Feldbus gestern – heute – morgen
Digitale Kommunikation als „Enabling Technology“ für Innovation in der Produktion
Der Feldbus in seiner ursprünglichen Definition verbindet die Feldgeräte - im Wesentlichen Sensoren und Aktuatoren - mit dem Steuerungssystem, also dem Prozessleitsystem (PLS) oder der speicherprogrammierbaren Steuerung (SPS).
Als die ersten Feldbus-Protokolle in den 90er Jahren definiert wurden, ging man davon aus, dass Sensoren und Aktuatoren sowohl in der Fertigungsindustrie als auch in der Prozessindustrie den Feldbus in wenigen Jahren als bevorzugte Verbindungstechnik nutzen werden.
Feldbus in der Fertigungsindustrie
Relativ schnell musste man in der Fertigungsindustrie erkennen, dass die ersten Protokolle wie Interbus-S und Profibus nicht dazu geeignet sind, einfache Sensoren wie zum Beispiel induktive Näherungsschalter oder photoelektrische Sensoren kostengünstig zu verbinden. Die Vorteile der Feldbustechnik, größere Daten zu übertragen und Diagnose- und Parametrierfunktionen anzubieten, konnten von den einfachen Sensoren ohnehin nicht genutzt werden.
Weit mehr als 90 % der in der Fertigungsindustrie eingesetzten Sensoren sind nach wie vor einfache Positionssensoren, die über binäre Schnittstellen entweder direkt an die Eingangs-/Ausgangskarte angeschlossen werden, oder so genannte „Block-E/A"-Bausteine nutzen, mit denen 4, 8, 16 oder 32 binäre Signale zusammengefasst und über den Feldbus übertragen werden. Mitte der 90er Jahre wurden deshalb einfachere Protokolle entwickelt, die auch neue physikalische Übertragungsschichten mit einschlossen. Diese einfacheren Protokolle wie beispielsweise AS-Interface können einige wenige Bytes über eine zweiadrige Leitung gleichzeitig mit der notwendigen elektrischen Betriebsleistung übertragen. AS-Interface wird heute sowohl direkt im einfachen Sensor/Aktuator als auch in kompakten Block-E/A-Bausteinen eingesetzt.
Feldbus in der Prozessindustrie
Die ersten Feldbus-Installationen in der Prozessindustrie fanden fast 10 Jahre nach den ersten Feldbusanlagen in der Fertigungsindustrie statt. Prozessindustrieanlagen werden für eine deutlich längere Nutzungszeit von mehr als 20 Jahren ausgelegt und die durch die Automation angestrebten Schutzziele liegen in der Regel um Potenzen höher als die bei Anlagen in der Fertigungsindustrie. Diese Randbedingungen zwingen die Prozessindustrie zu einer eher konservativen Auswahl von betriebsbewährten Komponenten und Systemen, die auch in 10 oder 20 Jahren noch verfügbar sind.
Die ersten Feldbusprotokolle für die Prozessindustrie, Profibus PA und Foundation Fieldbus H1, folgen auf der physikalischen Ebene beide der IEC 61158-2 und übertragen Energie und Daten über ein zweiadriges Kabel. Diese Übertragungstechnik hat sich mittlerweile als außergewöhnlich robust etabliert. 2002 wurden innerhalb des Neubaus einer pharmazeutischen Anlage die bestehende Remote I/O-Architektur mit der neu installierten Profibus PA-Feldbustechnik in allen Bereichen der Planung, Beschaffung, Installation, Inbetriebnahme und Schulung verglichen und in der hinlänglich bekannten FuRIOs-Studie veröffentlicht.
Im Ergebnis belegte die Studie schon damals die bemerkenswerte Robustheit und Einfachheit der Installation, Inbetriebnahme und Wartung/Diagnose der physikalischen Schicht. Gleichzeitig wurde aber auch offenkundig, dass die komplexere Einbindung der Feldgeräte in Leitsysteme und Systeme für Diagnose und Wartung noch nicht zufriedenstellend gelöst schien. Es sollte weitere 10 Jahre dauern, bis sich eine akzeptable Lösung abzeichnete.
Der größte Teil der Sensoren in der Prozessindustrie konzentriert sich im Bereich Druck, Durchfluss, Temperatur und Füllstand. In der Regel rechtfertigt der Funktionsumfang dieser Geräte unmittelbar die Integration einer Feldbus-Schnittstelle. In heutigen Installationen verbindet der Feldbus die neuesten Feldinstrumente und einen Teil der Aktuatoren. Elektrische Antriebe mit Frequenzumrichtern werden häufig an Bussysteme angeschlossen, die größere Datenmengen übertragen können und dabei noch Zusatzfunktionen wie ISO-Synchronität bieten.
Der „Feldbuskrieg"
Noch lange bevor erste große Feldbusinstallationen in der Industrie zu finden waren, entbrannte zwischen den unterschiedlichen Herstellern ein zeitweise aggressiv geführter Streit über die unterschiedlichen Protokolle, und jeder versuchte, sein Protokoll zum Standard zu führen. Dieser Streit wurde von der Überzeugung getragen, dass der Endanwender schlussendlich nur einen einzigen Feldbusstandard akzeptieren wird. Um die Blockade-Situation in den Normungs- und Standardisierungsgremien aufzulösen, entschloss man sich später, alle Feldbusprotokolle in unterschiedlichen Kapiteln der IEC 61158 unterzubringen. So gibt es heute eine Reihe sich ergänzender Protokolle, aber auch eine Reihe von direkt im Wettbewerb zueinander stehenden Feldbussen. Ohne dass man dazu auf gesicherte Studien und Erkenntnisse aufsetzen kann, liegen doch zwei in ihrer Wirkung entgegengesetzte Vermutungen über die Folgen des Feldbuskriegs nahe:
- Die Vielfalt der standardisierten Angebote hat zu einer verzögerten Anwender-Akzeptanz der Feldbustechnik geführt.
- Der intensive Wettbewerb unter den Herstellern hat zu einer großen Vielfalt und Ausdifferenzierung der Angebote geführt. Heute haben sich in verschiedenen Branchen und verschiedenen Territorien rund um den Globus unterschiedliche Standards etabliert und Diskussionen um den „richtigen Standard" sind weitgehend durch andere Themen abgelöst worden.
Geräteintegration
Mit dem zunehmenden Funktionsumfang der Feldinstrumente und den zusätzlichen Möglichkeiten der Feldbusse wurde die Integration dieser Funktionen in die Prozessleitsysteme und Process Asset Management-Systeme immer wichtiger und aufwändiger. Auch hier entstand erneut ein Lagerkampf, die Integration entweder deskriptiv, also durch vollständige Abbildung der Funktionen durch Parameter (Electronic Device Description - EDD), abzubilden oder eine funktionale Integration über mitgelieferte ausführbare Softwaremodule (Field Device Table - FDT) zu gewährleisten.
Die Diskussion umfasste ausschließlich Feldinstrumente mit größerem Funktionsumfang und fand somit im Wesentlichen in der Prozessautomation statt. Schlussendlich war der Druck der Endanwender ausschlaggebend, für die Hersteller einen einzigen gemeinsamen Standard festzulegen. Mit FDI wird es zukünftig eine Geräteintegration geben, die die Vorteile deskriptiver und funktionaler Integration verbindet.
Ethernet versus Feldbus
In den vergangenen fünf Jahren hielt Ethernet Einzug in die Feldbustechnik, obwohl die physikalische Schicht nicht unbedingt direkt geeignet für Feldbusanwendungen ist. Auf der anderen Seite waren die Performance- und Kostenvorteile der Ethernet-Mainstream-Technologie so schwerwiegend, dass die Akzeptanz trotzdem überraschend schnell gegeben war. Der Aufbau der physikalischen Schicht lässt zurzeit allerdings nur die Anwendung in Bussystemen zu. Feldbusse brauchen auch in Zukunft eine zweiadrige Leitung für Energie und Daten und die heutigen Konzepte PoE (Power over Ethernet) sind dazu nicht geeignet.
Es wundert also nicht, dass es mittlerweile eine ganze Reihe von Initiativen gibt, die den Ethernet-Standard auf eine neue physikalische Schicht portieren wollen. Technologisch kann man sich sicher Anleihen von der in der Telekommunikation weit verbreiteten DSL-Technik holen. In Zukunft werden wohl die meisten Feldbus-Protokolle durch Ethernet-Technologien und Derivate abgelöst werden. Die Anforderungen der „Industrie 4.0" und der „Cyber Physical Systems" werden Ethernet und Internet-Technologien mit Nachdruck in die Automatisierungstechnik bis hin zur Feldebene einbringen. Die vernetzten Geräte werden genug Rechner- und Speicherleistung aufweisen, damit jedes Gerät über eigene integrierte Webserver verfügt, die weiterführende Aufgaben - beginnend mit Parametrierung, Diagnose und Integration - übernehmen können.
Ausblick
Auch in Zukunft wird der Feldbus durch ständige Verbesserungen und die Integration neuer Technologien - vor allem aus dem Office- und Internetbereich - gekennzeichnet sein: Die Vorteile einer fortlaufenden Innovation, für die lediglich Anpassungskosten aufgewendet werden müssen, sind einfach zu vielversprechend. Ein Dilemma wird die digitale Kommunikation dabei allerdings ständig begleiten: Hersteller überzeichnen den Vorteil ihrer Innovation häufig drastisch - Studien zu Folge bis zum Dreifachen. Gleichzeitig schätzen die Anwender die Risiken, die mit dem Einsatz neuer Technologien zusammenhängen nicht selten mit dem gleichen Faktor zu hoch ein. Zwischen vom Hersteller erhofftem Nutzen und vom Anwender befürchteten Risiko liegt so nicht selten ein Faktor von 1:10.
Die Feldbustechnik muss deshalb ihren Nutzen für den Anwender weiter erhöhen und deutlich sichtbarer machen. Die digitale Kommunikation muss im Sinne einer „enabling technology" zur Voraussetzung für Innovation werden und darf nicht mehr nur eine gleichwertige Alternative zu anderen z.B. analogen Signalübertragungen gesehen werden. Dazu braucht es vor allem zwei Dinge: Hersteller, die ihre Feldgeräte so entwerfen, dass ein echter Zusatznutzen nur über digitale Kommunikation erschlossen werden kann und Anwender, die diesen Zusatznutzen auch wirklich ausschöpfen wollen.