen solchen noch 2024 anzugehen. Die Ergebnisse zum Einsatz eines digitalen Zwillings für das Lager wie zum Einsatz von Control Towern sehen nahezu identisch aus. „Robot Process Automation“, „Big Data Analytics“ und „Predictive Analytics“ weisen erste Nutzer auf, weitere wollen noch 2024 bzw. 2025 folgen. Zwei Drittel der Teilnehmenden planen den Einsatz von KI zur Bestandsoptimierung ab 2025 – hier bleibt abzuwarten, ob dies tatsächlich in dem Umfang umgesetzt wird.

Verbesserungsbedarf in der Supply-Chain- und Logistikplanung

Im dritten Teil der Studie ging es um die Frage, wie Unternehmen der chemischen Industrie auf strategischer, taktischer und operativer Ebene planen, wer daran beteiligt ist und welche Instrumente zum Einsatz kommen.

Die strategische Planung erfolgt alle zwei bis drei Jahre oder „On Demand“, nur wenige planen jährlich, bspw. im Bereich Produktion-Footprint oder Last-Mile-Distribution. Viele Unternehmen antworteten jedoch auch, dass sie nur auf Nachfrage planen. Für den Großteil der Teilnehmenden ist die interne Organisation für die Durchführung einer solchen Planung verantwortlich, aber mehr als 40 % nutzen auch interne (16 %) oder externe Beratungsunternehmen (25 %). Excel ist nach wie vor das dominierende Planungstool, ebenso wie das bestehende ERP-System für taktische und operative Planungsaufgaben. Spezifische professionelle Software ist selten zu finden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Studie einen erheblichen Bedarf bezüglich der Entwicklung eines professionelleren Ansatzes in der Supply-Chain- und Logistikplanung sowie hinsichtlich des Einsatzes von Digitalisierung und KI in der Chemieindustrie zeigt, die Branche jedoch derzeit mit begrenzten Ressourcen und Budgetbeschränkungen zu kämpfen hat. Ob sich diese Situation ändert, sobald das Geschäft wieder anzieht, bleibt abzuwarten.

Autor: Klaus-Peter Jung, Partner and Head of Industry for the Chemical Industry, Beverages and Logistics Service Providers, Miebach Group, Frankfurt am Main

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