Deutschland braucht Chemie
Ein Editorial von Chefredakteur Dr. Michael Reubold
Inzwischen ist es Tradition, dass der amtierende Präsident des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) ein Buch veröffentlicht. Dr. Karl-Ludwig Kley hat sich dieser Aufgabe gestellt. Mitte Mai präsentierte er sein Buch „Deutschland braucht Chemie" (Buchvorstellung lesen Sie hier).
Nicht Traditionsbewusstsein, sondern die Überzeugung, dass die öffentliche Diskussion über die Chemieindustrie auf einer sachlichen Basis geführt werden muss, motivierte ihn dazu.
In weiten Kreisen der Öffentlichkeit sei das anders, bedauert Kley. Die Formulierung „ohne chemische Zusätze" gelte vielen Menschen sogar als Gütezeichen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: „Braucht Deutschland die Chemie?", die der VCI-Präsident anlässlich der Buchpräsentation in Frankfurt mit Experten diskutierte.
Auch wenn die Mehrheit der Bevölkerung diese Frage bejaht, sieht Kley Handlungsbedarf. Denn für die verbreitete Skepsis gegenüber der chemischen Industrie sei nicht selten „ein romantisch verklärter Fortschrittspessimismus verantwortlich, gepaart mit gesteigerter Risikoscheu". Kley setzt bei der Diskussion auf Kooperation statt Konfrontation. Denn die gesellschaftliche Akzeptanz ist entscheidend, damit die Politik hierzulande für die im internationalen Wettbewerb operierende Branche konkurrenzfähige Rahmenbedingungen schaffen kann. Weltweit investieren die Chemieunternehmen in Produktionskapazitäten, um die steigenden Nachfrage in den Wachstumsmärkten zu bedienen. Dort entstehen in beachtlichem Tempo Verbundstandorte mit moderner Infrastruktur, die zudem von guter Rohstoffversorgung und günstigen Energiekosten profitieren. Mit diesen Standorten wird Deutschland künftig um Investitionen konkurrieren - und nicht selten das Nachsehen haben.
Gesellschaft und Politik sind gut beraten, alles dafür zu tun, um die Chemiebranche, die für die meisten in Deutschland verbliebenen industriellen Wertschöpfungsketten entscheidende Vorprodukte herstellt, nicht abwandern zu lassen. Sonst wird vielleicht in nicht allzu ferner Zukunft bei Diskussionsrunden die Frage nicht mehr lauten „Braucht Deutschland die Chemie?", sondern: „Braucht die Chemie Deutschland?"!