Entsendungen von Mitarbeitern und Protektionismus – Trump, Brexit & Co.
Was müssen Unternehmen künftig beachten, wenn ihre Mitarbeitern im Ausland arbeiten?
Die Wahlergebnisse in den USA und Großbritannien, aber auch der wachsende Zuspruch für nationalkonservative bis hin zu rechtspopulistischen Bewegungen in Deutschland und weiteren europäischen Ländern sind Ausdruck eines zunehmenden wirtschaftlichen Protektionismus. Was bedeutet das für die stark globalisierte deutsche Chemieindustrie?
US-Präsident Donald Trump bringt sein politisches Programm gern mit der Formel „Buy American, hire American“ auf den Punkt. Um diese Maxime umzusetzen, möchte der US-Präsident u. a. mit erhöhten Importzöllen sowie verschärften Einreise- und Arbeitsbeschränkungen für Ausländer operieren. Ein besorgniserregendes Signal, nicht nur für die deutsche Privatwirtschaft, die stark auf den amerikanischen Absatzmarkt baut.
Doch mit diesen Ambitionen steht die neue US-Regierung durchaus nicht alleine da. Auch in vielen europäischen Ländern hat eine Politik des „Wir zuerst“ zuletzt starken Zulauf erfahren. Rechtspopulisten machen eine globalisierte Welt offener Grenzen zum Schreckensszenario, das vor allem Arbeitnehmern im eigenen Land benachteiligt. Der internationale Austausch von Waren und Arbeitskräften gilt nicht als Bereicherung, sondern als Bedrohung.
USA: längere Bearbeitungszeiten, schärfere Kontrollen
Für die Wirtschaft insgesamt, aber spezifisch auch für die chemisch-pharmazeutische Industrie, bringt der Trend zum Protektionismus große Herausforderungen mit sich. Die deutsche Chemieindustrie erwirtschaftet rd. 60 % ihres Umsatzes im Ausland. Gerade ihre Verbindungen in die USA sind besonders eng. Nach Angaben des Verbands der Chemischen Industrie (VCI) entfallen rd. 38 % (über 19 Mrd. EUR) der Direktinvestitionen im Ausland auf die USA. Das übersteigt die Investitionen in ganz Asien (11,8 Mrd. EUR) oder der EU-28 (10,6 Mrd. EUR) bei Weitem. Zudem führen die USA auch die Rangliste für die im Ausland beschäftigten Mitarbeiter mit deutlichem Vorsprung an: 17,6 % aller Auslandsbeschäftigten der deutschen Chemie- und Pharmabranche sind dort tätig. Vor diesem Hintergrund sorgen die Dekrete, die Präsident Trump in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit unterzeichnete, bei Unternehmen und Mitarbeitern sowie Branchenvertretern für Unruhe.
Bisher sind die Präsidialbeschlüsse, mit denen vor allem die Einreise aus einer Reihe muslimisch geprägter Länder begrenzt werden sollte, gerichtlich auf Eis gelegt worden. Es ist aber wahrscheinlich, dass zumindest Elemente daraus umgesetzt werden. So könnten bspw. Arbeitnehmer mit doppelter Staatsbürgerschaft (etwa deutsch und iranisch) von künftigen Einreisebeschränkungen betroffen sein. Darüber hinaus ist eine landesweite, verpflichtende Implementierung des bisher freiwilligen „E-Verify“ Verfahrens in der Diskussion. In dieser Online-Datenbank werden Daten des „I-9 Formulars“ (Arbeitsgenehmigung) mit Informationen der U.S. Homeland Security, des Department of State und der Sozialversicherung verknüpft. So sollen US-Arbeitgeber kostenfrei und effizient prüfen können, ob ein Arbeitnehmer eine gültige Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis hat.
Zwar sollten deutsche Unternehmen diese Entwicklungen und deren Auswirkungen für ihre Mitarbeiterentsendungen und Geschäftstätigkeiten in den USA genau beobachten, Grund zur Panik gibt es jedoch nicht: Nach aktuellem Stand betreffen die geplanten Anpassungen, zu denen auch Visums-Reformen gehören sollen, deutsche Unternehmen nur begrenzt. Denn die Visa-Kategorien E-1 und E-2, die für deutsche Unternehmen, insbesondere für Mittelständler, die größte Rolle spielen, sollen bisher nicht grundsätzlich überarbeitet werden. Gleiches gilt für das L-1 Visum, das speziell für unternehmensinterne Entsendungen angewendet wird.
Zu erwarten sind allerdings deutlich längere Bearbeitungszeiten bei der Beantragung von Visa und Arbeitsgenehmigungen. Bereits jetzt haben amerikanische Konsulate damit begonnen, Visa-Anträge aller Kategorien strenger und ausführlicher zu prüfen als zuvor. Künftig dürfte es vermehrt zu unangekündigte Stichproben der Einwanderungsbehörden (USCIS) auf amerikanischen Werksgeländen kommen. Eine akkurate Compliance mit allen gültigen Rechtsvorschriften ist somit mehr denn je geboten.
Dienstreise versus Datenschutz
Eine weitere angekündigte Änderung der US-Einreisevorschriften könnte für deutsche Unternehmen problematisch werden: Wenn es nach Präsident Trump geht, werden Einreisende den US-Behörden künftig Zugriff auf ihre Social-Media-Profile sowie auf die Kontaktlisten in ihren Mobiltelefonen gewähren müssen. Nach europäischem und deutschem Datenschutzrecht dürfen Mitarbeiter nicht durch ihren Arbeitgeber zur Preisgabe dieser Informationen gedrängt werden. Eine Dienstreise in die USA könnte so zu einem Konflikt zwischen Arbeitsanweisung einerseits und individuellem Anspruch auf Datenschutz andererseits führen.
Auch den Unternehmen wird die Offenlegung von Passwörtern Sorgen bereiten. In vielen Fällen enthalten dienstliche Mobiltelefone und Laptops sensible firmeneigene Daten oder Kundeninformationen, die vertraulich bleiben müssen. Arbeitgeber sollten ihre Angestellten daher vor Dienstreisen proaktiv auf ihre Rechte hinweisen und beraten. Arbeitnehmer, die seitens der US-Behörden aufgefordert werden, Passwörter preiszugeben, sollten um ein vorheriges Gespräch mit ihrem Anwalt bitten. Außerdem können Einreisende auch darauf hinweisen, dass die Geräte Informationen enthalten, die durch das Betriebsgeheimnis oder Vertraulichkeitsvereinbarungen mit Kunden geschützt sind.
UK: Brexit erschwert Planung
Eine große Skepsis gegenüber der als unkontrolliert wahrgenommenen Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte spielte auch beim britischen Votum zum Austritt aus der Europäischen Union eine entscheidende Rolle. Entsprechend groß ist der Bedarf der britischen Regierung, im Rahmen der Austrittsverhandlungen eine stärkere Kontrolle der zukünftigen Zuwanderung nach Großbritannien zu erreichen.
Doch auch hier sind zunächst viele Fragen offen – ein Zustand, der aufgrund des Entschlusses zu vorgezogenen Neuwahlen noch etwas länger anhalten wird und der auch für die deutsche Chemie- und Pharmaindustrie Planungen erschwert. Viele Szenarien zur zukünftigen Regelung der Arbeitnehmerfreizügigkeit zwischen der EU und Großbritannien sind denkbar. Freizügigkeitsabkommen nach Vorbild des bilateralen Abkommens der EU mit der Schweiz sind eine Möglichkeit, die die Interessen der Verhandlungsparteien ausbalancieren könnte. Alternativ könnten Privilegierungsmodelle implementiert werden, wie sie bereits jetzt für Staatsangehörige der USA und anderer kulturell, politisch und wirtschaftlich eng verbündeter Staaten existieren. Denkbar wäre hier eine Visumfreiheit für kurzfristige Aufenthalte (bspw. bis zu drei Monate) zu verschiedenen Aufenthaltszwecken. Diese Visumfreiheit könnte dahingehend erweitert werden, dass selbst für langfristige Aufenthalte – auch zum Zwecke der Beschäftigung – kein Einreisevisum erforderlich ist. Stattdessen würde das Verfahren zur Beantragung eines Aufenthaltstitels innerhalb der ersten „visumsfreien“ Zeit im Inland durchgeführt werden. In Deutschland gibt es bereits ähnliche Modelle für Staatsbürger der USA und weiterer Länder.
Prognosen für einen möglichen Verlauf der Austrittsverhandlungen zwischen Großbritannien und der EU scheinen nahezu unmöglich. Auch hier sind deutsche Unternehmen gut beraten, den Fortgang der Verhandlungen genau zu verfolgen und einen erhöhten Zeit- und Personalaufwand für Einwanderungsprozesse einzukalkulieren.
Asien: Alternative mit Hürden
Die aktuellen Verwerfungen und protektionistischen Tendenzen haben die westliche Welt spürbar verunsichert. Für Unternehmen, die in dieser Marktsituation den Blick verstärkt nach Osten richten, zeigen sich neue Chancen auf. Die Bedeutung asiatischer Märkte, allen voran China, steigt auch für deutsche Chemiekonzerne rasant an, insbesondere in der Produktion. 52.000 Menschen werden in China durch deutsche Chemie- und Pharmaunternehmen beschäftigt, weitere 25.000 in Indien. Knapp 24 % der gesamten ausländischen Direktinvestitionen der Chemie- und Pharmaindustrie entfallen nach Angaben des VCI auf asiatische Länder.
Doch auch hier wurden zuletzt vielerorts die Anforderungen für Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen angepasst. So möchte China zwar den Zuzug von Top-Talenten vereinfachen, eine Reform, die bis Ende diesen Jahres umgesetzt werden soll, sieht allerdings für die große Mehrheit an ausländischen Arbeitskräften erhöhte Zugangsanforderungen sowie längere Verfahrensdauern vor.
Mit Ruhe, Genauigkeit und Zeit
Derzeit lässt sich ein globaler Trend zu protektionistischen Reformen beobachten. Weltweit sorgen sich viele Wähler, Globalisierungsverlierer zu werden. Die jüngsten Wahlergebnisse in Frankreich und den Niederlanden haben aber auch gezeigt, dass extreme und pauschalisierende Gegenentwürfe keine Erfolgsmodelle sind.
Die Erfahrung zeigt, die Wirtschaft findet immer einen Weg, um Waren, Dienstleistungen und Mitarbeiter zu tauschen. Für deutsche Unternehmen sollte daher die Maßgabe sein: Ruhe bewahren, die Situation im In- und Ausland genau beobachten und ausreichend Zeit für Entsendungsprozesse einplanen.