Digitalisierung in der Flüssigkeitsanalyse
Endress+Hauser schafft effiziente Prozesse durch Standardisierung der Messtechnik
Weltweite Megatrends beeinflussen die Märkte und erhöhen die Anforderungen an die industrielle Messtechnik. Gleichzeitig sind die Senkung der Investitionskosten und Betriebskosten einer Messstelle im Fokus der Anwender. Diese widersprüchliche Situation kann durch verstärkte Digitalisierung und Standardisierung der Messstelle gelöst werden.
Die Digitalisierung der Sensortechnik erlaubt eine automatische Erkennung und Verarbeitung von verschiedensten Sensortypen. Andererseits unterstützt die Standardisierung von Schnittstellen eine vereinfachte und kostengünstige Übertragung von Daten. Am Beispiel von Messstellen der Flüssigkeitsanalyse werden die Vorteile erklärt und Beispiele erfolgreicher Umsetzungen aufgezeigt.
Megatrends und ihre Auswirkungen
Viele Megatrends spüren wir ständig in unserem täglichen Leben. So sind Mobiltelefone und Smartphones aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Entsprechende Auswirkungen haben diese Trends auch auf die Anforderungen an die Messtechnik.
Die Digitalisierung und Globalisierung fordert größere Datenmengen aus einem Messpunkt mit einer höheren Vernetzung. Für den flexiblen Einsatz mobiler Endgeräte werden Informationen zu jeder Zeit an jedem Ort abgerufen.
Steigende Ansprüche an die Funktionalität von Messgeräten bei gleichzeitiger Ressourcenknappheit erfordern, dass mit weniger Personal und Energie eine höhere Anlagenverfügbarkeit und Produktqualität erreicht wird. Dieser Trend wird durch gesetzliche Vorschriften mit strengeren Anforderungen z.B. an die Wasserqualität noch verstärkt.
Nicht zuletzt sorgt der demographische Wandel dafür, dass die Bedienung von Messgeräten durch jüngere und ältere Anwendern geschieht, die sehr verschiedene Kenntnisse der Prozesse und Technologien haben. Berufseinsteiger sind sehr erfahren im Umgang mit Smartphones und Computern. Ältere Anwender punkten mit viel Prozesserfahrung, können aber mit der Entwicklungsgeschwindigkeit moderner Kommunikationstechnik kaum noch mithalten.
Investitions- und Betriebskosten
Betrachtet man die gesamten Lebenszykluskosten einer Anlage, so teilen sich diese in Investitionskosten (CapEx, Capital expenditure) und Betriebskosten (OpEx, Operational expenditure) auf. Zeitlich entstehen die Investitionskosten bei der Planung, dem Bau und der Inbetriebnahme der Anlage. Dies kann eine Zeitspanne von mehreren Wochen bis Monaten umfassen.
Die Betriebskosten hingegen erstrecken sich über die gesamte Betriebsdauer einer Anlage – und die kann bis zu 25 Jahre oder mehr betragen. Können an dieser Stelle durch Messtechnik und Prozessoptimierungen Kosteneinsparungen abgeschöpft werden, so tragen diese wesentlich und überwiegend zur weiteren Minimierung der Gesamtlebenszykluskosten einer Anlage bei.
Daher liegt der Fokus in den Industrienationen bei bestehenden Prozessanlagen überwiegend im Bereich der Erneuerung und Optimierung. In den Wachstumsmärkten werden in aller Regel komplette Neuanlagen geplant und installiert. Hierbei liegt das Gewicht auf hoher Digitalisierung und Automatisierung.
Funktionsanforderungen versus Kosteneinsparungen
Die auf den ersten Blick widersprüchlichen Forderungen nach höherer Funktionalität bei gleichzeitiger Personal- und Kosteneinsparung können durch eine höhere Digitalisierung und Standardisierung erfüllt werden. Beide Aspekte haben eine Bedeutung sowohl innerhalb der Messstelle als auch nach extern an das Gesamtsystem, in das die Messstelle eingebettet ist.
Den Trend zu digitalisierten Sensoren gibt es schon seit vielen Jahren. Es entstand zum Beispiel die Plattform der Memosens-Sensoren, die viele Daten einheitlich an den Messumformer liefern können. Das spart Kosten bei der Entwicklung und vereinfacht später die Inbetriebnahme und Konfiguration. So wirkt es sich letztendlich positiv auf die Investitionskosten aus.
Dieses Mehr an Daten steht für verschiedene Schnittstellen zur Verfügung. Die Messwerte und Diagnoseinformationen können über etablierte Feldbusschnittstellen übertragen werden. Das sichert die Investitionen der Vergangenheit und erlaubt eine flexible Optimierung bestehender Prozesssteuerungen. Neu generierte Zusatzinformationen können parallel über moderne Schnittstellen übertragen und verarbeitet werden. So können z.B. per Funk Zustandsdaten und Serviceinformationen bereitgestellt werden, die eine vereinfachte und optimierte Wartung oder Reparatur erlauben.
Standardisierung bringt Mehrwert
Damit die Vorteile der Digitalisierung überhaupt genutzt werden können, ist eine Standardisierung der Schnittstellen und der Daten zwingend notwendig. Wenn die technische Basis und die Semantik der Daten wiederverwendet werden, müssen auf der elektronischen Seite keine neuen Schaltungen entwickelt, getestet und zertifiziert werden. Und auf der Seite der Datenverarbeitung können Algorithmen und Programme unverändert oder mit nur geringen Anpassungen eingesetzt werden.
Die standardisierten Schnittstellen sind häufig schon vorhanden. So erlaubt die standardisierte Memosens-Kupplung die flexible Verwendung von Sensorsimulatoren und Handmessgeräten unabhängig vom Sensortyp.
Für die Prozesssteuerung werden seit Jahrzehnten etablierte Feldbusprotokolle verwendet. Diese können zunehmend mit Schnittstellen aus anderen Bereichen kombiniert werden. Hauptsächlich sind das Ethernet-Schnittstellen und Bluetooth oder WiFi als Funktechnologien. Diese Schnittstellen sind in allen handelsüblichen Laptops oder Tablets vorhanden und ermöglichen eine kosten- und zeiteffektive Servicearbeit mit Serviceplanung, Gerätekonfiguration, Dokumentationserstellung und sogar Navigationsunterstützung für den Serviceeinsatz.
Einheitliche Schnittstellen sind nicht nur im Prozess von großer Bedeutung, sondern auch zwischen Prozess, Labor und weiteren Planungssystemen. Einerseits werden die Messwerte und die Diagnosewerte aus dem Prozess mit Labormessungen verifiziert. Andererseits wird die Prozesssteuerung auch durch Laborergebnisse angepasst. Auch hier funktioniert eine fehlerfreie Übertragung der Daten nur über standardisierte Schnittstellen, die den Sensor, die Messstelle, das Labormessgerät oder unterschiedliche Datenbanken miteinander verbinden.
Digitalisierung in der Praxis
Welche Anwendungen gibt es schon? Im Folgenden werden Beispiele aus verschiedenen Bereichen der Industrie mit unterschiedlichen Anwendungen und Zielsetzungen aufgezeigt.
Ethernet-Anbindung und Integration an das Managementsystem: Im Chemiepark Bitterfeld wurden ca. 100 Probenehmer über Ethernet und teilweise WiFi mit dem Managementsystem verbunden. So konnten die Betriebskosten deutlich gesenkt werden. Zusätzlich wurde eine Oberfläche erstellt, die die Daten aus der Datenbank aufbereitet und nach Kundenwunsch visualisiert. Dies diente der Optimierung der Wassernetzwerk-Überwachung und der Serviceplanung. Mit der Erweiterung der Probennahmestellen um die Geoposition konnte die Darstellung mittels Karte übersichtlicher werden.
Vollautomatisches Reinigungs- und Kalibriersystem mit Ethernet-Anschluss: Eine automatische Kalibrierstation verarbeitet die mittels Ethernet übertragenen Messwerte. Für die Prozesssteuerung wird weiterhin der Feldbus verwendet. Der Service kann durch Ethernet- und Funkschnittstellen vereinfacht werden. Die Kalibrierergebnisse werden an die Labordatenbank übertragen und bewertet. Durch die Optimierung der Reinigungs- und Kalibrierintervalle ist eine optimale Prozessführung möglich.
Laborsoftware Memobase Plus mit Anbindung an Datenbanken und Qualitätssysteme: Über einen Adapter können Prozesssensoren direkt über USB an einen Computer angeschlossen und kalibriert werden. Diese qualitätsrelevanten Daten werden zentral gesichert und sind über das Firmennetzwerk erreichbar. Über eine weitere Datenschnittstelle werden Ergebnisse von Probenmessungen an das Qualitätssicherungssystem übertragen. So erfolgt die Qualitätskontrolle und Dokumentation der Produktion. Die automatische Datenübertragung über die Ethernet-Schnittstelle ist auditsicher, da kein manueller Zwischenschritt durchgeführt wird.
Serveranbindung zur Sensorüberwachung mit mobilem Endgerät: Ein Edge-Device übersetzt Daten vom Feldbussystem auf einen Server im Ethernet-System. So ist es möglich, mit mobilen Endgeräten die Diagnose und den Sensorzustand zu kontrollieren. Des Weiteren können diese Daten mit Lieferverfügbarkeitsangaben angereichert werden. Für zusätzliche Serviceoptimierungen könnten diese Daten mit anderen Applikationen verbunden werden, wie z.B. Bestell- und Dokumentationsprogrammen.