Anlagenbau & Prozesstechnik

Energiebedarf effizient managen

Automatisierung und Energiedaten-Auswertung als Stellschrauben

21.08.2012 -

In energieintensiven Branchen wie der Chemieindustrie wird der Effizienzgrad zu einem wichtigen Wettbewerbsfaktor. Deutliche Einsparpotenziale können mit Automatisierung und Energiedatenmanagement-Systemen gehoben werden. Was ist bei der Wahl des richtigen Systems und der Implementierung zu beachten?

Die Automatisierungstechnik gilt bei Prozessanlagen in der chemischen Industrie als eine zentrale Stellschraube bei der Energieeffizienz und als Möglichkeit, die steigende Komplexität der Anlagen zu beherrschen. Automatisierte Steuer- und Regelprozesse ermöglichen es, integrierte Apparate und Systeme abgestimmt anzusteuern und in der Bandbreite ihres optimalen Wirkungsgrads zu betreiben. Dabei werden eine Vielzahl an Informationen zwischen den einzelnen Anlagen und Steuersystemen ausgetauscht. Der zunehmende Datenfluss bietet Ansatzpunkte für energiebezogene Auswertungen.

Die Wahl des richtigen Systems

Ein Energiedaten-Managementsystem (EDMS) ermöglicht exakte Messungen und deren Auswertung. Mit einer soliden Datenbasis können besondere Lastspitzen, die Hauptverbraucher oder einzusparende Kilowattstunden identifiziert werden. Entscheidend für die Realisierung von Potenzialen zur Kostensenkung ist die Wahl eines passenden EDMS. Dieses muss nicht nur optimal an die betrieblichen Prozesse angepasst werden können, sondern auch eine detaillierte Betrachtung aller Prozessabläufe ermöglichen.

Derzeit sind über einhundert verschiedene EDMS auf dem Markt. Nicht alle Produkte sind gleichermaßen geeignet, die strengen gesetzlichen Normen zu erfüllen. Das betrifft auch die computergestützte Überwachung und Analyse des Energiebedarfs, die Beschaffenheit von Soft- und Hardwarekomponenten sowie der Messwertaufnehmer. Das Management und die Auswertung der energiebezogenen Daten ist dabei ein Baustein eines umfassenden betrieblichen Energiemanagements nach ISO 50001 bzw. der Vorläufer-Norm DIN EN 16001. Eine Orientierung bei der Auswahl eines passenden EDMS gibt der TÜV SÜD-Standard „Zertifiziertes Energiedatenmanagement".

Prüfgrundlage ist eine Checkliste, in die langjährige Erfahrung bei der Prüfung, Zertifizierung und der Beratung zum Energiemanagement eingeflossen ist. Die Evaluation von EDMS geschieht auf Basis einer detaillierten Analyse, zu deren Kriterien neben den technischen Details zur Datenerfassung, -verarbeitung und -analyse auch Vertrieb und Service und somit Aspekte der Anwenderfreundlichkeit gehören. Wichtige Punkte sind unter anderem:

  • Erfolgreiche Implementierung des EDMS bei Referenzkunden
  • Kompatibilität mit standardisierten Bussystemen
  • Plausibilitätsprüfung der Rohdaten
  • Anzeigen von Lastgängen, Verbrauchstrends, Aktual- und Grenzwerten
  • Festlegung von Grenzwerten und Warnung bei Überschreitung
  • Verwaltung der Abrechnungsdaten der Versorger
  • Exportfunktion in Office-Anwendungen
  • Generierung eines Energieberichts
  • Erstellung von Kennzahlen
  • Verwaltung von virtuellen Zählstellen

Implementierung im Unternehmen

Ein Schlüssel zu einer erfolgreichen Implementierung eines EDMS ist die Flexibilität und Kalibrierung des Systems. Je mehr Verbrauchsdaten sich direkt vor Ort messen lassen, desto detailgetreuer wird der Energiebedarf einzelner Produktions- und Verfahrensschritte abgebildet. Bereits vorhandene Zähler aus der Prozess- und Gebäudeleittechnik sollten ebenso einfach integrierbar sein wie zusätzliche Messwertaufnehmer - selbst wenn diese von unterschiedlichen Herstellern stammen. Voraussetzung dafür sind standardisierte Bussysteme und eine Netzwerkanbindung, um die unterschiedlichen Komponenten miteinander zu verbinden.

Eine modulare Verschaltung erleichtert darüber hinaus spätere Erweiterungen und Anpassungen. Jedes Bit der einzelnen Messgeräte und Wandler sollte sich automatisiert erfassen, übertragen und speichern lassen. Die sichere und langfristige Speicherung der Daten schon auf dieser Ebene verhindert Datenverluste im Gesamtsystem. Hier sind die sichere Zuordnung zum Messgerät, die korrekte Zählerverwaltung sowie die exakte Zeit- und Datumsverwaltung entscheidend.

Ergebnisse auswerten und darstellen

Kernstück jedes EDMS ist das Hard- und Softwarepaket für die umfangreiche Auswertung der Daten. Können die Daten sinnvoll analysiert, visualisiert und ausgewertet werden? Übersichtlichkeit und Nutzerfreundlichkeit stehen hier an erster Stelle. Eine Demoversion des Herstellers, die vor der Kaufentscheidung zu Testzwecken zur Verfügung gestellt wird, oder ein Online-Gastzugang vermitteln dem potenziellen Anwender einen ersten Eindruck.

Neben den automatisch erfassten Daten, die ein System idealerweise bereits selbst auf erste Plausibilität prüfen kann, sollte die Möglichkeit bestehen, weitere Daten einzupflegen - manuell oder auch mit mobilen Geräten. Sie erlauben flexible und ortsunabhängige Messungen. Zusätzlich liefern Abrechnungen von Energieversorgern und Brennstofflieferanten nützliche Referenzwerte.

Weitere wichtige Fragen: Lassen sich unterschiedliche Lastgänge in verschiedenen Zeitskalen anzeigen, Live- und Aktualwerte einbeziehen? Wird die Überschreitung von Schwell- und Grenzwerten sichtbar und gut visualisiert? Zudem können viele Produkte automatische Energieberichte generieren und Kennzahlen erstellen, was dem Betriebsleiter, dem Energieverantwortlichen oder dem Controlling als Entscheidungshilfe nutzt. Darüber hinaus ist die Verknüpfung mit Wetterdaten sinnvoll, um witterungsbedingte Einflüsse auf den Energiebedarf aufzudecken.

Ausblick

Bereits jetzt lohnt es, ein umfassendes Energiemanagement mit EDMS aufzubauen. Und das nicht nur, weil Einsparungen bei steigenden Energiekosten immer wichtiger werden, um die die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Ab 2013 wird ein Energiemanagement mit EDMS für energieintensive Chemie-Unternehmen notwendige Bedingung, um von Steuerermäßigungen zu profitieren. Dazu zählt bspw. die Entlastung von der EEG-Umlage. Bei einem Energiebedarf von 10 GWh entspricht das rund 290.000 Euro pro Jahr.

 

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Energiemanagementsysteme nach DIN EN 16001 und DIN EN ISO 50001

Beide europäischen Normen legen Anforderungen zur Verbesserung der Energienutzung in Unternehmen fest. Kern der DIN EN 16001 ist die Umsetzung eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses mit Fokus auf der Energiepolitik und dem Energiebedarf des Unternehmens.

Die DIN EN ISO 50001 ersetzt zum 25. April 2012 die Vorgängerversion. In den Fokus der Norm rückt nun die energiebezogene Leistung (energy performance) des Unternehmens. Ziel dieses eher systemischen Ansatzes ist es, die Gesamtenergieeffizienz zu optimieren.

Nach DIN EN 16001 zertifizierte Unternehmen verlieren durch die Umstellung auf ISO 50001 aber nicht automatisch ihr Energiemanagementzertifikat. Die Fristverlängerung der DIN EN 16001 endet Ende 2012. Bis dahin sollten Unternehmen durch unabhängige Experten-Audits feststellen lassen, ob das Unternehmen auch alle Anforderungen nach ISO 50001 erfüllt.