Delo Industrie Klebstoffe – erfolgreich in der Nische
14.06.2013 -
Rund 2.000 Unternehmen zählt die chemische Industrie in Deutschland. Davon sind mehr als 90 % kleine und mittlere Unternehmen, die zusammen über ein Drittel der Arbeitsplätze in dieser Branche stellen. Einige dieser Unternehmen agieren führend am Weltmarkt, wie z.B. Delo Industrie Klebstoffe mit Sitz in Windach bei München.
Dr. Andrea Gruß sprach mit Sabine Herold, geschäftsführende Gesellschafterin von Delo Industrie Klebstoffe und Mitglied im Präsidium des Verband der Chemischen Industrie (VCI), über die Erfolgsfaktoren mittelständischer Chemieunternehmen.
CHEManager: Ihr Unternehmen zählt zu den Hidden Champions in der Chemiebranche. Was macht einen Hidden Champion aus?
Sabine Herold: Ein Hidden Champion konzentriert sein Geschäft auf ein Feld, das er besonders gut beherrscht und einen Markt bzw. eine Marktnische, deren Probleme er besonders gut kennt. Durch diese Spezialisierung erzielt er einen hohen Weltmarktanteil und wird zum Markführer in seinem Bereich, und das bei vergleichsweise geringem Bekanntheitsgrad in der Öffentlichkeit - das macht ihn zum Hidden Champion.
Welche Nische bedient Delo Klebstoffe?
Sabine Herold: Wir entwickeln Spezialklebstoffe für schnelle Fertigungsprozesse, das sind in der Regel Produktionen mit hohen Stückzahlen, bei denen sehr geringe Mengen an Klebstoff pro Bauteil verarbeitet werden. Unsere Klebstoffe sind sog. C-Teile, d.h. sie machen nur einen geringen Anteil der Gesamtherstellkosten für den Kunden aus. Gleichzeitig bieten wir dem Kunden mit unserem besonderen Know-how in der Lichthärtung, mit der wir Taktzeiten unter einer Sekunde erzielen, eine hohe Wertschöpfung. Denn bei der Produktion von Cent-Bauteilen mit Stückzahlen in der Größenordnung von Millionen bis Milliarden bedeutet Zeit Geld. Unsere Klebstoffe sind ihren Preis wert. Daher können wir angemessene Margen für unsere Produkte erzielen und setzen dabei übrigens in China die gleichen Preise durch wie in Europa.
Können Sie uns konkrete Anwendungen Ihrer Klebstoffe nennen?
Sabine Herold: Mit unseren Klebstoffen werden beispielsweise die Chip-Module auf Smart Cards verkapselt. In diesem Bereich sind wir Weltmarkführer mit einem Marktanteil von 80 %. Auch in jedem zweiten Handy befinden sich Klebstoffe von Delo, sie fixieren z.B. das Display oder verbinden Einzelteile von Mini-Lautsprecher oder -Kameras. Grundsätzlichen konzentrieren wir uns auf Klebstoffanwendungen mit einem Weltmarktvolumen von 5-50 Mio. €. Um diese Märkte zu bedienen, benötigt man eine gewisse Unternehmensgröße. Für Großkonzerne sind diese Märkte jedoch nicht von Interesse.
Was können Sie als Mittelständler besser als Großkonzerne?
Sabine Herold: Unsere Führungswege sind kürzer. Das macht uns schneller und flexibler. Schnelligkeit ist ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil am Klebstoffmarkt, bei dem grundlegende Entwicklungen eines Produkts immerhin 33 Monate bedürfen. Delo schafft Modifikationen gemäß Kundenwunsch innerhalb von Tagen! Das ist die Geschwindigkeit, die der Kunde im Entwicklungsprozess schätzt. Gleichzeitig sind wir als Mittelständler auch etwas langmütiger und halten ein Stück weit länger durch als ein börsennotierter Konzern, wenn eine Entwicklung nicht sofort den gewünschten Erfolg zeigt.
Welche Rolle spielen Innovationen für mittelständische Unternehmen?
Sabine Herold: Innovationen sind die große Herausforderung für den deutschen Mittelstand. Für Delo sind sie die Grundlage unseres Wachstums. Etwa 30 % unseres Umsatzes machen wir mit Produkten, die jünger als drei Jahre sind. Seit unserem Management Buy-out im Jahr 1997 haben wir alle fünf Jahre unseren Umsatz verdoppelt. Dieses Wachstum wurde vor allem durch neue Produkte erzielt. Dabei wuchsen wir übrigens im Inland genauso schnell wie im Rest der Welt. Heute erwirtschaften wir mit 350 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von rund 52 Mio. €, von dem wir 15 % wieder in die Forschung und Entwicklung neuer Produkte investieren.
Wie gehen Sie dabei vor?
Sabine Herold: Als Mittelständler betreiben wir keine Grundlagenforschung, sondern agieren als schneller Folger am Markt. Etwa zehn Produktmanager scannen parallel zur ihrer Arbeit die entstehenden, innovativen Märkte. Sie spüren Nischen auf, in denen wir uns mit unserem Know-how und unseren Produkten vom Wettbewerb abgrenzen und so einen Marktanteil von mindestens 50 % erzielen können. Insgesamt entstehen dabei mehr Projektideen als wir als Mittelständler umsetzen können. In einem jährlichen Strategiemeeting suchen wir davon sechs bis sieben Projekte aus, auf die wir uns konzentrieren und die wir mit kleinen, interdisziplinären Teams weiter verfolgen.
Viele unserer Innovationen entwickeln wir eng mit unseren Kunden, die meist selbst sehr innovativ und Marktführer auf ihrem Gebiet sind. So entstanden beispielsweise die bereits erwähnten Klebstoffe für Smart Cards in einer Kooperation mit Infineon.
Profitieren Sie bei der Entwicklung Ihrer Innovationen von der Forschungsförderung in Deutschland?
Sabine Herold: Nein, und ich sehe hier eine deutliche Benachteiligung des Mittelstands. In Deutschland werden die ganz kleinen und die ganz großen Unternehmen gefördert, der echte Mittelstand - und hierzu zähle ich Delo mit 350 Mitarbeiter und etwa 52 Mio. € Umsatz - profitiert nicht davon. Für viele Förderprogramme sind wir entweder zu groß, um uns beteiligen zu können oder wir können uns erst gar nicht den personellen Aufwand leisten, der notwendig ist, um an die Fördergelder zu gelangen.
Ich plädiere daher massiv für die steuerliche Forschungsförderung in Deutschland, dies wäre ein Instrument mit geringem bürokratischen Aufwand von dem Unternehmen unabhängig von ihrer Größe profitieren würden.
Für die Pläne zur Vermögenssteuer gilt dies sicherlich nicht...
Sabine Herold: Ja, die Umsetzung der Pläne zur Erbschafts- und Vermögensteuer hätte fatale Auswirkungen für den deutschen Mittelstand! Seit unserem Management Buy-out haben mein Mann und ich alles, was wir verdient haben, in die Firma reinvestiert. Viele unserer Erfolge waren nur möglich, weil wir so viel für Forschung und Entwicklung ausgeben haben. Käme die Vermögenssteuer, müsste unser Unternehmen ein Äquivalent von 13 Arbeitsplätzen pro Jahr an Steuern zahlen. Das sind neue Arbeitsplätze, die wir nicht schaffen können.
Ich finde es kühn, wenn die Politik auf der einen Seite sagt, der Mittelstand sei das Rückgrat unserer deutschen Wirtschaft und dann mit solchen Ansinnen kommt und mit Beispielen einzelner Multimillionäre argumentiert. Das ist nicht der deutsche Mittelstand. Der deutsche Mittelstand hat keine Yacht am Mittelmehr liegen.
Wo sehen Sie weitere Hürden für den Mittelstand?
Sabine Herold: Zum Beispiel im Arbeitsrecht. Wir haben Mitarbeiter in Holland, in England, in Italien, in Frankreich. Jedes Land hat sein eigenes Arbeitsrecht. Obwohl diese Mitarbeiter in Europa sitzen, können sie diese aufgrund des jeweiligen Arbeitsrechts kaum über unsere Zentrale vertraglich betreuen bzw. abrechnen. Und das, obwohl alle über Europa reden.
Wir haben es ja noch nicht einmal geschafft, uns in mehreren Jahrzehnten auf eine Sprache bzw. eine gemeinsame Zweitsprache zu einigen. Arbeitsverträge in Italien dürfen noch heute nur in Italienisch verfasst werden. Wir leisten uns es nach wie vor, die Sitzungen im Europaparlament in mehr als 20 Sprachen simultan zu übersetzen. Und wenn beispielsweise wie derzeit in Spanien eine hohe Arbeitslosigkeit herrscht - hier sind aktuell 50 % der Jugendlichen unter 25 arbeitslos, darunter sehr gut ausgebildete Fachkräfte -, dann antworten diese auf unsere englischen Stellenausschreibungen in Spanisch. Ich sehe keinen Standort Europa, sondern nur föderale Strukturen.
Wie wichtig ist Europa als Absatzmarkt für Delo?
Sabine Herold: Wir erzielen weniger als 25 % unserer Umsätze in Europa ohne Deutschland, darin sind die Umsätze in Nicht-Euro-Ländern enthalten. Wir machen mehr Umsatz in Nicht-Euro-Ländern und schaffen es dennoch, unser Geld zu bekommen. Insofern kann ich die Behauptung vieler Politiker, der Euro wäre insbesondere wichtig für den Mittelstand, nicht bestätigen.
Unser größter Wachstumsmarkt ist China. Vor 15 Jahren hätte ich das nicht für möglich gehalten. Doch in Asien werden die größten Technologiesprünge vollzogen, deshalb liegt unser Wachstumspotential auch in Zukunft im Ausland.
Sie erwähnten das Thema Fachkräfte. Verfügen Sie als Hidden Champion über ausreichend Nachwuchs?
Sabine Herold: Wir erhalten pro Jahr etwa 6.000 Bewerbungen. Doch viele der Bewerber sind nicht qualifiziert oder passen nicht zu uns. Wir könnten mehr Mitarbeiter einstellen, wenn wir die richtigen fänden. Ich gebe zu, bei der Auswahl der Kandidaten sind wir sehr pingelig. Natürlich müssen sie über ein solides Fachwissen verfügen, aber ausschlaggebend ist die Persönlichkeit. Sie muss ins Team und zum Unternehmen passen. Ich stelle mir z.B. bei einem Bewerber vor: Würde ich mit ihm gerne eine Geschäftsreise machen? Komme ich zu einem Nein oder legt ein Kollege ein Veto ein, dann entscheiden wir uns auch gegen den Bewerber. Denn nur wenn man Freude an der Arbeit miteinander hat, ist man auch erfolgreich.
Kontakt
DELO Industrie Klebstoffe
DELO-Allee 1
86949 Windach
Deutschland