Anlagenbau & Prozesstechnik

Energiesparen mit neuer Gebläsetechnik für die Belebung

Modernisierung der Kläranlage Bergheim spart 60.000 EUR Stromkosten im Jahr

08.05.2022 - Die Investition in neue Gebläsetechnik für die Belebung in der KLäranlage Berghei macht sich für den Erftverband schnell bezahlt. Bei etwa 20% weniger Stromkosten war der Return on Investment in gerade einmal drei Jahren erreicht.

Es war ein Verbesserungsvorschlag der eigenen Belegschaft, der bei der Kläranlage Berg­heim-Kenten für weitreichende Energieeinsparungen sorgt. Als altersbedingt die Investition in neue Gebläsetechnik notwendig wurde, nutzte das Team von Abwassermeister Ralf Herde und Betriebsingenieur Günter Breuer die Gunst der Stunde, gemeinsam mit Aerzen ein Aeraudit durchzuführen. Damit wich der Verband von der ursprünglichen Planung ab, die alten Ag­­gregate lediglich durch vergleichbare Technik neueren Datums zu ersetzen. „Wir packen das Herzstück der Kläranlage an – die Luftversorgung der Biologie“, macht Günter Breuer den Stellwert der Modernisierung klar. Gerätetechnisch steht dahinter heute eine Kombination aus zwei Turbogebläsen vom Aerzen Typ AT 150-0.8S sowie einem Drehkolbenverdichter vom Typ Delta Hybrid D62S.

Diese Kombination war das Ergebnis von Aeraudit, dem wiederum ein dreiwöchiger Messzeitraum zugrunde lag. Ermittelte und zeitlich in einen Kontext gesetzte Parameter waren unter anderem Massenströme, Temperaturen von Medien und der Umgebung, Differenzdrücke, aufgenommene Leistungen und die damit verbundenen Spannungen und Ströme. Hierbei setzt der Anlagenbauer mit Blick auf die Belastbarkeit der Daten z. B. vor dem Frequenzumrichter der Aggregate präzise Messumformer an allen drei Phasen ein. Gleichzeitig wurde eine Volumenstrommessung installiert. Die Leistungsmessung förderte zu Tage, dass sich mit einer neuen Maschinenkonzeption der durchschnittliche Energiehunger von 3.590 kWh pro Tag vor der Modernisierung auf theoretisch 2.232 kWh eingrenzen lässt. Die um einige Korrektur­aspekte auf circa 20 % errechnete Prognose für die Belebung erwies sich im weiteren Projekt als belastbar. Die Ist-Zahlen liegen auf der erwarteten Leistungskurve.

Gerade bei der Grundlast auf Ideallinie

Turbo, Turbo, Delta-Hybrid Drehkolbenverdichter: Der Dreiklang des Anbieters aus Niedersachsen deckt auf ideale Weise den Luftbedarf der Kläranlage Bergheim-Kenten ab. Ideal heißt konkret, die Maschinen so zu fahren, dass sie im optimalen Betriebspunkt – also maximalen Wirkungsgrad – für Luft in der Belebung sorgen. Im Zuge der Bestandsaufnahme lag die geforderte Luftmenge bei 4.200 Nm3 pro Becken und Stunde. Vier Belebungsbecken zählt die Kläranlage, von denen im Regelfall nur zwei belüftet werden. Die Turbos sind für 5.000 Nm3 ausgelegt und können folglich die Normallast energetisch betrachtet ideal bewältigen. Liegt der Bedarf weit darunter, übernimmt der Delta Hy­brid die Arbeit und die Turbos gehen als Grundlastgeräte vom Netz. Ist aufgrund hoher Außentemperatur und CSB-Fracht maximale Leistung gefragt, erreichen alle drei Aggregate gemeinsam 13.000 Nm3. „Unsere Erfahrung zeigt, dass wir maximal 12.000 Nm3 in der Spitze benötigen. Mit dieser Maschinenkonstellation sind wir also auf der sicheren Seite“, weiß Abwassermeister Ralf Herde aus Erfahrung zu berichten.

Bedarf energetisch optimal decken

Jeder Lastwechsel hat in der Abwasserreinigung einen ganz unterschiedlichen Luftbedarf zur Folge. In der technischen Umsetzung mündete diese Aussage in der Performance3-Strategie. Das Maschinenportfolio der Niedersachsen bildet hier die Grundlage, aufgrund gemessener Lastverläufe und ihres zeitlichen Anteils über einen Betriebszeitraum die passende Maschinenkombination aus Drehkolbengebläse, Drehkolbenverdichter und Turbo zu wählen. Welches Aggregat mit welchen Leistungen schließlich mit wem gemeinsam oder auch allein für ausreichend Luft sorgt, das regelt die Verbundsteuerung Aersmart auf Grundlage der hinterlegten Maschinenkennlinien. Damit stellt der Maschinenbauer sicher, dass der Luftbedarf der Belebung immer mit der energetisch sinnvollsten Technik gedeckt wird – ohne dabei durch ständiges An- und Abschalten das Verschleißverhalten aus den Augen zu verlieren.

Die effiziente Koordinierung des Verbundes übernimmt die Steuerung vollkommen autark und unabhängig von der Prozessführungs­ebene der Kläranlage. „Wir haben selbst nichts mit der Regelung zu tun“, freut sich Ralf Herde. Der Abwassermeister arbeitet seit 20 Jahren auf der 120.000 EWG-Anlage. Sie ist damit die Zweitgrößte des Erftverbandes, der auf seinem 1.900 m² großen Verbandsgebiet weitere 31 Anlagen betreibt und 550 Mitarbeiter beschäftigt. Hinzu kommt ein Areal von weiteren 2.300 m², auf dem der Erftverband die wasserwirtschaftlichen Verhältnisse im Zusammenhang mit dem Braunkohletagebau beo­bachtet und erforscht. Das Zuständigkeitsgebiet erstreckt sich damit zusammengefasst von der niederländischen Grenze bis zum Rhein und von Neuss bis nach Bad Münstereifel.

Für den Erftverband ist der Performance3-­Ansatz sowie die Analyse und das Audit der Betriebsdaten richtungsweisend. Betriebsingenieur Günter Breuer ist davon überzeugt, dass die Ergebnisse des Modelversuchs das Potenzial haben, über das eigene Versorgungsgebiet hinaus weiter Schule zu machen. „Wir sind kein kleines Unternehmen und pflegen auf technischer Ebene den engen Erfahrungsaustausch mit Nachbarverbänden.“ Abseits der technischen Möglichkeiten moderner Gebläsetechnik sowie den Chancen einer Verbundsteuerung, ist, nach Ansicht von Günter Breuer, der Erfolg der Modernisierung vor allem auf das Engagement seines Teams vor Ort zurückzuführen. „Es lohnt sich, genau hinzuschauen, um die großen Schrauben zu finden, an denen es sich lohnt zu drehen.“

 

Effizienz ist auch eine Frage der Firmenkultur

In der Kläranlage Bergheim Kenten habe das Personal den Umbau weitgehend selbst erledigt. Das begann beim Rückbau der alten Gebläse, ging weiter über die Anpassung von Rohren und Luftleitungen sowie der Verlegung elektrischer Anschlussleitungen. Final übernahm die Mannschaft von Abwassermeister Ralf Herde auch die Einbindung der neuen Gebläse in die Software der Kläranlagenregelung. Der Verband sparte auf diese Weise weitere 60.000 bis 100.000 EUR im Vergleich zur Fremdvergabe heißt es im eingangs erwähnten Verbesserungsvorschlag. Günter Breuer: „In Systemen zu denken ist eine Frage der Firmenkultur. Das ist hier gelungen. Das müssen aber auch alle wollen und mittragen. Ich bin stolz auf meine Jungs.“

Autor: Thorsten Sienk, freier Fachredakteur für Aerzener ­Maschinenfabrik

 

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