Strategie & Management

Covid-19 – kein Patentschutz in der Pandemie?

Die Aussetzung des Patentschutzes ist kein Katalysator für schnellere Heilmittelverfügbarkeit

17.03.2021 - Impfstoffe gegen Covid-19 und Diagnostika sind ein knappes Gut in der Pandemie. Internationale Hilfsorganisationen und die WHO fordern daher eine Aussetzung des Patentschutzes.

Impfstoffe gegen Covid-19, Therapeutika und Diagnostika sind ein knappes Gut in der Pandemie. Internationale Hilfsorganisationen und die WHO fordern daher eine Aussetzung des Patentschutzes. Für forschende Pharmaunternehmen ist dies der falsche Weg.

Das Patentsystem basiert auf der Balance, dass die Patentinhaberin ein rechtliches Verbietungsrecht gegenüber Dritten für ihre Erfindung erhält und die Erfindung im Gegenzug 18 Monate nach Anmeldung des Patents offenlegt. In der Veröffentlichung müssen alle technischen Angaben enthalten sein, die den Fachmann auf dem relevanten technischen Gebiet befähigen, die beanspruchte Erfindung zu wiederholen.

Somit muss das Diagnostikverfahren (z. B. Qiagen, Biotype), auf dem eine Covid-19-Schnelltest basiert, oder das mRNA-Covid19-Vaccine (z. B. Moderna, CureVac, IDT Biologika, BioNTech, Pfizer), das zur Immunisierung führt, oder das Therapeutikum (z. B. AiCuris, Ursapharm, Merck, Roche Pharma), das die Entzündung der Atemwege behandelt, in dem jeweiligen Patent so beschrieben sein, dass jeder Fachmann diese Erfindung umsetzen kann. Gleiches gilt für jede andere innovative Technologie, die in der Pandemie zum Einsatz kommen könnte. Durch jede veröffentlichte Patentanmeldung wird die Entwicklung neuer Technologien dem Marktbegleitern offenbart und dem Wettbewerb ein neuer Anreiz für Optimierungen und neue Erfindungen gegeben. Dieses Wechselspiel katalysiert eine Innovationskraft fortwährender Erfindungen zum Wohle aller.

Zum Wohle der Allgemeinheit wurde die Aussetzung des Patentschutzes durch internationale Hilfsorganisationen und der WHO gefordert. Doch ist dies zum Wohle aller, wenn diejenigen, die das unternehmerische Risiko und die Haftung für die Produkte schultern, ihres erwirtschafteten geistigen Eigentums enteignet werden?

Diese Sichtweise verkennt, dass zur Produktion der Impfstoffe über die Patente hinausgehendes hochkomplexes Know-how erforderlich ist. Nur die Kombination aus proprietärer Technologie und Know-how gewährleistet die erforderliche Qualität und Produktsicherheit der Impfstoffe.

Patentschutz als Basis für ein Return on Investment

Durch Patente gesicherte technische Monopole auf neue Diagnostika, Impfstoffe, Therapeutika und Medizintechnik sind die Basis für Investoren in diese hoch risikoreichen und sehr langwierigen Produktentwicklungen zu investieren. Ein verlässlicher Patentschutz ist und bleibt die einzige Garantie für ein Return on Investment.

 

Ein verlässlicher Patentschutz ist
und bleibt die einzige Garantie für ein
Return on Investment.


Die aktuelle Pandemie offenbart dabei, dass neue, hochwirksame biotechnologische Entwicklungen zumeist durch kleine Hightech-Unternehmen hervorgebracht werden, die häufig ihre Gründung mit nur einem einzigen Produkt gewagt haben. Ohne Frage kann es nicht gewollt sein, durch obige Forderung zukünftige Technologien zu verhindern, indem diesen Unternehmen ihre einzige Basis zur Refinanzierung durch Vermarktung ihrer Produkte oder Lizenzeinnahmen genommen wird, wie die Lizenzierung an Konzerne mit entsprechender Infrastruktur und vorhandenen Ressourcen zur Vermarktung solcher Technologien, wie das Beispiel BioNTech und Pfizer zeigt.

Die Forderung nach Aussetzung des Patentschutzes übersieht, dass die Unternehmen zu einem sehr frühen Zeitpunkt in Patente investiert haben, ohne sich der Vermarktung sicher sein zu können. Nach langen Entwicklungsphasen hat sich die verbleibende Patentlaufzeit für die Monetarisierung der, den Impfstoffen zugrunde liegenden, Technologie teilweise halbiert. Während die Kosten für die Aufrechterhaltung und Verteidigung der Patente stetig ansteigen.

Die schnelle Verfügbarkeit eines Impfstoffs oder Therapeutikums gegen Covid-19 wird nicht durch patentrechtlich geschützte Monopole behindert, sondern durch die mangelnde Verfügbarkeit von Rohstoffen, Produktionskapazitäten und der Logistik. Daher kann die Forderung nach Zwangslizenzen und Aussetzung des Patentschutzes nicht das Mittel der Wahl sein, wenn auch zukünftig die Entwicklung neuer Heilmittel gewünscht ist.

Patentschutz ist die Voraussetzung für Joint Venture

Die Pandemie hat vielmehr gezeigt, dass schnelle Entwicklungen eben nur durch eine Vielzahl an hochspezialisierten Akteuren mit höchster Motivation gepaart mit ausreichender finanzieller Ausstattung und zu erwartendem Rücklauf der Investitionen, schnelle Entwicklungssprünge ermöglicht. Nicht Open Sources, sondern proprietäres geistiges Eigentum ist die Basis für Kooperationen und durch solche werden auch zukünftig neue Heilmittel entwickelt werden. Valide Schutzrechtspositionen der jeweiligen Vertragspartner bleiben dabei die Voraussetzung für die Einlassung auf ein solches Joint Venture. Ohne Patente hätte es Kooperationen, die durch die Pandemie initiiert wurden, zwischen sich sonst in streitigen Patentverfahren gegenüberstehenden Wettbewerbern ggf. nicht gegeben (z. B. GlaxoSmithKline und Sanofi).

Autoren: Anna Katharina Heide, Tanja Bendele, Ruhr-IP Patentanwälte

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ZUR PERSON
Anna Katharina Heide ist leitende Patentanwältin des Bereichs Life Sciences/Biotech/Biopharmazie/Diagnostik der Kanzlei Ruhr-IP Patentanwälte. Sie ist zugelassene deutsche Patentanwältin sowie European Patent, Design and Trademark Attorney und vertritt etablierte Unternehmen der Life-Sciences-Branche. Einer ihrer Schwerpunkte sind interdisziplinäre Technologien. Die promovierte Biologin ist stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Biotechnologie der Deutschen Patentanwaltskammer sowie stell. Vorsitzende des Business-Netzwerk für Managerinnen in den Life Sciences der VBU.

Tanja Bendele ist Gründungspartnerin der Kanzlei Ruhr-IP Patentanwälte und leitet die Bereiche Chemie und Pharmazie sowie die zugehörigen Bereiche Life Sciences, Medizintechnik, 3D-Technik und Verfahrenstechnik. Sie vertritt internationale Konzerne sowie deutsche, mittelständische Unternehmen. Die promovierte Chemikerin ist deutsche Patentanwältin und European Patent Attorney. Darüber hinaus ist sie Mitglied des Ausschusses für Patent- und Gebrauchsmustergesetz der Deutschen Patentanwaltskammer und ehemaliges Mitglied des Ausschusses für Patentbewertung.

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