DHL: Komplexe Anforderungen globaler Lieferketten. Ein Interview mit Thomas Nieszner.
Weltweites Transportnetz von DHL unterstützt Logistikdienstleistungen für die Chemie
Der Bedarf an weltweit durchgängigen, logistischen Dienstleistungen steigt - auch und gerade in der chemischen Industrie. Verlagerungen im globalen Chemiemarkt z.B. durch Zuwächse im Nahen Osten oder die starke Entwicklung der Region Nordasien-Pazifik mit vorhergesagten jährlichen Steigerungen von bis zu 7% pro Jahr setzen die Chemieindustrie Europas unter Druck.
Im Kontext der Wettbewerbsfähigkeit rückt die Optimierung der Lieferkette in den Fokus der Chemieunternehmen.
CHEManager sprach mit Thomas Nieszner, CEO DHL, Europe, Middle East and Africa (EMEA) über die logistischen Entwicklungen im Chemiemarkt.
Die Fragen stellte Dr. Sonja Andres, das Interview führte Thorsten Kritzer.
CHEManager: Volatile Märkte, global vernetzte abhängige Wirtschaftsstrukturen und Nachhaltigkeit - wie geht das zusammen? Welche Rolle nimmt hierbei die Logistik ein?
Thomas Nieszner: Die Märkte sind derzeit volatil, da haben Sie Recht. Es wird zunehmend schwieriger, lang anhaltende Vorhersagen zu treffen. Noch vor Monaten hieß es, dass wir in Deutschland vielleicht eine Rezession erleben werden, und nun gibt es die Nachricht, es sei schon wieder etwas Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Wirtschaftliche Turbulenzen spüren wir als Logistikanbieter meistens noch vor allen anderen Branchen. Bei DHL können wir uns allerdings durch unsere Größe und die gute Zusammenarbeit mit unseren Kunden relativ schnell an wechselnde Marktbedingungen anpassen. Gemeinsam mit unseren Kunden versuchen wir zuverlässige Voraussagen zu treffen, an die wir dann, gemäß den Wünschen der Kunden, unsere Prozesse anpassen.
Gleichzeitig ist es uns, als einem der führenden globalen Logistikunternehmen, enorm wichtig, einen Beitrag zur CO2-Reduktion zu leisten. Mit seinem unternehmensweiten Gogreen-Programm hat sich der Konzern das Ziel gesetzt, bis 2020 die CO2-Effizienz um 30% zu verbessern. Bereits 2012 haben wir die erste Zwischenmarke erreicht und uns um 10% im Vergleich zu 2007 verbessert.
Gerade die Chemiebranche ist außerordentlich stark global strukturiert und verflochten. Worin sehen Sie als Logistikdienstleister in dieser Branche die größten Herausforderungen?
Thomas Nieszner: Die Herausforderungen für einen Logistikanbieter sind heute nicht mehr nur Güter von A nach B zu transportieren. Wenn man sich auf bestimmte Industriezweige wie z.B. die Pharma- oder die Chemiebranche konzentriert, dann muss man genau wissen, was dort gerade aktuell ist und was von der Logistik erwartet wird. Ein Thema ist, überall ein gleichbleibendes Niveau an Serviceleistungen zu bieten, und das weltweit. Genau das ist eine der Stärken von DHL. Um beispielsweise in Vietnam oder Saudi-Arabien eine vergleichbar hohe Qualität zu gewährleisten wie in Deutschland, muss man auch schon mal größere Investitionen tätigen. Erst im Sommer 2012 haben wir ein neues 56.000m² großes Multifunktions-Logistik-Center für Life Sciences & Healthcare Kunden in Mumbai eröffnet - eine unserer über 150 Logistikeinrichtungen für diese Branche rundum die Welt.
Eine weitere Besonderheit der Chemielogistik sind die strengen und konsequenten Regularien in Bezug auf Sicherheit und Umwelt. Aufgrund der komplexen Anforderungen globaler Lieferketten sind hier ganzheitliche Lösungen gefragt. Dabei beziehen wir unsere Kunden natürlich von Anfang an mit ein und versuchen gemeinsam, die beste Lösung zu finden.
Ganz wichtig ist für uns auch die Auswahl der richtigen Leute für solch anspruchsvolle Logistikaufgaben sowie deren Schulung und Weiterentwicklung. Wir investieren in unsere Mitarbeiter u.a. durch spezielle Trainings- und Fortbildungsmaßnahmen.
Die Investitionen in diese Mitarbeiter sind ja durchaus sehr hoch. Wie halten Sie denn die ausgebildeten Mitarbeiter im Unternehmen?
Thomas Nieszner: Wir arbeiten in einer Serviceindustrie und entsprechend wichtig sind für uns gut ausgebildete Mitarbeiter, in die wir auch laufend weiter investieren. Wir legen dabei viel Wert auf interkulturellen Austausch und bieten die Möglichkeit für eine gewisse Zeit in anderen Ländern Erfahrungen zu sammeln. DHL ist weltweit präsent und so haben qualifizierte Kräfte beispielweise die Chance, innerhalb des Unternehmens mal für eine gewisse Zeit in die USA, nach China oder auf den afrikanischen Kontinent zu gehen. So lernen sie nicht nur das Land und die Leute, sprich neue Kolleginnen und Kollegen kennen, sondern auch die Art der Zusammenarbeit im geschäftlichen Umfeld, was eine besonders wertvolle Erfahrung ist. Gleichzeitig führen diese Maßnahmen zu einer stärkeren Mitarbeiterbindung, denn unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen für uns an erster Stelle und sind unser wichtigstes Alleinstellungsmerkmal.
Sie sind seit einem guten Jahr nun für den Bereich EMEA (Europa, Mittlerer Osten, Afrika) als CEO verantwortlich. Gibt es im Hinblick auf die Anforderungen logistischer Dienstleistungen (auch bezogen auf die chemische Industrie) in den drei Regionen große Unterschiede?
Thomas Nieszner: Ja, es gibt Unterschiede, was die logistischen Voraussetzungen betrifft. Vergleicht man z.B. die Infrastruktur Europas mit Afrika, so fehlen gerade innerhalb Afrikas vielfach verkehrstechnische Standards. Hier muss man sehr flexibel sein und häufig nach speziellen Lösungen suchen, um einen Transport doch noch zu ermöglichen. Man muss lernen mit einem schlecht ausgebauten, teilweise fehlenden Straßennetz umzugehen oder ungewohnte Zollbestimmungen umzusetzen.
Auf diese vielfältigen Entwicklung und Herausforderungen ist DHL vorbereitet. So arbeiten wir am Ausbau unserer eigenen Infrastrukturen in den Emerging Markets sowie im Mittleren Osten und Afrika. Mit unseren Investitionen schaffen wir einen Mehrwert, nicht nur für unsere Kunden sondern für die ganze Region. Gerne leisten wir hier Pionierarbeit, weil wir überzeugt sind, dass sich diese Länder positiv entwickeln werden.
Betrachtet man die Chemielogistik, so gibt es weltweit ebenfalls deutliche Unterschiede. Sehen wir uns den Markt in Asien an: Hier wird der Umsatz laut dem World Chemicals Report in der Chemiebranche in den nächsten Jahren um ein Mehrfaches wachsen. Dieses Wachstum, das in erster Linie von China getrieben wird, sich aber auch auf andere Länder in dieser Region verteilt und stärker sein wird als in Europa, wird auch in Hinblick auf die Logistikanforderungen zu einer gewissen Verschiebung führen.
DHL bedient alle Carrier - Straße, Schiene, Luft und See. Welche wichtigsten Vorteile erwachsen dem Verlader aus der chemischen Industrie aus dieser Tatsache?
Thomas Nieszner: Das stimmt, der Kunde, nicht nur aus der chemischen Industrie, kann von uns genau mit der Transportlösung bedient werden, die seinen Anforderungen bestmöglich entspricht. Das unterscheidet uns eindeutig von unseren Mitbewerbern.
Im Bereich Luftfracht haben wir nicht nur Zugriff auf ein eigenes Netzwerk, das von DHL Express betrieben wird, wir arbeiten hier auch mit allen namhaften Carriern, sprich Luftfrachtgesellschaften, zusammen. Wir pflegen enge, vertragliche Partnerschaften, wobei die Airlines sich an unseren sehr hohen qualitativen Vorgaben orientieren, um den gewünschten Service bei unseren Kunden zu erbringen. Die Kombination von eigener Airline und breitgefächertem Partnernetzwerk sichert uns die notwendige Flexibilität, falls der Kunde einen speziellen Wunsch hat, oder etwas Eiliges geflogen werden muss.
Auch im Schiffsverkehr kooperieren wir mit den großen Reedereien. Zudem verfügen wir über einen eigenen so genannten „in-house carrier", der sowohl Voll- als auch Teilladungen für uns verschifft.
Und beim Landverkehr setzten wir fast ausschließlich auf Vertragspartner. Ob Komplett-, Stückgut- oder Teilladungen, in diesen Transportsegmenten bieten wir den Kunden passgenaue Lösungen. Auf großes Interesse in der Pharma- und Chemieindustrie trifft dabei unser Angebot an temperaturgeführten Transporten, namentlich unser „ColdChain" Service.
Das Thema „Luftfrachtsicherheit" wird ab März 2013 sehr ernst für alle, die bis dahin noch keine behördliche Zulassung als „Bekannter Versender" besitzen. Wie sehen Sie das Ganze?
Thomas Nieszner: Wir haben uns sehr frühzeitig auf die neuen Herausforderungen vorbereitet. Seit Beginn der Übergangsregelung sind wir im aktiven Dialog mit unseren Kunden, um entweder unsere Erfahrung als Reglementierter Beauftragter bei einer Zertifizierung einzubringen oder Prozesse zur Kontrolle klar zu definieren. Zudem haben wir ausreichend Infrastruktur, wie Röntgengeräte oder Moleküldetektoren an unseren größten Standorten, wie Düsseldorf, Frankfurt, oder München bereitgestellt.
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