Expertenrunde diskutiert Schutz serialisierter Medikamente beim Transport
FMD-Experten Diskussion 2018: Transparenz schafft mehr Sicherheit in der Pharma-Supply-Chain
Seit 2013 müssen laut der EU-Richtlinie „Good Distribution Practice“ (GDP) Medikamente gemäß Lagerbedingungen transportiert werden. Mehr Sicherheit in der Vertriebskette für Medikamente soll nun die am 9. Februar 2019 in Kraft getretene FMD-Richtlinie („Falsified Medicines Directive“) EU schaffen. Rezeptpflichtige Medikamente dürfen damit nur noch in einer Verpackung mit zwei Sicherheitsmerkmalen – einer Seriennummer und einem Originalitätsverschluss – auf den Markt gebracht werden. Wie aber lässt sich auf dem Transport der physische Schutz der serialisierten Ware gewährleisten? Eine Expertenrunde hat sich zu dieser Problematik ausgetauscht.
Die Expertenrunde, zusammengesetzt aus Vertretern der Pharmaindustrie, von Pharmatransportlogistikern, Nutzfahrzeug-Spezialisten und Beratungsunternehmen, traf sich zu einem Fachaustausch auf der IAA Nutzfahrzeuge 2018 in Hannover. Dabei ging es um eine elementare Frage: Wie kann es gelingen bzw. welche Sicherheitstechniken erlauben es zurzeit, die Pharmatransportkette sicherer zu machen? Die Gesprächsrunde moderierte Bruno Lukas, Press´n´Relations.
Qualifiziert und validiert
„Wie schätzen Sie als Verlader, der am Anfang der Pharmalogistikkette sitzt und letztlich die Gesamtverantwortung trägt, die FMD-Richtlinie in ihrer Wirksamkeit ein“, ging die erste Frage an Bernd Schlumpberger, Head of Fleet and Transport Management, Teva. Als Medikamentenhersteller hätte Teva alle Voraussetzungen geschaffen, um Transporte mit der eigenen Fahrzeugflotte sowie Fremdtransporte sicher zu gestalten. Bei Letzteren habe man Dienstleister an Bord geholt, die Pharmalogistik zu hundert Prozent abbilden können. „Wir schließen mit Logistikdienstleistern klare Quality Agreements und betreiben eine aktive Transportüberwachung, um jederzeit nachvollziehen zu können, wo sich unsere Ware befindet.“ Damit sei Transparenz geschaffen. Dies schließe Telematik und Sicherheitssysteme, aber auch GDP-qualifizierte Produkte und Dienstleistungen der Transporteure sowie der Fahrzeughersteller ein, also die ganze Kette inkl. der IT-Systeme, betonte Schlumpberger. Jeder, der an der Supply-Chain-Kette teilnimmt, müsse qualifizierte Dienstleistungen anbieten können, um Sicherheit insbesondere auch für den Patienten am Ende der Kette zu gewährleisten.
Auf die Frage, ob Notfallpläne oder klare Verfahrensanweisungen bestünden oder worst-case-Szenarien durchgespielt würden, antwortete Schlumpberger: „Es gibt solche Szenarien und klare Anweisungen für die Beteiligten der Supply Chain.“ Teva lässt u. a. durch einen externen Dienstleister eine aktive, „rund um die Uhr“ Transportüberwachung durchführen.
„Wo besteht in Bezug auf die lückenlose Überwachung der Pharmatransportkette noch Handlungsbedarf?“, lautete die Frage an Thomas Schleife, Geschäftsführer des Pharmaspediteurs Transco. „Wir fangen hier nicht bei null an, die technischen Möglichkeiten sind gegeben“, so Schleife. Eine der Herausforderungen sieht er darin, festzulegen wie im Ernstfall zu handeln sei, bspw. wenn serialisierte Ware auf dem Transportweg beschädigt wird. „Wo soll diese Ware dann gesichert gelagert werden und wer bucht die Ware wann aus welchem IT-System aus? Und wie sieht eine Intervention bei Diebstahl von serialisierter Fracht aus?“ In einigen Fällen müssten auch die Behörden eingreifen, um Missstände zu entlarven. Das schwächste Glied in der Logistikkette bestimme die Gesamtperformance.
Sicherheit durch Kontrolle
Wie lässt sich die Pharma-Supply-Chain aber sicherer machen, ging die Frage an Heiko Boch, Produktmanager bei Idem Telematics. Die technischen Möglichkeiten der Fahrzeugüberwachung seien vielfältig, wie bspw. die kontinuierliche Kommunikation mit dem Fahrer oder die Kontrolle über ungeplante Türöffnungen sowie die aktuelle Positionsbestimmung per GPS. Die dafür bestimmte Idem-Telematiksoftware wurde durch das EIPL European Institute for Pharma Logistics auf seine Pharmatauglichkeit untersucht und daraufhin zertifiziert.
Auf Lukas´ Frage, wie die GDP-Qualifizierung solcher Produkte und Prozesse funktioniere, erklärte Christian Specht, Geschäftsführer des EIPL Instituts, dass hierbei neben der Technik insbesondere die Prozesskette der temperaturgeführten Pharmatransporte im Vordergrund stünde. Bei einem Austausch von Temperatursensoren müsse z. B. der Einbau von neuen, kalibrierten Sensoren sichergestellt und dokumentiert werden, um die Rückverfolgbarkeit von Messungen und damit die Sicherheit der Lieferkette weiterhin zu gewährleisten. Allerdings würde keine anschließende Prüfung und Verifizierung durch die Behörden stattfinden. Kontrollen seien seiner Meinung nach aber nötig, denn die nicht zertifizierten Transportunternehmen gingen zu Lasten der zertifizierten. Die Behörden müssten aktiver werden, um hier die schwarzen Schafe zu entlarven.
Dazu erläuterte Rene Oome, Salesmanager, Van Eck Group in Bezug auf die Fahrzeugtechnik, dass der gesamte Aufbau der Trailer einschließlich Isolierung, mechanischer und elektronischer Schlösser sowie Alarmierung für den Pharmabereich eine Zertifizierung benötige. Auf die Qualität des Trailers würde Wert gelegt werden.
Transparenz und konstruktiver Austausch
„Kann ein permanenter Austausch aller Beteiligten hierbei mehr Sicherheit für die Pharma-Supply-Chain bringen?“, ging die Frage in die Runde. Schleife betonte, dass es „schwarze Schafe“ sowohl unter den Speditionen als auch auf Kundenseite gäbe. Ein simpler Austausch der Angebote über eine Frachtenbörse könne dies nicht leisten und brächte kaum mehr Sicherheit, denn Pharmatransporte hätten ein eigenes Niveau. Und Qualität hätte hier ihren Preis. Um besser vergleichen zu können, würden einheitlichere Vorgaben für die Dienstleistungen benötigt, auch um mehr Gerechtigkeit für diejenigen zu schaffen, die alle Vorgaben strikt einhalten.
Lukas stellte die Frage, wie der Gesetzgeber zu mehr Transparenz und Sicherheit beitragen könne. Schlumpberger sieht die wirkungsvollste Möglichkeit für größere Sicherheit in klaren Formulierungen, klaren Definitionen und einem konstruktiven Austausch zwischen Industrie und Politik. Was möglich ist, müsse auch für alle gelten. Nur so erhalte man Sicherheit.
Specht stimmte dem zu und betonte, dass sich jedoch nichts ändern würde, wenn die Behörde nicht überprüfe. In der Schweiz z. B. würde die Behörde sowohl an die Standorte der Verlader als auch an die der Transportdienstleister gehen und Kontrollen durchführen. Die hiesige Behörde müsse hier mehr einwirken. Zudem würde die Supply-Chain inkl. der Transportmargen durch „schlampig“ agierende Transporteure belastet.
Die Frage, ob in politischen Kreisen die grundsätzlichen Technologien wie bspw. die Telematik und daraus erwachsende Möglichkeiten überhaupt bekannt seien, wurde bejaht. Generell sei es für Transportlogistiker ratsam, sich in Bezug auf die eingesetzte Technik, wie z. B. die kontinuierliche Abspeicherung der Temperaturen und eine funktionierende Telematik, immer abzusichern. Um zu gewährleisten, dass die verwendete Technik und Telematik zuverlässig funktionieren, wäre eine behördliche ertifizierung wünschenswert.
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