Erfolgsfaktoren im Prozess- und IT-Management
Ergebnisse einer empirischen Studie in der Chemie- und Life Science Branche zeigt Potentiale auf
Gerade in der Chemie- und in der Life-Science-Branche stehen Unternehmen im Prozess- und IT-Management vor besonderen Herausforderungen. Entsprechend finden sich in der Fachpresse viele Hinweise, wie das Prozess- und IT-Management zu optimieren ist. Wie sieht es aber in der Praxis aus?
Im Rahmen einer empirischen Untersuchung der Hochschule Koblenz und der msg systems ag in Zusammenarbeit mit dem Verband der Chemischen Industrie (VCI) wurde der Status Quo des Geschäftsprozessmanagements (Business Process Management - BPM) und des IT-Managements in den genannten Branchen untersucht. Im Mittelpunkt der Studie stehen dabei wichtige Erfolgsfaktoren, deren Umsetzung in der Praxis, sowie die Zufriedenheit mit den angewendeten Methoden. Auf Basis bestehender Branchenexpertise und den Ergebnissen bisheriger Studien[1,] wurde ein speziell auf die Bedürfnisse der Chemie und Life Science-Industrie zugeschnittener Fragebogen erstellt und mit BPM-Experten ausgewählter Unternehmen vor Beginn der Studie erprobt. Die anschließende Datenerhebung fokussierte auf den deutschsprachigen Raum, wobei insgesamt 89 BPM-Ansprechpartner - vorwiegend aus Großunternehmen - an der Studie teilgenommen haben. Darunter sind 8 der 10 umsatzstärksten Unternehmen der Chemie-/Life Science-Branche in Deutschland vertreten[2].
Erfolg und Erfolgsfaktoren im BPM
Im Bereich des Prozessmanagements stellte sich heraus, dass Unternehmen mit gezieltem Prozessmanagement nach Eigeneinschätzung im Durchschnitt erfolgreicher sind als ihre Mitbewerber (diese Erkenntnis bestätigt die Ergebnisse vorangegangener Studien [3]). Dabei wurde die regelmäßige Abstimmung der Geschäftsprozesse mit der Unternehmensstrategie als wichtiger Erfolgsfaktor bestimmt. Allerdings haben nur 12 % einen expliziten und gelebten Prozess der Entwicklung einer strategiegerechten BPM-Zielentwicklung. Dies überrascht, da Unternehmen, die eine gezielte Abstimmung zwischen Geschäftsprozessen und Strategie fördern, durchschnittlich einen höheren Unternehmenserfolg vorweisen können, als Firmen, die kaum oder gar nicht abstimmen.
Als wichtigste Faktoren für den nachhaltigen BPM-Erfolg wurden die Unterstützung des Managements sowie der Faktor Mensch/ Kultur identifiziert. Beide Faktoren wurden von 95 % der Teilnehmer als wichtig oder sehr wichtig eingestuft. Auch hier zeigte sich die Bedeutung der Unternehmensstrategie für das BPM: 88 % stuften diese als wichtig oder sehr wichtig ein.
EPK nicht mehr häufiger genutzt als BPMN
Bei den Notationen, die zur Prozessbeschreibung angewandt werden, stechen zwei heraus: Die Ereignisgesteuerte Prozesskette (EPK) sowie die Business Process Modelling Notation (BPMN). Auffällig ist, dass EPK nicht mehr häufiger als verwendete Notation angegeben wird als BPMN. Gerade größere Unternehmen scheinen immer häufiger auf BPMN zurückzugreifen.
Viele prozessorientierte Dokumentationssysteme
Auch die Anzahl der eingesetzten Dokumentationssysteme überraschte: die Hälfte der befragten Unternehmen nutzen in ihrem Unternehmensbereich mindestens vier prozessorientierte Dokumentationssysteme - hauptsächlich für GxP oder ISO 9000ff basierte QM-Systeme. Weitere wichtige Einsatzgebiete sind die Prozessoptimierung und die Dokumentation von Systemeinführungen (z. b. SAP). Dies zeigt, dass sich die Vorstellung einer durchgängigen Prozessdokumentation in einem zentralen System über alle Bereiche und Anwendungszwecke hinweg nicht mit der Realität in den befragten Unternehmen deckt.
Zufriedenheit mit IT- Management
Auch im Bereich des IT- und IT-System-Lebenszyklusmanagements konnten interessante Erkenntnisse gewonnen werden. Zufriedener sind Unternehmen, die ihre IT-Architektur systematisch planen sowie diejenigen, die ihre Validierungsdokumentation prozessorientiert erstellen.
Ähnliches gilt für die Verknüpfung der Geschäftsprozesse mit der IT-Architektur: Eine hohe Durchgängigkeit führt auch hier zu einer hohen Zufriedenheit.
BPM-Nutzung während des Lebenszyklusmanagements
BPM wird in der Praxis eher zu Beginn eines IT-Systemeinführungs-Projekts verwendet. Vor allem die Erstellung einer Fachkonzeption/Lastenheft (61 %), die Definition der Systemanforderungen/Pflichtenheft (55 %), sowie die Ermittlung der Business Cases (43 %) stehen im Fokus der Unternehmen. Bei den späteren Phasen spielt Prozessmanagement v.a. beim Testen des Systems (45 %) eine Rolle.
Erstaunlich ist, dass die in der Spezifikationsphase erstellten Prozesse in der Trainingsphase nur zum geringen Teil verwendet werden.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Nutzung von BPM während des laufenden Betriebs abnimmt.
Damit bestätigt sich ein weiteres Mal das Bild, das schon in früheren Studien des BPM-Labors entstand. Eine integrierte Weiterentwicklung von IT-System und dazugehörigen Geschäftsprozessen nach Produktivsetzung ist eher die Ausnahme denn die Regel.
Dies widerspricht ursprünglichen der Zielsetzung des Prozessmanagements, nämlich eine nachhaltige Nutzung sicherzustellen. Eine weiteres interessantes Ergebnis in diesem Bereich: Ausführende Systeme (BPMS) -bspw. zur Ergänzung von ERP-Systemen - werden in der Praxis kaum genutzt.
Diese widersprüchliche Vorgehensweise lässt weitreichende Optimierungspotentiale vermuten.
Zufriedenheit mit Status Quo
Die Zufriedenheit mit dem Status Quo in den behandelten Themenbereichen wurde im Qualitäts- und Compliance- sowie im Projekt- und Entwicklungsmanagement am höchsten eingeschätzt. Dahinter folgten IT und IT-System-Lebenszyklusmanagement. Insgesamt ist knapp die Hälfte der Unternehmen zufrieden mit ihrem IT-Management. Die andere Hälfte sieht hier mehr oder weniger großen Verbesserungsbedarf.
Auffallend ist, dass die Zufriedenheitswerte beim BPM schlechter sind, als in allen anderen genannten Kategorien. Hier zeigt sich zum wiederholten Male ein Paradoxon des Prozessmanagements. Unternehmen erkennen die Potentiale des BPM, Studien zeigen wiederholt, dass Unternehmen mit gezieltem BPM im Durchschnitt erfolgreicher sind - trotzdem werden bekannte Erfolgsfaktoren nicht durchgehend in die Praxis umgesetzt und die BPM-Implementierung des eigenen Unternehmens wird dann als unbefriedigend eingeschätzt.
Quellenangaben und Referenzen sind bei den Autoren erhältlich.
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