Externe Innovation
Sanofi setzt in der Forschung auf Partner, bei denen die Chemie stimmt
Die Entwicklung neuer Arzneimittel wird nicht nur immer komplexer und zeitaufwändiger - sie verschlingt auch immense Summen. Mit Kooperationen und Partnerschaften will der Gesundheitskonzern Sanofi neue Wirkstoffe für seine Pipeline finden. "Wenn wir eine Kooperation eingehen, muss der Partner über eine entsprechende Expertise verfügen, besser noch ist es, wenn der Partner eine komplementäre Expertise mitbringt. Darüber hinaus muss die Chemie zwischen den Partnern stimmen", sagt Prof. Jochen Maas, Leiter der Forschung und Entwicklung bei Sanofi in Deutschland im CHEManager-Interview.
CHEManager: Herr Prof. Maas, im Rahmen des Partnering-Programms lädt Sanofi zur Zusammenarbeit ein. Wer sind potentielle Partner für Ihre Forschung und Entwicklung?
Prof. Dr. Jochen Maas: Wir arbeiten mit Partnern aus drei Bereichen zusammen. Dabei handelt es sich erstens um die Akademia, also um Universitäten und Forschungseinrichtungen wie Institute der Helmholtz-, Max-Planck- oder Fraunhofer-Gesellschaften. In die zweite Kategorie fallen Small Biotechs, also Start-ups, die sich oft im akademischen Umfeld bilden. Und zur dritten Kategorie zählen wir andere Pharmaunternehmen, insbesondere kleine und mittelständische Firmen, aber auch den einen oder anderen Partner aus Big Pharma.
Worauf achten Sie bei der Auswahl Ihrer Partner?
Prof. Dr. Jochen Maas: Wenn wir eine Kooperation eingehen, muss der Partner über eine entsprechende Expertise verfügen, mit der wir interagieren können. Besser noch ist es, wenn der Partner eine komplementäre Expertise mitbringt, die Sanofi nicht hat. Darüber hinaus muss die Chemie zwischen den Partnern stimmen. Das ist ein Punkt, der meiner Einschätzung nach oft vernachlässigt wird. Denn Sie können zwar Prozesse optimieren oder aufeinander abstimmen, aber wenn die Menschen nicht miteinander harmonieren, funktioniert die Zusammenarbeit nicht. Umgekehrt funktioniert die Partnerschaft selbst dann, wenn die Prozesse an der einen oder anderen Ecke haken, solange nur die Projektbeteiligten miteinander können.
Also erstens: Expertise.
Zweitens: Komplementarität.
Und Drittens: Die Chemie muss stimmen.
Wie profitieren die Partner voneinander?
Prof. Dr. Jochen Maas: Jeder soll das tun, was er am besten kann, dann ist der Benefit für beide am größten. Betrachtet man die gesamte Pharmawertschöpfungskette von der Identifizierung eines Targets bis hin zur Markteinführung, dann haben auf der einen Seite Universitäten und Small Biotechs ihre Stärken, auf der anderen Seite gibt es aber auch Schritte in der Wertschöpfungskette, bei denen wir Vorteile haben.
Können Sie das an Beispielen ausführen?
Prof. Dr. Jochen Maas: Am Anfang der Wertschöpfungskette, wenn es darum geht, neue Angriffspunkte zu finden, sind unsere externen Partner innovativer und produktiver. Es gab 2008 einen provokativen Artikel im „Wallstreet Journal", in dem behauptet wurde, mehr als 90% der Innovationen im Pharma-Sektor fänden außerhalb der großen Unternehmen statt. Mit den 90% stimme ich nicht überein, aber mit der Tendenz schon. Später in der Wertschöpfungskette, wenn ein innovativer Ansatz in ein Molekül übersetzt und dieses optimiert werden soll, sind dagegen wir klar im Vorteil, d.h. konkret in der medizinischen Chemie, der Optimierung der Sicherheit oder der Pharmakokinetik.
Zum nächsten Glied der Wertschöpfungskette, der präklinischen Entwicklung, tragen beide Seiten ihren Teil bei. Hier gibt es z.B. Start-ups, die auf galenische Zubereitungen spezialisiert sind. Auf der anderen Seite bieten die Strukturen der Pharmaindustrie eindeutige Vorteile beim chemischen Development, bei dem die Produktionsverfahren des Wirkstoffs vom Milligrammbereich in den Kilogrammbereich transferiert werden. Für die Produktion von 50 kg einer Substanz fahren manchmal mehrere Tanklastzüge durch den Industriepark. Das können viele Small Biotechs oder Universitäten nicht leisten.
Auch in der klinischen Entwicklung können wir unseren Partnern einen klaren Vorteil bieten: Erstens ist es unsere Expertise seit Jahrzehnten, klinische Studien regulationskonform durchzuführen. Zweitens kostet eine klinische Entwicklung bis in die Phase III oder darüber hinaus dreistellige Millionenbeträge. Das kann kaum ein Biotech-Unternehmen oder eine Universität stemmen. Also am Anfang der Wertschöpfungskette sehe ich klare Vorteile für Universitäten und Small Biotechs, während in der Mitte und am Ende eher die Pharmaindustrie im Vorteil ist. Eine typische Win-Win-Situation.
Wie hat sich die Zusammenarbeit mit Hochschulen und Start-ups in den letzten Jahren entwickelt?
Prof. Dr. Jochen Maas: Externe Innovation ist einer der wichtigsten Säulen von R&D bei Sanofi. Wir zählen derzeit weltweit über 80 größere Kooperationen mit verschiedenen Instituten, darunter renommierte Partner wie das MIT, Caltech oder die Berliner Charité. Unser Ziel ist es, über unseren Standort in Frankfurt die nationale wissenschaftliche Landschaft noch besser zu erschließen als in der Vergangenheit. Hier in Frankfurt hat Sanofi einen von weltweit fünf R&D Hubs angesiedelt, ein integriertes Zentrum für Forschung und Entwicklung, u.a. mit dem klaren Ziel, solche externen Kooperationen in die Wege zu leiten und zu pflegen. Zudem gehen wir zunehmend Partnerschaften mit kleinen Biotech-Unternehmen ein. Aber nicht die Unterschrift unter einen Partnerschaftsvertrag schafft einen Wert, sondern ein Molekül oder eine verbesserte Technologie aus dieser Partnerschaft. Es gibt bei uns bereits erste Leitstrukturen und auch Entwicklungskandidaten, die durch Partnerschaften entstanden sind. Das ist letztlich die Währung, die zählt.
Wo sehen Sie die größten Hürden für Partnerschaften?
Prof. Dr. Jochen Maas: Wir spüren nach wie vor Ressentiments, vor allem zwischen Universitäten und der Industrie. Die Situation hat sich aber in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. Eine Hürde sind zudem die unterschiedlichen Währungen in der akademischen und in der Unternehmenswelt. Die Währung in der Pharmaindustrie sind Patente und Produkte. Die Währung für Universitäten und universitätsnahen Einrichtungen sind Publikationen. Noch vor zehn Jahren hieß es in der Pharmaindustrie: Du wirst nicht bezahlt zum Publizieren, sondern für die Entwicklung von Produkten. Das hat sich geändert. Wer Partnerschaften will, muss in der Scientific Community sichtbar sein - und publizieren. Auf der anderen Seite wird die Währung Patente und Produkte zunehmend auch für Universitäten und Institute interessant.
Eine dritte Hürde betrifft die Zusammenarbeit mit Small Biotechs. Während die Pharmaindustrie ein Produkt auf den Markt bringen will, ist es das Geschäftsmodell einiger Small Biotechs, ein Projekt bis zu einem bestimmten Level zu entwickeln und es dann an die Pharmaindustrie zu verkaufen. Das kann dazu führen, dass große Pharmafirma bestimmte Aktivitäten wie etwa den Test auf Teratogenität vergleichsweise früh machen, weil eine fruchtschädigende Wirkung das Aus für den Kandidaten bedeutet. Small Biotechs führen dagegen manchmal Tests, die behördlich bis zur Phase II der klinischen Erprobung nicht zwingend vorgeschrieben sind, später durch, um das Projekt möglichst weit voran zu treiben. Sie haben dann, um in dem Beispiel zu bleiben, nach der Phase I ein Produkt mit einem Proof of Concept, das aber noch immer an der Teratogenität scheitern kann.
Sie sprachen eben von Ressentiments und Vorurteilen, wie lassen sich diese überwinden?
Prof. Dr. Jochen Maas: Zum Beispiel durch gemeinsame Projektteams. Früher arbeiteten in vielen Kooperationen eine Gruppe in einem Pharmaunternehmen und eine Gruppe an einer Universität am gleichen Projekt, manchmal nur einige Kilometer entfernt. Alle paar Monate haben sie sich getroffen und ihre Ergebnisse ausgetauscht.
Heute setzen wir von Anfang an gemeinsame Projektteams auf. Das Team hat ein gemeinsames Ziel. Wenn ich jemanden aus solch einem Team frage, für wen er oder sie arbeitet, kommt nicht die Antwort ‚für Sanofi‘ oder ‚für die Uni‘, sondern es heißt: ‚für das Projekt XY‘. Im Rahmen einer Partnerschaft schicken wir Wissenschaftler von uns für eine Zeit an die Universität und nehmen Wissenschaftler von einer Universität für eine gewisse Zeit zu uns. Das öffnet die Augen auf beiden Seiten.
Noch besser funktioniert dies in einem gemeinsamen Labor. Wir haben z.B. in einer Kooperation mit der Charité in den Bereichen Schlaganfall und Diabetes gemeinsame Labors, in denen Mitarbeiter von Sanofi und der Universität zusammenarbeiten. Sie können sicher sein: In diesen Projektteams sind gegenseitige Vorurteile innerhalb kürzester Zeit verschwunden.
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