Anlagenbau & Prozesstechnik

Ein Kommentar von Thomas von Kahlden zum Sonderheft ReinRaumTechnik 01/2017

20.03.2017 -

Vor mir liegt eine wissenschaftliche Ausarbeitung in einem Umfang von über vierzig Seiten zum Thema Reinraum-Verbrauchsmaterial. Das Werk – so muss man es wohl nennen – ist umfangreich, wie es zu diesem Thema im deutschsprachigen Raum wohl nie eines gegeben hat. Ich danke dem Autoren Win Labuda und dem Wiley-VCH Verlag dafür, dass Sie mir die Gelegenheit zu diesem Kommentar gegeben haben.

Zunächst stelle ich einige wesentliche Abschnitte der Arbeit heraus, in denen ich mit den Ausführungen des Autors prinzipiell übereinstimme:

  • Aus meiner täglichen Beratungs-Praxis weiß ich, dass insbesondere die Themen Reinraum-Handschuhe, Reinraum-Tücher und Bekleidung in den Betrieben immer wieder diskutiert werden. Gleichwohl ist mir kaum eine Fertigung bekannt in der eine wirklich sachkundige Reinraum-Verbrauchsmaterial-Auswahl stattgefunden hat. Insbesondere beim Einsatz von Reinigungstüchern wäre dies in vielen Fällen dringend notwendig.
  • Auch bin ich mit dem Autor vollkommen einig darin, dass Reinraum-Verbrauchs-material normalerweise zu keinem immensen Ausschuss im reinen Fertigungsprozess führt. Wäre es anders, so würden Produktion und Qualitätskontrolle unmittelbar darauf reagieren.
  • Obwohl Reinigungstücher und Handschuhe in jeder Reinraum-Fertigung benötigt werden, ist das Wissen der Anwender um die kontaminierende Wirkung dieser Materialien allgemein gering.

Keine andere Institution hat sich im Laufe der Jahre so intensiv mit dem Thema auseinander gesetzt wie Win Labuda, seine Frau Yuko und die Mitarbeiter im Clear & Clean-Forschungs-Labor. Diese langjährige Erfahrung spiegelt sich nun in seinem Aufsatz wider und insbesondere auch in den Prüfmethoden, die Labuda in Jahrzehnten konzipiert hat.
Labuda hat sehr deutlich gemacht, dass kaum ein Reinraumanwender die eingesetzten Verbrauchsmaterialien als so kritisch einschätzt, dass er durch diese ernsthafte Verluste seiner Produktionsausbeute befürchtet. Die eine oder andere Ausnahme mag hier zugelassen sein. Aber wenn dieser Fall einmal eintritt, so kann es hilfreich sein, sich in die Physik der verfügbaren Materialien und Prozesse zu vertiefen, um so eine Optimierung zu erzielen. Natürlich kann man durch allerlei „Quältechniken“ den Verbrauchsmaterialien durch überintensive Prüfmethoden eine beeindruckende Partikelfreisetzung abringen, aber man muss sich fragen ob und inwieweit sie den Gebrauchs-Stress von Reinraum-Verbrauchsmaterialien überhaupt widerspiegeln und wenn nein, ob eine solche Prüfung dem jeweiligen Anwender wirklich weiter hilft. Prüfmethoden dieser Art gehören selbst auf den Prüfstand.
In diesem Zusammenhang sehe ich Labudas Aufsatz als Meilenstein, zumindest als großen Schritt vorwärts auf dem Weg zu einer realitäts-angepassten Prüftechnik für das Reinraum-Verbrauchsmaterial. Wir sind mit den Themen aber noch lange nicht am Ende – wenn es denn überhaupt ein Ende gibt. Es existieren Technologien, die uns auch in Zukunft vor extreme Herausforderungen stellen. Ich nenne die EUV-Lithographie in der Belichtungstechnik der Halbleiterindustrie, den großen Wissensbedarf in der Nanotechnologie aber auch Probleme die sich immer wieder aus der unzureichenden Messtechnik für Partikel auf rauen Oberflächen ergeben. All dies macht es erforderlich, auch weiterhin den Kontaminations-Parametern auf der Spur zu bleiben.
In diesem Zusammenhang spielt die vom Autor ausführlich behandelte filmische Kontamination eine wesentlich größere Rolle als in der Einschätzung vieler Fachleute, deren Fokus hauptsächlich auf den Bereich der partikulären Kontamination gerichtet ist. Eine beeindruckend einfache Methode ist, im Zusammenhang mit der Darstellung filmischer Kontamination aus Reinraum-Textilien, die von Labuda entwickelte C&C-Transfer-Methode mit ihren Spuren-Abdrücken bzw. Flüssigkeitsrückständen auf einer reflektierenden Indikatorplatte. Eine derart einfache Prüfmethode mit sofort verfügbarem plausiblen Ergebnis, ist sicher für uns alle von großem Nutzen.
Betrachtet man jedoch das große Spektrum der von Labuda entwickelten Prüfmethoden so erinnere ich mich an die Demonstration seines Rotations-Wischsimulators Mark III auf einer der Reinraum-Lounges die irgendwie symptomatisch war für die gesamte, vom Autor entwickelte Prüftechnik. Die Besucher standen staunend vor dem gut funktionierenden Reinigungs-­Effizienz-Messplatz aber es wurde deutlich, dass die wenigsten von ihnen die prüftechnischen Möglichkeiten des von Labuda geschaffenen Systems erkannt hatten. Das Problem liegt wohl darin, dass der Anwender hinter dem Begriff wischendendes Reinigen nicht die physikalisch und chemisch höchst komplizierte Technologie vermutet, die sich in Wahrheit dahinter verbirgt. Viele wissen nicht einmal, dass es – wie für jedes HiTech-Produkt – so auch für Reinraumtücher technische Kenndaten gibt, welche deren diverse technische Eigenschaften näher charakterisieren. Das wird sich sicherlich nicht schnell ändern. Aber wie der bekannte Textilwissenschaftler Peter Ehrler in einer Laudatio feststellte: „Es ist Labudas unbestreitbares Verdienst, dass der Putzlappen von einst mit den Jahren zum HiTech-Produkt avanciert ist.“
Labudas Betrachtungen zur Auswirkung von Partikeln in Fertigungsumgebungen und deren Quellen beziehen sich wesentlich auf Partikelgrößen kleiner als 0,5 µm. Die Fertigungsumfelder unterliegen ständigem Wandel. Es gibt heute Fertigungsbereiche bei denen der Mensch als Kontaminationsquelle durchaus eine Rolle spielt. Das ist vor allem der Fall, wenn er in unmittelbarer Produktnähe arbeitet. Darauf geht Labuda in seinem Aufsatz leider nicht ein.
Man muss heute differenzieren zwischen dem Fertigen unter Sauber-Bedingungen wie in der Automobilindustrie, wo relativ große Partikel von 50 bis 1.000 µm von Bedeutung sind und bspw. dem Fertigen von 10 nm-Strukturen in der Halbleiter-Industrie. Mit dieser Ausweitung wird das Thema Contamination Control nicht einfacher, auch wenn sowohl aus Sicht des Autors wie auch des Rezensenten große Partikel deutlich besser beherrschbar sind als die kleinen. Aber es stellt sich die Herausforderung Praxisnahe Prüf- und Bewertungsmethoden für die gesamte Breite der Verbrauchsmaterialanwendungen zu entwickeln. Die umfassende Abdeckung der gesamten prüftechnischen Bedarfsbreite ist sicherlich auch eine der Voraussetzungen dafür, neu geschaffene Methoden über die Normen und Richtlinien-Arbeit im europäischen und internationalen Raum zu etablieren.
Neben der Ausführlichkeit des Aufsatzes ist es bewundernswert mit welcher Akribie Labuda die Literaturstellen recherchiert hat und somit auch durch die Quellenangaben aus einem solchen Aufsatz ein wissenschaftlich vollständiges Werk entsteht. Wie gesagt ist der Aufsatz ein bedeutender Beitrag zur Reinraumtechnik unserer Zeit der den Stand der Technik auf den vom Autor gewählten Sachgebieten treffsicher, gründlich und nahezu erschöpfend dokumentiert.

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