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Ethernet in der Prozessautomatisierung

05.12.2011 -

Ethernet in der Prozessautomatisierung. Die Ethernet-Technologie: Technische Grundlagen und Entwicklungsstand bei Prozessanwendungen, Vor nicht allzu langer Zeit war die Bus-Technik in der Prozessautomatisierung und speziell in explosionsgefährdeten Bereichen noch so gut wie gar nicht akzeptiert. Die ersten Feldbuslösungen vor ca. 20 Jahren basierten auf weitestgehend proprietären Lösungen. So stellte R. Stahl Schaltgeräte aus Waldenburg 1988 als erster Hersteller ein Remote I/O System für explosionsgefährdete Bereiche der Zone 1 vor. Die weltweite Akzeptanz dieser neuen Technik blieb damals allerdings weit hinter den Erwartungen zurück und sollte erst 12 Jahre später bei dem Nachfolge-System IS1 richtig einsetzen. In den letzten Jahren hat sich die frühere Skepsis gegenüber Feldbussen in explosionsgefährdeten Bereichen stark verringert und somit akzeptiert nahezu jeder Anlagenbetreiber mittlerweile Bus-Lösungen wie z. B. den Profibus DP oder Foundation Fieldbus H1.

Jetzt scheint bereits die nächste Technologie-Stufe zu beginnen – Industrial Ethernet. Obwohl das Ethernet bereits in den 70er Jahren erfunden wurde, hat es doch sehr lange gedauert, bis es sich als Standard für die Office-Welt etablieren konnte. Nachdem in den letzten Jahren in der allgemeinen Fabrikautomatisierung zunehmend das Ethernet-System eingesetzt wurde, ist dieses System nun auch für die Prozessautomatisierung interessant geworden. So bieten neben diversen anderen Firmen und Organisationen die beiden „big-player“ Profibus und Fieldbus Foundation bereits auf Ethernet basierende Lösungen an: Profibus mit Profinet und die Fieldbus Foundation mit FF High Speed Ethernet (FF HSE). Wie die Akzeptanz dieser beiden großen Lösungen Profinet und FF HSE bei den Endanwendern und Leitsystemherstellern ausfällt, ist derzeit noch nicht abschätzbar.

Anders als die Fabrikautomatisierung ist die Prozessautomatisierung wesentlich stärker mit dem Thema Explosionsschutz verbunden, insbesondere in den Branchen der Öl-, Gas-. Chemie- und Pharmaindustrie sowie in der Petrochemie. Gibt es aber Lösungen für den Explosionsschutz bei Ethernet? Es existieren dafür mehrere Lösungsansätze, die alle Vor- und Nachteile haben. Die Frage nach dem „Ob“ und „Wie“ des Explosionsschutzes lässt sich also schon jetzt beantworten.

Was ist das Ethernet? Ein Blick zurück

Es existiert eine nette Geschichte über den Ursprung des Ethernet. Ein Mann namens Robert Metcalfe hat die Technologie im Jahre 1973 während seiner Arbeit am Xerox Palo Alto Research Center (PARC) erfunden. Er schickte seinem Chef eine Notiz über die Leistungsfähigkeit dieser neuen Technologie... und die Basis des Ethernet Standards war geboren. Eine nette Geschichte, aber nicht die Wirklichkeit. Robert Metcalfe arbeitete mit seinem Team von 1973 bis 1976 an einem neuen, proprietären Kommunikationsbus für Xerox. Der erste Name dieses Busses war auch nicht Ethernet, sondern „Alto Aloha Network“, und wurde erst 1976 in „Ethernet“, nach dem imaginären Begriff Äther, umbenannt. Die Bus-Geschwindigkeit war mit der Übertragungsfrequenz von 2,94 MHz noch meilenweit von heutigen Übertragungsraten entfernt, und es sollten noch viele Jahre vergehen, bis man über Gigabit-Ethernet zu sprechen begann.

1979 verließ Robert Metcalfe Xerox und gründete sein eigenes Unternehmen 3COM. Zusammen mit DEC, Intel und Xerox begann er Ethernet zu standardisieren. 1980 folgte IEEE (Institute of Electrical and Electronics Engineers), Arbeitsgruppe 802, mit ihren Standardisierungsarbeiten. Einer der nächsten Meilensteine und damit auch eine steigende Akzeptanz kam mit dem Wechsel von Koaxkabeln (10Base2) auf die viel preiswerteren und einfacher zu installierenden Twisted Pair Kupferkabel (10Base-T). Die ersten Installationen mit Lichtwellenleitern (10Base-F) arbeiteten noch mit einer Übertragungsrate von 10 MBits/s. Die nächste Stufe kam mit der Einführung der Datenrate von 100 MBit/s, welche heutzutage oft unter dem Namen Fast Ethernet im Einsatz ist (100Base-T für Kupferkabel, 100Base-FX für Lichtwellenleiter). Seit ca. 1995 beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe mit dem Gigabit-Ethernet und hat bereits 1 GBit/s (1000Base-T bzw. 1000Base- SX oder LX) und 10 GBit/s (10Gbase) standardisiert. Das 10 GBit/s Ethernet ist noch recht neu am Markt und deshalb wenig im Einsatz. Andere bekannte Arbeitsgruppen im Zusammenhang mit Ethernet sind die „Power over Ethernet“ Gruppe IEEE 802.3af und die Wireless LAN Gruppe IEEE 802.11.

Die Ethernet-Technologie – kurze Einführung

Die ersten Ethernet Systeme in den 1970ern waren noch „echte” Bus- Systeme mit Hauptleitung und Stichleitungen für die Signalübertragung. Heutzutage wird Ethernet nicht mehr als Bus installiert, auch wenn umgangssprachlich immer wieder der Begriff Bus oder gar Feldbus im Zusammenhang mit Ethernet fällt. Die modernen Installationen weisen Stern- oder Maschenstrukturen auf. Während ein Stern noch recht einfach zu installieren ist (jeder Teilnehmer in einem Netz ist mit genau einem anderen Teilnehmer verbunden) sind Maschennetze wesentlich komplexer und erfordern mehr Intelligenz beim Netzwerkmanagement. Dafür weisen diese Strukturen eine höhere Verfügbarkeit auf. Wenn ein Teilnehmer ausfällt, werden die Daten über einen anderen Teilnehmer weitergeleitet. Das Internet ist wohl das beste und größte Beispiel für ein vermaschtes Netzwerk.

Obwohl im Laufe der Jahre sehr viele Änderungen und Verbesserungen eingeführt wurden und das moderne Ethernet somit weit von der ersten Ausführung abweicht, ist die Grundstruktur der Kommunikation noch immer dieselbe. Sie basiert auf dem sogenannten „Carrier Sense Multiple Access with Collision Detection” oder kurz CSMA/ CD. Das Prinzip kann mit einer Diskussionsgruppe verglichen werden, bei der jeder das gleiche Übertragungsmedium (z. B. die Luft oder eine Telefonleitung) benutzt. Wenn jemand etwas sagen möchte, wartet er, bis der Vorredner fertig ist oder eine Pause macht. Sollten zwei oder mehr Personen gleichzeitig beginnen zu reden, stoppen sie, warten einen Augenblick und setzen dann erneut an, wenn die anderen etwas später reagieren.

Dieses System funktioniert recht gut, wenn nur wenige Teilnehmer in der Gruppe sind. Umso mehr Teilnehmer desto wahrscheinlicher ist eine Kollision und umso langsamer wird die Gruppe voran kommen. Das geschilderte Problem ist bei Ethernet-Anbindungen im Alltag eher unkritisch. Jeder kennt das Phänomen, dass manchmal anscheinend ohne triftigen Grund der Netzwerkzugriff sehr langsam wird oder gar ganz stehen bleibt. Dies ist ein typisches Anzeichen für eine Überlastung, also zu viele gleichzeitig kommunizierende Teilnehmer am Netz und damit zu häufige Kollisionen. Deshalb sollte ein Büro-Netzwerk mit maximal 50-60 % ausgelastet sein, um akzeptable Antwortzeiten zu garantieren. Ein langsamerer Zugriff mag hier zwar lästig sein, kritisch ist er aber normalerweise nicht – es sei denn, es müsste gerade ein wichtiges Dokument für den Chef ausgedruckt werden.

In der Automatisierungstechnik sieht das anders aus. Wenn nicht garantiert werden kann, dass eine Information in einer definierten Zeitspanne verfügbar ist, können viele Anlagen und Systeme nicht mehr kontrolliert gesteuert werden. Kontrollfunktionen ohne garantierte Antwort- und Reaktionszeiten sind hier meistens nicht akzeptabel. Das geforderte Verhalten wird daher mit dem Begriff „echtzeitfähig“ oder „real time“ beschrieben. Eine Maßnahme um die Echtzeitfähigkeit zu erreichen, bestand in der Erhöhung der Datenraten von 10 MBit/s auf 100 MBit/s oder gar Gigabit. Umso schneller das Netz ist, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Kollisionen verschiedener Signale kommt und so die Information schon beim ersten Versuch übertragen werden kann. Auf entstehende Kollisionen kann wesentlich schneller reagiert werden, und die Daten erreichen trotz Wiederholung in kurzer Zeit ihr Ziel. Eine andere Maßnahme besteht in der Limitierung der Teilnehmerzahl am Netz, was bei der Projektierung von Netzwerkstrukturen beachtet werden muss. In industriellen Anwendungen sollen Netze daher maximal mit 8-10 % ausgelastet sein.

Industrial Ethernet für die Prozessautomatisierung

Durch Verwendung der genannten Maßnahmen kann eine Reaktionszeit von ca. 100 ms oder noch kürzer garantiert werden. Ab hier wird diese Technik für die Prozessautomatisierung prinzipiell interessant. Allerdings wird dafür ein Protokoll benötigt, das den oben aufgeführten Anforderungen genügen muss, also „echtzeitfähig“ ist. Standard Ethernet Protokolle wie TCP oder UDP sind zu langsam oder zu unzuverlässig, so dass spezielle Real-time- Protokolle entwickelt wurden. Mit diesen Protokollen ist eine Antwortzeit von ca. 10 ms möglich, bei Verwendung spezieller, proprietärer Ethernet-Hardware sogar von 1 ms. Leider wurden im Laufe der Jahre sehr viele unterschiedliche Protokolle entwickelt, sodass heute über 20 existieren und von diesen 11 als IEC-Standard weltweit normiert sind. Sie sind leider alle inkompatibel zueinander und damit eigentlich rückschrittlich.

Andere Unterschiede zwischen Ethernet und Industrial Ethernet liegen vor allem in der Mechanik. Die Anforderungen in der Industrieproduktion unterscheiden sich deutlich von denen der Büro-Welt. Daher sind dort alle Komponenten, wie Kabel, Steckverbinder, Switches (Netzwerkknotenpunkt), Hubs (Verteilerpunkt) oder Medienkonverter wesentlich robuster ausgeführt. Die Installation erfolgt typischerweise auf 35 mm DIN-Schienen, die Stromversorgung ist 24 V DC, und ein erweiterter Betriebstemperaturbereich sowie höhere IP-Schutzarten werden vorausgesetzt. Die Kabel unterscheiden sich nur wenig voneinander, außer dass für den Außeneinsatz armierte Leitungen verwendet werden. Abhängig von der Datenübertragungsrate kommen unterschiedliche Kabel unterschiedlicher Qualität zum Einsatz. Dies sind die CAT5-Kabel für Ethernet bis 1 GBit/s oder CAT7- Kabel für bis zu 10 GBit/s.

Generell sind drei unterschiedliche Übertragungsmedien einsetzbar: Kupferleiter, Lichtwellenleiter und Funk (wireless). Die drahtlose Übertragung nach dem WLAN-Standard ist zwar nicht Bestandteil des Ethernet Standards IEEE 802.3, aber prinzipiell fähig, das Ethernet-Datenformat zu unterstützen und mit diesem System zu kommunizieren.

Entwicklungsstand des Industrial Ethernet

Industrial Ethernet wird in der allgemeinen Automatisierung schon recht häufig eingesetzt. Die meisten Anwendungen findet man in der Fabrikautomatisierung, im Automobilbereich oder bei Maschinensteuerungen. Nach einer Marktstudie von Frost & Sullivan weist der internationale Industrial Ethernet-Markt ein jährliches Wachstum von ca. 50 % seit dem Jahr 2000 auf. Andere Marktstudien kommen zu ähnlichen Ergebnissen.

In den Branchen der Prozessautomatisierung ist der Einsatz von Ethernet dieser Entwicklung noch weit hinterher. Viele branchenspezifische Anforderungen waren bislang nicht erfüllt. Z. B. fordern viele Anwendungen im Öl- und Gas-Bereich redundante Strukturen. Zwar hat Ethernet gewisse Redundanzlösungen aufzuweisen (Spanning Tree oder Rapid Spanning Tree), doch sind die Reaktions- und Umschaltzeiten im Sekundenbereich und damit weit langsamer als die in der Prozessautomatisierung erforderlichen Werte von 100-500 ms. Selbst typische Prozess-Protokolle, wie Profinet oder insbesondere Fieldbus Foundation High Speed Ethernet (FF HSE), stecken noch in der Spezifikationsphase bezüglich der Anforderungen der Prozessindustrie. In beiden Organisationen beschäftigen sich derzeit Arbeitsgruppen mit der Integration von Ethernet und auch der Anbindung von Remote I/O-Systemen über Ethernet an die Prozesswelt. Es wird erwartet, dass ab 2009 erste Lösungen auf den Markt kommem.

Kontakt:
Dipl.-Ing. (BA) André Fritsch, Senior Product Manager
Fieldbus & Remote I/O
R. Stahl Schaltgeräte GmbH, Waldenburg
Tel.: 07942/943-0
Fax: 07942/943-4333
andre.fritsch@stahl.de
www.stahl.de