Energiegipfel mit Bayerischem Wirtschaftsministerium und Stromnetzbetreibern zeigt dringenden Handlungsbedarf
09.06.2021 - Unter dem Titel „Die Zukunft der Energieversorgung ist das Schlüsselthema für das ChemDelta Bavaria“ diskutierten Vertreter der Initiative ChemDelta Bavaria mit Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger und dem Vorstand der Bayernwerk Egon Westphal und Tennet Chief Operating Officer Tim Meyerjürgens.
An der mehrstündigen Veranstaltung, die von Bernhard Langhammer, dem Sprecher der Initiative ChemDelta Bavaria moderiert wurde und die Corona-bedingt im Netz stattfand, beteiligten sich auch Vertreter der regionalen Unternehmen, Lokalpolitiker und Vertreter der Kommunen.
In seinem Grußwort wies der Vorsitzende der Bayerischen Chemieverbände Christian Hartel, darauf hin, dass die chemische Industrie als Lösungsindustrie einen entscheidenden Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leistet. Strom und Wasserstoff aus CO2 -freien Quellen seien dafür der Schlüssel, sofern sie bezahlbar blieben. Diese Rechnung gilt natürlich auch für das Bayerische Chemiedreieck. Ab jetzt ginge es nicht mehr um neue Ziele, es ginge um die Umsetzung und was dafür nötig ist. Dafür bedürfe es der Beantwortung dreier Kernfragen: Woher kann die grüne Energie kommen? Wie kommt sie ins Chemiedreieck? Wie kann sie bezahlbar bleiben, zum Beispiel grüner Strom weniger als vier Cent pro Kilowattstunde kosten?
Nachhaltige Energieversorgung als essenzielles Zukunftsthema
Der Lenkungskreisvorsitzende der aus 18 Unternehmen der chemisch-pharmazeutischen Industrie bestehenden Initiative ChemDelta Bavaria Gerhard Wagner wies auf die hohe Bedeutung der Industrie als wirtschaftlicher Motor in Südostbayern hin und klärte auf, dass der Strombedarf des Chemiedreiecks vor dem Hintergrund der Klimawende deutlich steigen wird. Eine klimaneutrale Produktion setze die Elektrifizierung der Prozesse voraus. Dies bedeute einen stark steigenden Strombedarf, der zudem CO2-neutral zu erzeugen ist. Da Bayern über keine den Eigenbedarf deckende Erzeugung grüner Energien verfügt und zunehmend zum Nettoimporteur von Strom wird, ist ein leistungsfähiges Stromleitungsnetz in Richtung Süden zwingend notwendig.
Wagner: „Erneuerbare Energien, grüner Wasserstoff und klimaneutrale Plattformchemikalien werden für das Bayerische Chemiedreieck der Garant für die Zukunftsfähigkeit und den Wohlstand sowie die Beschäftigung in der Region sein“.
So benötigt alleine die deutsche chemische Industrie bis 2030 mindestens 200 TWh an zusätzlicher Ökostromerzeugung im Jahr. Zum Vergleich: Im Jahr 2020 erreichte die gesamte Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in Deutschland 251 TWh.
Energiewende und Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit
Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger wies darauf hin, dass die Stromerzeugung aus Wasserkraft, Sonnen- und Windenergie sowie Biomasse in Bayern mittlerweile mehr als die Hälfte der Energieerzeugung ausmacht und man bei der dezentralen Energiewende in Bayern auf dem richtigen Weg sei. „Für uns ist es entscheidend, dass die Politik die passenden Rahmenbedingungen dafür schafft, dass die Energiewende gelingt und gleichzeitig keine Gefährdung für die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und die Beschäftigung im Bayerischen Chemiedreieck darstellt. Wir wollen Akzente setzen und die Innovationsfähigkeit unserer Unternehmen fördern“, betonte Aiwanger. Er unterstrich dabei die hohe Bedeutung von Wasserstoff als Schlüsseltechnologie für das Erreichen der Klimaziele. Wasserstoff kann aus Wasser mithilfe von Strom aus erneuerbaren Energien gewonnen und in Brennstoffzellen genutzt werden. Dabei werden das klimaschädliche Kohlendioxid und andere Schadstoffe komplett vermieden.
Innovative Energienetze Grundlage der Energiewende
Das Bayernwerk hat die erste Phase der Energiewende erfolgreich gestaltet. Über 300.000 Erneuerbare Energie-Anlagen wurden bislang an das Energienetz angeschlossen. „Moderne Verteilnetze sind der Schlüssel für die Energiezukunft“, betont Bayernwerk-Vorstand Egon Leo Westphal. Das erfordere eine ständige und konsequente Weiterentwicklung der Energieinfrastruktur. „Das Bayernwerk verbaut in diesem Jahr ein Rekordbudget von über 650 Millionen Euro, um den Kurs einer konsequenten Digitalisierung und Verkabelung der Energienetze fortzusetzen – bei stabilen Netzentgelten und hoher Versorgungsqualität“, so Egon Leo Westphal. Und der Wandel der bayerischen Energielandschaft gehe mit großen Schritten weiter. „Die nächste Phase der Energiewende wird Realität. Wir erleben auf der einen Seite einen neuen Solarboom mit immer größeren Anlagen, die ihren Platz im Energienetz brauchen. Auf der anderen Seite kommen neue Verbrauchstechnologien, wie Wasserstoff-Anwendungen im Bayerischen Chemiedreieck und Rechenzentren im Großraum München mit wachsendem Energiebedarf hinzu. Die Grundlage sind leistungsfähige und innovative Energienetze.“
Versorgungssicherheit erfordert neben dem Netzausbau zusätzliche innovative Lösungen
„Bayerns Versorgungssicherheit hängt auch von dem gesetzlich beschlossenen Netzausbau ab. Er macht das bayerische Stromnetz fit für die Energiewende und sichert und stärkt so den Wirtschaftsstandort Bayern. Deshalb arbeiten wir mit Hochdruck an so wichtigen neuen Leitungen wie zum Beispiel SuedOstLink, die Windstrom aus dem Nordosten in die Wirtschaftsregion Isar bringen wird“, sagte Tim Meyerjürgens, Chief Operating Officer von Tennet. Der Netzausbau geht voran; so sind bei der Gleichstromverbindung SuedOstLink alle Abschnitte im Planfeststellungsverfahren und die Aufträge für die Erdkabel und die Konverteranlage vergeben. Bei einem anderen Leitungsprojekt, der Verbindung von Altheim nach St. Peter, die die bayerische Stromversorgung mit den Pumpspeicherkraftwerken in Österreich verbindet, wird Tennet nach Beendigung des Genehmigungsverfahrens voraussichtlich noch in diesem Jahr mit dem Bau starten. Meyerjürgens sagte weiter: „Neben dem Netzausbau stehen für uns auch innovative Lösungen im Fokus, um die Energieversorgung künftig zu sichern. Dazu gehört auch Wasserstoff. Es wird entscheidend sein, wo und wann wir „grünen Wasserstoff“ aus erneuerbarem Strom produzieren werden, damit dies nicht für zusätzliche Überlastung der Stromnetze sorgt und wir keinen zusätzlichen Netzausbau brauchen.“ Er ergänzte: „Vor dem Hintergrund der neuen Klimaziele zeigt sich immer mehr, dass die Transformation des Energiesystems Netzausbau und Investitionen in Infrastruktur erfordert. Nur gemeinsam, im Schulterschluss zwischen Industrie, Wirtschaft, Politik, Gas- und Stromwirtschaft, wird es gelingen, die Energiewende erfolgreich weiterzuführen.“
Ausgiebig diskutiert wurden die Themen: die Wasserstoffinitiative und die Folgen für den Netzausbau und die Auswirkungen des Strompreises auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit der chemischen Industrie in der Region, sowie die Notwendigkeit eines Energiemasterplans für das Chemiedreieck.
Fazit:
Die Zukunft der Energieversorgung ist das Schlüsselthema für das ChemDelta Bavaria
Die chemische Industrie ist eine der zentralen Lösungsindustrien, wenn es darum geht, die großen Herausforderungen unserer Gesellschaft meistern zu können.
Die klimaneutrale Transformation bis 2045 ist technisch machbar. Allerdings sind dafür enorme zusätzliche Mengen Strom aus erneuerbaren Energien nötig, vierundzwanzig Stunden am Tag, sieben Tage die Woche sowie zu international wettbewerbsfähigen Preisen, jedoch nicht über 4 Cent je Kilowattstunde. Ergänzend benötigt man grünen Wasserstoff sowie klimaneutrale Plattformchemikalien.
Anders als mit einem enormen zusätzlichen Einsatz grüner Energie sind die Produktionsprozesse nicht klimaneutral zu gestalten. Wenn wir die sich permanent verschärfenden Ziele erreichen wollen, wird es darum gehen, dass man sofort und rasch in die Umsetzung geht:
- Woher kann die grüne Energie kommen?
- Wie – als Strom, Wasserstoff oder klimaneutrale Plattformchemikalie – kommen sie in das Chemiedreieck?
- Wie kann das bezahlbar und die Unternehmen international wettbewerbsfähig bleiben – beim Strom zum Beispiel weniger als 4 Cent pro Kilowattstunde?
Die Antworten zu diesen drei Fragen sind der Schlüssel zum Erfolg. Zum Erfolg in der Erreichung der klimaneutralen Transformation und nachhaltigen Gestaltung unserer Zukunft, zum Erfolg für eine weiterhin prosperierende Wirtschaft im internationalen Wettbewerb, und auch zur erfolgreichen Sicherung von Arbeitsplätzen in der Region. Valide Antworten müssen noch entwickelt werden.
Masterplan „Energieversorgung für das ChemDelta Bavaria“
Ähnlich gestaltet wie bei der gemeinsamen erfolgreichen Zusammenarbeit im Infrastrukturprojekt Bahn, schlägt man vor, diesen Masterplan „Energieversorgung für das ChemDelta Bavaria“ sehr zeitnah ins Leben zu rufen, um damit auch schnell in die konkrete Umsetzung zu kommen.
Man müsse den politischen Rahmen setzen und die erforderlichen Entscheidungen treffen, um die notwendigen Mengen an Energie gesichert in das Bayerische Chemiedreieck zu bringen. Dabei werde es nicht ohne das Zusammenspiel von Gesellschaft, Politik, Behörden und Wirtschaft gehen.
Die Beispiele BASF/RWE und Uniper führten uns deutlich vor Augen, dass andere Regionen in Deutschland bereits als Vorreiter in der Umsetzung sind.