Genaue Zeitmessung mit Master-Chronometern aus der Schweiz
15.06.2020 - Eine Präzisionsuhr steht für absolute Zuverlässigkeit. Dazu muß sie nach Präzisionsstandards hergestellt werden, die hohe Qualität, Genauigkeit, Zuverlässigkeit und Beständigkeit garantieren.
Eine Präzisionsuhr steht für absolute Zuverlässigkeit. Dazu muß sie nach Präzisionsstandards hergestellt werden, die hohe Qualität, Genauigkeit, Zuverlässigkeit und Beständigkeit garantieren. Damit bei der Herstellung der Uhren diese Präzisionsstandards eingehalten werden, spielen kontrollierte Umgebungsbedingungen eine zentrale Rolle. Diese Umgebungsbedingungen umfassen Reinraumkonzepte und -prozesse, Laminarflow-Kabinen und Automation.
Im Inneren selbst einer Armbanduhr steckt eine ausgeklügelte Technik, die auf wenig Raum viele Teile integrieren muss. Die wichtigsten Elemente einer mechanischen Uhr sind der Antrieb, der Aufzug, das Räderwerk, die Anzeigeeinheit, die Hemmung und die Gangregelung mittels Unruh, Pendel oder Drehpendel. Während einfache Uhrwerke nur über einen Stunden- und einen Minutenzeiger verfügen, haben aufwändigere Modelle weitere Funktionen zu bieten. Diese, auch als Komplikation bezeichnet, betreffen Sekundenzeiger, Datumsanzeige, Wochentag, Weckfunktionen, Stoppuhr, Mondphase. Diese zusätzlichen Funktionen machen jedoch das Uhrwerk komplizierter. Schnell steigt die Anzahl der Teile von 60 bei einfachen Varianten bis auf über 1.700 bei einer Patek Philippe „Calibre“. Alle Teile müssen höchste Reinheitsstandards erfüllen.
Noch aufwändiger sind Präzisions- und Atomuhren in der Herstellung, anhand von ESA zertifizierter und auditierter Reinraumtechnik. Sie sind unentbehrlich für verschiedene Funktionen des Internets, mit deren Hilfe sich Abläufe in der Telekommunikation synchronisieren lassen, für GPS oder ein flächendeckendes und verlässliches Mobilfunknetz. Sie werden in Satelliten eingebaut und garantieren deren einwandfreie Navigation und Positionierung. Die Zeitmesser werden in Prüf- und Dauertestanlagen geprüft. Jede Atomuhr durchläuft harte Tests, die solche Geräte aussortiert, die kritische Umgebungsbedingungen wie hohe oder niedrige Temperaturen nicht über einen längeren Zeitraum bestehen. Sie müssen unter allen Umständen funktionieren, denn im All ist keine Reparatur möglich.
Uhrenfabrikation im Reinraum
Bereits im 19. Jahrhundert gab es Bemühungen um saubere Luft in der Uhrenindustrie. Denn die Uhrenkomponenten sind winzig; sie müssen genau ineinander eingefügt werden, um ein außerordentliches Maß an Genauigkeit zu erreichen. Da Kleinteile stärker von Schmutz belastet und auch eher elektrostatisch aufgeladen sind als andere Werkstücke, standen Uhrmacher diesem Problem in besonderem Ausmaß gegenüber. Das Reduzieren von Schmutz und Partikeln erwies sich bei der Montage als unerläßlich. Man erkannte, daß spezielle Montagebereiche, die man abseits im obersten Stockwerk einer Fabrik plazierte, das Staubproblem senkten, ein Präzedenzfall für Präzisionsmontagen. Die reinere Luft sorgte für geringeren Ausfall der Uhren.
Die Fertigungshallen werden heute durch eine Luftschleuse betreten. Nichts wäre dort fataler als Partikel, die sich auf den winzigen Komponenten, besonders in der Spiralen-Produktion, absetzen könnten. Im Reinraum wird bei konstant Luftfeuchtigkeit (45 %) gefertigt. Ein laminarer Luftstrom (3 m/s) wird 200 Mal pro Stunde in den Filteranlagen umgewälzt. Die Mitarbeiter arbeiten in Reinraumvollbekleidung mit Mundschutz.
Silizium in der Uhrenindustrie: Der große Allrounder
Anfang 2003 sorgte der Uhrenhersteller Ulysse Nardin mit einer revolutionären Uhr für Aufsehen. In ihr agieren zwei Hemmräder und eine Unruhspirale aus Silizium. Silizium ist ein innovativer Werkstoff, er ist universal vorhanden und wird zunehmend in Uhren eingesetzt. Die reine Form von Siliziumdioxid (SiO2) legte die Basis für die Elektronik- und Computerrevolution der 1990er Jahre, indem sie die Entwicklung von Mikroprozessoren ermöglichte. Hochreines Silizium wird durch eine Reduktion mit Kohlenstoff bei 2.000 °C gewonnen. Silizium ist leicht, elastisch, antimagnetisch und korrosionsbeständig. Bei Temperaturänderungen bleibt es stabil und hat ein Formgedächtnis, ist extrem glatt, erzeugt daher sehr wenig Reibung und ist praktisch verschleißfrei. Es ist 70 % leichter als Stahl, und dabei noch 60 % härter. Damit eignet es sich hervorragend als Werkstoff für die Produktion von Spiralfedern. Sein Hauptnachteil ist, daß es bricht, wenn es an der falschen Stelle belastet wird.
Nachdem Ulysse Nardin mit seiner innovativen Uhr den Markt überrascht hatte, startete das CSEM-Labor, im schweizerischen Zentrum für Elektronik und Mikrotechnologie bei Neuchâtel, in der Uhrenindustrie ein Forschungsprogramm mit dem Ziel, die Eigenschaften von monokristallinem Silizium zu untersuchen. Im Verlauf des Programms wurde ein Konsortium von verschiedenen Uhrenherstellern, wie Rolex, Patek Philippe und Swatch Group, gebildet. Es sicherte sich eine Lizenz zur Verwendung der am CSEM patentierten Siliziumtechnologien in Uhrmacheranwendungen.
Die Ausgleichsfeder, der Hebel und das Ankerrad sind die drei Komponenten, die am meisten von den Eigenschaften des Siliziums profitieren. Denn Eigenschaften wie Gewicht, Ausdehnung, Magnetismus, Temperaturausdehnung und Reibung spielen hier eine besonders starke Rolle. Rolex, Patek Philippe und Swatch z. B. verwenden heute ausschließlich Silizium für die Ausgleichsfedern ihrer aktuellen Modelle. Die Temperaturausdehnung der Siliziumspirale, ein generelles Problem bei der Uhrenherstellung, kann durch eine dünne Oxidschicht verhindert werden. Dabei entsteht invariables Silizium, das Silinvar.
Produktion
Werkstücke werden durch Fotolithographie im DRIE-Verfahren – durch reaktives Ionentiefätzen – hergestellt und sie können in jede gewünschte Form gebracht werden. Das Basismaterial für die Produktion ist ein Siliziumwafer. Dieser Wafer wird mit einer leitenden Goldschicht und anschließend mit einer dünnen Schicht lichtempfindlichen Farblacks beschichtet. Die Form der Feder wird dann unter Verwendung von Fotomasken, auf denen die Profile der auf einem Wafer abzubildenden Spiralen abgebildet sind, darauf projiziert und die beleuchteten Areale der Farbe werden mittels Ätzgas in einem Reaktor herausgeätzt. Mittels Säure oder durch Herausbrechen wird die dünne Siliziumplatte mit ca. 300-600 winzigen Spiralen von ihrem Träger gelöst. Anschließend wird die Oberseite der Form fein poliert, um sicherzustellen, daß alle Federn eine definierte Dicke haben. Schließlich entfernt man die Farbe mittels Sauerstoffplasma. Danach wird überprüft, ob die Federformen korrekt gearbeitet sind. Es folgt das oben erwähnte Oxidieren, um eine thermische Stabilisierung der Unruhspiralen zu erreichen und um die Frequenz der Uhrwerke genau einzustellen, denn dickere Spiralen schwingen schneller als dünne. Mittels Röntgenfluoreszenzanalyse werden die Produkte überprüft. Makellose Federn gehen dann in die Uhrenfertigung.
Neben den so produzierten zweidimensionalen Strukturen gibt es bereits weitere innovative Ansätze zur Herstellung von dreidimensionalen Strukturen. TAG Heuer hat eine Spiralfeder aus Graphen entwickelt. Die erforderlichen Formen werden nicht durch Beleuchten von Farbschichten auf Siliziumwafern hergestellt, sondern durch sogenannte Zwei-Photonen-Polymerisation. Dabei wird ein Laserstrahl in einem Reaktor auf einen speziellen flüssigen Kunststoffvorläufer emittiert. Nun wird Äthylen eingeleitet, um mit Hilfe eines chemischen Beschichtungs-Verfahrens, dem CVD-Beschichten (chemical vapour deposition), während über vier Stunden Kohlenstoffnanoröhren (CNT) zu aufzubauen, aus denen Spiralfedern geformt werden. Im Brennpunkt des Strahls polymerisiert und verfestigt sich die Flüssigkeit. Die CNT-Spiralen werden mit Kohlenstoffstrukturen ausgefüllt und dabei stabilisiert.
Atomuhren
Uhren brauchen einen Taktgeber, der so gleichmäßig wie möglich schwingt. Denn je konstanter die Schwingung ihres Taktgebers arbeitet umso genauer können sie die Zeit angeben. Bei Räderuhren sind dies die Unruh, bei der Quarzuhr ist es ein Schwingquarz, der die Frequenz eines Quarzoszillators konstant hält. In Atomuhren hingegen nutzt man die Eigenschaft von Atomen, beim Übergang zwischen zwei Energiezuständen elektromagnetische Wellen einer bestimmten Frequenz abzustrahlen oder zu absorbieren. Ein Temperatur unabhängiger Oszillator erzeugt in einer solchen Uhr ein elektromagnetisches Wechselfeld, dem i.d.R. Cäsium-Atome ausgesetzt werden. Bei einer ganz bestimmten Frequenz absorbieren die Atome Energie und strahlen diese in andere Richtungen ab. Diese Resonanz wird verwendet, um die Frequenz des Oszillators mittels einer Regelschleife extrem stabil zu halten: Weicht die Frequenz von der Resonanz ab, wird dies erkannt und die Frequenz des wird dann entsprechend rückgekoppelt, um wieder die Resonanzfrequenz der Atome zu treffen. Quantenmechanische Prozesse in den Elektronenhüllen der Atome geben hier also den Takt und damit die Frequenzstabilität des Signals vor.
Diese Präzision kann zur Zeitmessung genutzt werden: 1967 wurde die Standardsekunde basierend auf einem Übergang des Cs-133 Atoms übernommen: Nach exakt 9.192.631.770 Perioden des Cäsiumübergangs ist eine Sekunde verstrichen. Im Laufe eines Jahres beträgt die Abweichung dieser Uhr höchstens 12 Milliardstel Sekunden.
Atomuhren sind in den letzten Jahren auch als Taktgeber für mechanische Armbanduhren aufgekommen, aber sie sind unhandlich und klobig. Daneben sind Funkuhren (Atomic Mechanical Control, AMC), die per Radiosignal mit Atomuhren des Eidgenössischen Institut für Metrologie (METAS) der Schweiz oder – entsprechend mit der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig synchronisiert werden, im Handel. Die mechanischen Uhren werden elektronisch getaktet, für praktische Zwecke ist dies vollkommen ausreichend. In den Funkuhren steuern atomar-mechanische Regeleinheiten, der Monolith, die mechanischen Uhren. Ein eigens dafür entwickelter Schaltkreis stellt sicher, daß die in vielen elektrischen Netzen üblichen Schwankungen von Frequenz und Spannung nicht den präzisen Takt der beiden Schwingkreise stören.
Via Synchronisation über GPS-Signale lassen sich Gangabweichungen von nur einer Sekunde in 317 Jahren erreichen, eine vortreffliche Genauigkeit! Ausserdem zieht der Monolith die mechanische Uhr auf und stellt die richtige Uhrzeit ein. Wenn man eine Atomuhr mit einem Smartphone mit GPS-Empfänger kombiniert, hat man eine Frequenzbasis, die es erlaubt, das Gerät schneller mit Geo-Satelliten zu synchronisieren, dies ermöglicht eine effizientere Geolokalisierung.
Ein grosser Vorteil der Funkuhren ist es, daß man seine Uhr nicht alle paar Stunden wieder aufladen muss. Denn die Funktion einer Cäsium Atom-Handgelenkuhr verschlingt sehr viel Energie.
Entwicklung von Quantensensoren
Dafür, daß diese Uhren auch in Zukunft über neuartige, innovative Komponenten verfügen, sorgen Wissenschaftler am schweizerischen Zentrum für Elektronik und Mikrotechnologie, CSEM in Neuchâtel. Schweizer Uhren sind bekannt für ihre Präzision. In diesem Zentrum sind Wissenschaftler daran eine Uhr zu entwickeln, die so präzise läuft, daß sie nur alle 3.000 Jahre eine Sekunde nachgeht, die sogenannten optischen Atomuhren. Ihr Zeittakt ergibt sich aus den Strahlungsübergängen der Elektronen freier Atome. Bei ihnen werden Ytterbium Atome in Resonanz mit optischer Strahlung angeregt. Im Vergleich zu Cäsiumatomuhren, auf denen die SI-Basiseinheit Sekunde beruht, ist ihre Anregungsfrequenz deutlich höher. Somit weist ihr Taktgeber eine viel höhere Genauigkeit und Konstanz auf. Die Ytterbiumuhr ist rund hundertmal präziser als eine Cäsiumuhr.
Das ursprüngliche Atomuhr-Modell stammt aus den 90er Jahren und hat die Größe einer Waschmaschine. Inzwischen sind die Modelle erheblich geschrumpft: Am Zentrum für Elektronik und Mikrotechnologie CSEM arbeiten Forscher an der Miniaturisierung der Atomuhren auf die Größe eines Zuckerwürfels. Die Miniaturisierung ist wichtig, um Atomuhren in immer mehr tragbare Geräte und Messinstrumente einbauen zu können. Solche miniaturisierten Atomuhren dienen dazu, andere miniaturisierte Systeme zu entwickeln, deren quantentechnologischen Grundbausteine – atomare Dampfzellen – Sensoren mit phänomenaler Leistung ermöglichen könnten. Gesundheitswesen oder der Transport-, Energie-, Umwelt- oder Sicherheitstechnologie ermöglichen. Im europäischen Projekt macQsimal werden Methoden entwickelt, um die Empfindlichkeit der atomaren Sensoren so weit zu steigern, daß sie nur noch durch die Gesetze der Quantenphysik begrenzt sind. Die Arbeit des CSEM zahlt sich für die Region aus: Die Firmen in Neuchâtel stellen jährlich Tausende von Atomuhren für industrielle Anwendungen her.
Antimagnetfeldstrategie der Uhrenhersteller
Auf Anregung des Uhrenherstellers Omega können am Eidgenössischen Institut für Metrologie (METAS) Uhrwerke und Uhren in einem aufwändigen Verfahren getestet und offiziell als „Master-Chronometer“ zertifiziert werden. Diese METAS-Prüfung, die allen Schweizer Uhrenherstellern offen steht, setzt einen neuen Qualitätsstandard, um Uhren mit besonders hohem Magnetfeldschutz auf den Markt zu bringen.
Seit 2008 werden z. B. antimagnetische Uhrwerke mit der Si14-Silizium- Unruh-Spiralfeder produziert. Da das Material antimagnetisch ist, wird die Unruhspirale nicht beeinträchtigt, wenn sie in die Nähe von magnetischen Gegenständen gerät. Der Ansatz des Magnetfeldschutzes bis 1,5 Tesla wurde von dem Uhrenhersteller Omega gemeinsam mit den Unternehmen Eta, Asulab und Navarro FAR entwickelt.
Eine METAS-Prüfung beinhaltet insgesamt über 280 Arbeitsschritte: Die Funktion des Uhrwerks, wenn es einem Dauermagnetfeld ausgesetzt wird, wird überprüft. Auch in einem simulierten Tragetest bei unterschiedlichen Temperaturen wird die Uhr immer wieder magnetisiert. Im Ergebnis darf sie nicht mehr als fünf Sekunden im mittleren täglichen Gang abweichen. Zudem werden die Gangwerte gecheckt. Druckprüfungen unter Wasser erfolgen bis zu 150 bar, je nachdem, wie das Gehäuse ausgelegt ist.
Weltzeit
Zeitzonen lassen sich in Atomuhren per Funk oder Internet einstellen. Im Alltag unserer vernetzten Zeit ist es wichtig, die genaue Stunde in dem Land zu kennen, das man gerade bereist oder in dem die Geschäftspartner arbeiten.
Auch die unterschiedlichen Zeitzonen in Europa stellen eine Herausforderung dar. Die meisten Länder in Europa stellen immer noch die Zeit von Sommer auf Winter und umgekehrt um. Länder dagegen, die das ganze Jahr eine einheitliche Zeit haben, sind: Island, Weissrussland und Russland, ein Wirrwarr an verschiedenen Zeiten.
Die Zeitzonen in Europa beziehen sich auf die koordinierte Weltzeit, UTC. In der Schweiz betreibt die METAS mehrere Atomuhren, mit der die schweizerische Atomzeit TAI(CH) geführt und die schweizerische Weltzeit UTC(CH) errechnet wird. Alle Daten im Betrieb werden das ganze Jahr durch auf UTC eingestellt und mit dem Zeitstempel des verwendeten Servers durch das Monitoringsystem abgeglichen. Dies ermöglicht es beispielsweise, in Monitoring-Systemen weltweit, die genaue Zeit abzugleichen.
Schweizer Uhrenindustrie 2020
Das Jahr 2020 wird für die Schweizer Uhrenindustrie zu einer grossen Herausforderung. Die Uhrenindustrie, die mit ca. 100.000 Vollzeitstellen eine der größten Hightech-Branchen des Landes darstellt, hat sich der Veredelung von Qualitätsprodukten verschrieben. Die Leitmessen Watches & Wonders in Genf, SIHH – und die Baselworld sind abgesagt, respektive verschoben. Die Grenzen werden voraussichtlich während des laufenden Jahres geschlossen bleiben. Wegen fehlender Touristen aus Asien führt der weltgrösste Uhrenhändler Bucherer in Luzern und Interlaken bereits Kurzarbeit ein.