Der lange Weg der Impfstoffentwicklung und -produktion
GSK-Impfstoffexperte sieht im Übergang der Produktion vom Labormaßstab auf industrielle Fertigung große Herausforderungen
Die Entwicklung und Produktion von Impfstoffen ist nicht nur aufwändig, sondern auch teuer und zeitintensiv. Impfstoffe sind komplexe biologische Arzneimittel mit höchsten Anforderungen an die Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit, die in der Regel an gesunde Personen, zum Teil aber auch an besonders sensible Säuglinge und Kleinkinder verabreicht werden. Aufgrund der Komplexität der Entwicklung und Produktion sowie hoher Investitionen und Risiken sind nur wenige Unternehmen in der Lage, Impfstoffe herzustellen.
GSK ist einer der größten Impfstoffhersteller weltweit mit einem breiten Portfolio. Wichtig ist, dass am Ende einer oft über zehnjährigen Entwicklungszeit ein Produkt zugelassen werden kann, das qualitativ hochwertig, sicher und wirksam ist. Impfstoffe werden prophylaktisch an viele Millionen gesunde Menschen verabreicht, darunter oft an ganze Kohorten von Kindern in den ersten Lebensjahren. Dies unterscheidet Impfstoffe wesentlich von den meisten anderen Arzneimitteln. Deshalb werden an die Sicherheitsdaten, die bei der Zulassung von Impfstoffen vorgelegt werden müssen, besonders hohe Anforderungen gestellt, um auch seltene Nebenwirkungen auszuschließen. Der Aufwand für die klinische Entwicklung von Impfstoffen ist deshalb wesentlich größer als bei anderen Arzneimitteln. Sie gehören damit zu den am besten geprüften und sichersten Arzneimitteln.
Die Entwicklung
Nur wenige Impfstoff-Konzepte, die anfangs Erfolg versprechen, führen tatsächlich zu einem zugelassenen Produkt. So erreicht nur etwa einer von 1.000 Impfstoffen, die präklinisch getestet werden, die klinische Phase (Abb.1).
Wichtigste Voraussetzung für den Beginn von groß angelegten Phase-III-Studien als Basis der Zulassung eines gut charakterisierten Endprodukts ist, dass zu diesem Zeitpunkt ein endgültiger Herstellungsprozess etabliert wurde. Die Umsetzung der Erkenntnisse der Grundlagenforschung in eine industrielle Großproduktion stellt dabei oft die größte Hürde dar. Für einen Impfstoff, der breit eingesetzt werden soll, ist vielfach die Herstellung von mehr als zehn Millionen Dosen pro Jahr notwendig, die die strengen regulatorischen Anforderungen an die Qualität erfüllen müssen. Dazu muss ein Prozess etabliert werden, der nicht nur die Überführung von einer Produktion im Labormaßstab in eine millionenfache Größenordnung erlaubt, sondern auch jederzeit überprüfbare, reproduzierbare Ergebnisse hinsichtlich Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit jeder einzelnen Impfstoffcharge gewährleistet.
Dieser Aufwand wird oft unterschätzt. So ist es nicht ungewöhnlich, dass es bei neuen Impfstoffkonzepten fünf Jahre oder länger dauert, bis die zur Produktion des Impfstoffs notwendigen Anlagen gebaut und ein endgültiger Herstellungsprozess etabliert wurden (Abb. 2). Zudem kann sich das Endprodukt in der Herstellung verändern, was vor Beginn der Phase III weitere Studien erforderlich macht. Wichtig ist, dass dieses so genannte „Upscaling“ und der Aufbau einer endgültigen Produktionsanlage vor Beginn der Phase-III-Studien abgeschlossen sind.
Aufwändige Produktion
Auch in der Sensibilität der Produktion unterscheiden sich Impfstoffe stark von vielen anderen Arzneimitteln. Das liegt daran, dass Impfstoffe biologische Arzneimittel sind, deren Grundlage Mikroorganismen sind. Im Gegensatz zu einem chemisch synthetisierten Produkt unterliegen sie stärkeren Schwankungen. Kleine Veränderungen in den Produktionsbedingungen können einen massiven Einfluss auf die Konsistenz der Produktion und die Qualität des Endprodukts haben. Ein streng regulierter Herstellungsprozesses mit meist vielen hunderten von In-Prozess und Freigabe-Tests soll deshalb sicherstellen, dass die gleichbleibende Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit des Endprodukts gewährleistet ist.
Komplexe Kombinationsimpfstoffe
Der Stellenwert von Mehrfachkombinationsimpfstoffen wird heute bei der Vielzahl von Impfstoffen in der Praxis immer höher. Je mehr Komponenten, umso größer der Aufwand und desto komplizierter und länger der Herstellungsprozess. Die Produktion von Kombinationsimpfstoffen dauert zwölf bis 18 Monate, bspw. bei dem Masern-Mumps-Röteln-Windpocken-Impfstoff, in anderen Fällen sogar bis zu 25 Monate. Allein das umfangreiche Qualitätstestprogramm kann bis zu sechs Monate dauern. Während des gesamten Herstellungsprozesses steht Sicherheit an erster Stelle. So nimmt die eigentliche Produktion nur 20% der Gesamtzeit in Anspruch, 80% entfallen auf Dokumentation und Qualitätskontrollen.
Aufgrund dieses aufwändigen Produktionsprozesses war GSK lange als einziger Hersteller in der Lage, eine der Standard-Impfungen im Säuglingsalter, den Sechsfach-Impfstoff gegen Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten (Pertussis), Kinderlähmung, Hepatitis B, und Haemophilus Typ b zu produzieren.
Dieser hohe Aufwand, die Komplexität der Herstellung eines biologischen Produkts und die damit verbundenen Risiken bei der Entwicklung und Produktion von Impfstoffen sind auch der Grund dafür, dass es bei Impfstoffen keine generischen Produkte gibt und nur eine überschaubare Anzahl von Herstellern in der Lage ist, sich dieser Herausforderung zu stellen. Auch ist das Prinzip einer generischen Entwicklung und Produktion bei einem biologischen Produkt wie einem Impfstoff nicht anwendbar, da selbst kleinste Änderungen im Herstellungsprozess große Auswirkungen auf Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit des Endprodukts haben können. Aus diesem Grund lassen sich bestehende Produktionsanlagen und Kapazitäten auch nicht beliebig vervielfachen.
Erfolge und Zukunft der Impfstoffentwicklung
Der Einsatz neuer Technologien und ständig wachsende Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung machen die Entwicklung neuer Impfstoffe erst möglich. So konnten in den vergangenen Jahren auf diese Weise neue Impfstoffe gegen Gebärmutterhalskrebs, Rotavirus- und Meningokokken-Erkrankungen entwickelt werden. Immer wichtiger bei der Vielzahl von Impfstoffen wurde auch die Entwicklung von Mehrfach-Impfstoffen. Durch die Kombination mehrerer Impfstoffe in einer Spritze erhöht sich die Akzeptanz der Patienten für Impfungen: Arztbesuche und Injektionen werden reduziert, die Impfraten können somit gesteigert werden, was für einen kollektiven Schutz der Bevölkerung und die Ausrottung bestimmter Krankheiten entscheidend ist.
Trotz dieser Erfolge in der Impfstoffentwicklung besteht weiterhin Bedarf an neuen Impfstoffen zum Schutz vor komplexen Erkrankungen wie bspw. Ebola, Malaria, Tuberkulose oder HIV.
Produktionsprozess einer Standardimpfung für das Säuglingsalter
In jedem Tropfen der qualitativ hochwertigen Impfsuspension, die einen Sechsfach-Impfstoff gegen Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten (Pertussis), Kinderlähmung (Poliomyelitis), Hepatitis B, und Haemophilus Typ b enthält,steckt ein jahrelanger Entwicklungs- und monatelanger Herstellungsprozess. Die koordinierte Produktion eines Mehrfachimpfstoffs ist immer wieder eine Herausforderung. So müssen zur richtigen Zeit Bakterienkulturen angesetzt, Zellen mit Polioviren beimpft oder Hefezellen für die gentechnische Produktion der Hepatitis B-Komponente vorbereitet werden. Wegen der unterschiedlichen Haltbarkeit müssen die Herstellungsabläufe exakt aufeinander abgestimmt werden, um eine adäquate Stabilität der Gesamtcharge zu gewährleisten. Weitere Arbeitsschritte sorgen für Sterilität, Inaktivierung und einen hohen Reinheitsgrad der Impfantigene. Die einzelnen Komponenten des Impfstoffs werden letztlich an Aluminiumhydroxid als Adjuvans gebunden und mit einem Konservierungsmittel versetzt. Nach zahlreichen Prüfungen der einzelnen Produktionsschritte wird auch der fertige Impfstoff nochmals etlichen immunologischen Tests unterzogen, bevor er abgefüllt, etikettiert und versendet wird.
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