GMP-Systemanalyse
Kostenreduzierung im GMP-Umfeld - eine Herausforderung für die Pharmaindustrie
Die Pharmaindustrie steht zunehmend unter Druck. Gleichzeitig wächst die Forderung nach mehr Sicherheit im Arzneimittelbereich; nach zunehmendem Schutz des Verbrauchers vor Risiken aus z.B. nicht ausreichend geprüften oder verunreinigten Arzneimitteln. Eine Forderung, die ihren Niederschlag in einem stetig erweiterten Qualitätssicherungssystem findet; konkret in den wachsenden Anforderungen an eine gute Herstellungspraxis (Good Manufacturing Practice, kurz GMP). Und nicht nur die Anforderungen steigen, sondern auch die damit verbundenen Kosten. Ist es die Quadratur des Kreises oder die Herausforderung des 21. Jahrhunderts für die pharmazeutische Industrie, hier geeignete Lösungen und Wege zu finden, Kosten zu reduzieren, ohne die Qualität und Sicherheit der Produkte zu beeinträchtigen?
Analyse der Kostentreiber
Wenn man sich mit der Frage beschäftigt, wo genau und in welchem Umfang man im GMP-Umfeld Kosten einsparen kann, ohne dass damit eine Qualitätseinbuße einhergeht, muss man sich zunächst damit beschäftigen, an welchen Stellen bzw. bei welchen Aktivitäten die Hauptkosten anfallen.
Ein GMP-Betrieb ist dadurch geprägt, dass jede Aktion, jeder Ablauf und jedes Vorkommnis exakt dokumentiert und nachvollziehbar sein muss. Verfahrens- und Arbeitsanweisungen, Herstellvorschriften, Chargenprotokolle, OOS- und Change Control-Aufzeichnungen müssen genauso wie die dazugehörigen Rohdaten erstellt, gehandhabt, geprüft und am Ende archiviert werden. Zunehmend Kosten entstehen dann dadurch, dass Abläufe komplizierter und langwieriger werden, dass hoch dotierte Mitarbeiter sich stundenlang mit Dokumentprüfungen und Unterschriftsleistungen beschäftigen müssen und dass man am Ende nicht ohne zusätzliches Personal auskommt, das sich intensiv um die Pflege dieser Dokumentation kümmert. Nicht selten wird die Situation noch dadurch verschärft, dass sich über Jahre hinweg ein solch komplexes, unüberschaubares Dokumentensystem aufbaut, dass es nicht nur die Handhabung erschwert und Fehler begünstigt, sondern obendrein bei Inspektionen und Audits auch Gegenstand von Bemängelungen wird.
Qualifizierung und Validierung - ein wesentlicher Teil von GMP und wichtiges Qualitätssicherungswerkzeug - ist ein anderer Schwerpunkt, bei dem heute Einiges investiert wird. Im endpharmazeutischen Bereich können Kosten der Apparatequalifizierung bei komplexen Einrichtungen durchaus 25 % und mehr der Investitionskosten betragen. Hierin sind Kosten bzw. Gewinnverluste, die sich durch eine verzögerte Inbetriebnahme ergeben, noch gar nicht eingerechnet. Häufig dauert die Phase der Qualifizierung und Validierung, die sich an die mechanische Fertigstellung einer Anlage anschließt und die Voraussetzung für die Produktion ist, ein halbes Jahr und länger. Dabei ist es nicht das Thema der Qualifizierung und Validierung per se, das hier kritisch begutachtet werden muss, sondern vielmehr die Komplexität der entsprechenden Konzepte.
Historisch gewachsen sind heutzutage oftmals weit überzogene, selbst auferlegte Anforderungen an Abläufe und Formalismen. Man spricht von „integrierter Qualifizierung", um Synergien zwischen üblichen Ingenieurs- und Qualifizierungsabläufen zu nutzen, macht in Wirklichkeit die Abläufe aber meistens noch komplizierter. Ganze Abteilungen sind heute in großen Unternehmen ausschließlich mit diesem Thema beschäftigt. Und auch die Verlagerung der Qualifizierung auf den Maschinen- und Apparatelieferanten hat gelehrt, dass diese Auslagerung eher zusätzliche Kosten verursacht als einspart, wenn das grundsätzliche, von Betreiberseite vorzugebende Konzept nicht pragmatisch und die Abstimmung mit dem Lieferanten nicht exakt genug ist sind.
In diesem Zusammenhang ist die Validierung computergestützter Systeme (IT-Validierung) hervorzuheben. Ein Fachthema, das sich ganz eigenständig und nahezu parallel zur üblichen Qualifizierung und Validierung entwickelt hat und der Tatsache Rechnung trägt, dass viele, überwiegend auch recht qualitätskritische Prozessschritte bei der pharmazeutischen Herstellung computergesteuert ablaufen, relevante Daten entsprechend erfasst und gespeichert werden. Wenn allerdings Maßnahmen und Kosten einer IT-Validierung dazu führen, dass bereits implementierte IT-Systeme gar nicht in ihrer Gänze zur Erleichterung von Prozessen genutzt werden, nur um die Validierung zu umgehen, dann ist dies sicher kritisch zu begutachten.
Erleichterung sollen daher - gerade bei großen Unternehmen und Konzernen - übergeordnete Standards, sogenannte Firmenpolicies schaffen. Sie sollen die Mindestvorgaben und damit verbunden bereits vorliegende Erfahrungswerte bereitstellen. Interne Audits, ausgeführt von den entsprechend eingerichteten Fachstellen, dienen dann der Sicherstellung einer durchgängigen Umsetzung. Was aber, wenn diese Policies nicht die Individualität der unterschiedlichen Standorte berücksichtigen? Wenn hohe Anforderungen an dem einen Standort auf einmal die Anforderungsmesslatte für den anderen Standort werden? Wenn Anforderungen an den Standorten übererfüllt werden, nur um firmenintern im Rahmen der Audits nicht auffällig zu werden?
Audits werden heute sowohl intern, zunehmend mehr aber auch extern bei Zulieferern durchgeführt. Insbesondere seit der EU-Richtlinie 2004/27/EC hat dieses Thema besondere Bedeutung erlangt, da pharmazeutische Hersteller nur noch von geprüften, d.h. auditierten Lieferanten Ausgangsstoffe beziehen dürfen. Was das in Bezug auf Aufwand und Kosten bedeutet, haben auditierende und auditierte Firmen in den vergangenen Jahren gleichermaßen erfahren dürfen. 220 Arbeitstage im Jahr reichen hier schon lange nicht mehr aus, und so ziemlich jede Firma hat in diesem Bereich mittlerweile Personal aufgestockt. Und wenn wenig erfahrene Auditoren falsche und dabei auch noch überzogene Forderungen stellen, sind Steigerungen des Umsetzungsaufwands und der Kosten die Folge.
Risikoanalysen und Risikomanagement - angebliche Schlüsselwörter, um all diesen Problemen gerecht zu werden - wird sicherlich der eine oder andere einwenden. In der Tat handelt es sich hier um Werkzeuge, die u.a. dafür eingeführt wurden, angemessene Maßnahmen für wirklich kritische Vorgänge und Prozessschritte zu definieren und damit den generellen Aufwand auf das Notwendige zu begrenzen. Aber Hand aufs Herz - in welchem Unternehmen wird dies denn genauso gelebt? Ist es nicht vielmehr so, dass Risikoanalyse und -management oft ein zusätzlich eingeführtes Tool sind, die zu den schon bestehenden Maßnahmen oben aufgelegt werden, und dass sich dadurch der Aufwand nicht wirklich reduziert, sondern vielmehr Papier, Arbeitssitzungen und Zeitaufwand hinzukommen? Da spielt es auch keine Rolle, ob es an der fehlenden Erfahrung oder der mangelhaften Anwendung liegt; Fakt ist, es sind zusätzliche Kosten.
Neben diesen aufgeführten, sicherlich wesentlichen Kostentreibern, ließe sich noch eine ganze Reihe weiterer auflisten: Zunehmend aufwändige Change Control- und CAPA-Systeme; Anforderungen nach „Quality by Design" oder „PAT - Process Analytical Technology", die zunehmend mehr Mitarbeiter in den Unternehmen beschäftigen; verstärkte Verbands- und Lobbyaktivitäten oder zunehmende Investitionskosten aufgrund steigender technischer Standards.
Zeit für die GMP-Systemanalyse
Dass Kosten reduziert werden müssen, die Qualität dabei nicht leiden darf, steht nicht zur Diskussion. Es stellt sich nur die Frage nach dem konkreten Wie. Die Durchführung einer systematischen und auf Einsparungen ausgerichteten GMP-Systemanalyse kann ein erster Ansatzpunkt sein. Kostentreiber werden zielgerichtet auf Basis von Checklisten analysiert und in den allgemeinen Vergleich gestellt (Benchmark). Der Blick über den Tellerrand - z.B. mit externer Unterstützung - ist dabei besonders wichtig. Prozesse und Abläufe werden auf Basis der ersten Analysenergebnisse mit den Betroffenen besprochen und Optimierungen diskutiert. „Best Practice" Fälle können hier gute Ansätze für eine erste nachweisliche Kostenreduktion liefern. Wo möglich und akzeptiert, werden die Abläufe entsprechend angepasst. Eine Nachanalyse oder die Einführung geeigneter Kenngrößen sollte dann abschließend eine Bewertung der Verbesserung ermöglichen, wobei Einsparungen von mindestens 10-20 % sicherlich nicht unrealistisch sind.
Auswahl typischer GMP Kostentreiber
- Umfangreiche, aufgeblähte SOP Systeme
- Komplexe, nicht transparente Validierungskonzepte
- Aufwändige, ausgedehnte IT-Validierungen
- Überzogene Firmenstandards und -policies
- Ausufernde, extensive Auditprogramme
- Unsinnige Auflagen aus Fremdaudits
- Ineffiziente Risikoanalysen
- Extensive CAPA und Change Control Systeme
- Übertriebene technische Standards
- u.v.m.