CHEMonitor 2/2016 – Risikomanagement
Deutsche Chemiemanager hoch zufrieden mit dem Standort Deutschland / Unsicherheit in Bezug auf Markt- und IT-Risiken
Das Thema Risikomanagement stand im Fokus der 27. CHEMonitor-Umfrage, deren Befragungszeitraum eine Woche vor dem Unfall am 17. Oktober bei der BASF in Ludwigshafen endete. Besorgt zeigten sich die Top-Manager der deutschen Chemieindustrie in Bezug auf geopolitische Entwicklungen und die steigende Risiken an internationalen Märkten. Gleichzeitig bewerteten sie die Bedingungen am Standort Deutschland so positiv wie nie zuvor.
„Die Chemieindustrie scheint sich in Deutschland wohlzufühlen: Die Zufriedenheit mit den Standortbedingungen hat ein neues Allzeithoch erreicht. Nach eher vorsichtigen Prognosen zu Beginn des Jahres haben sich auch die Erwartungen für Gewinn- und Umsatzentwicklung stabilisiert. Parallel fokussieren vor allem große Unternehmen wieder stärker auf Kostensenkungsprogramme“, fasst Dr. Josef Packowski, Managing Partner bei Camelot, die Ergebnisse der aktuellen CHEMonitor-Befragung zur konjunkturellen Entwicklung in der Chemieindustrie zusammen.
Für das Trendbarometer von CHEManager und der Strategie- und Organisationsberatung Camelot Management Consultants werden zweimal pro Jahr über 200 Top-Entscheider der deutschen Chemieindustrie befragt. Bei der aktuellen Befragung bewerteten 90% der Chemiemanager den Standort Deutschland mit „gut“ oder „sehr gut“ (Grafik 1), 10 Prozentpunkte mehr als im Januar dieses Jahres und gar 20 Prozentpunkte mehr als zum Beginn der Zeitreihe im Mai 2013. Dabei spiegelte sich der positive Trend aktuell in allen analysierten Standortfaktoren wider.
Digitalisierung als Standortfaktor
An Position eins im Ranking der Standortfaktoren steht unverändert die Qualität von Forschung und Entwicklung, die von 93% der Befragten positiv bewertet wird. Bei der aktuellen Umfrage wurde das CHEMonitor-Panel erstmals zu seiner Einschätzung der Digitalisierung als Standortfaktor* für die Chemieindustrie befragt. 58% der Befragten bewerteten die Digitalisierung in Deutschland mit „gut“ oder „sehr gut“. Damit reiht sie sich im unteren Mittelfeld ein, vor den Schlusslichtern Arbeitskosten (25%), Unternehmensbesteuerung (18%) und Energiekosten (11%), die nur eine Minderheit der Manager positiv bewerten. Die vergleichsweise verhaltene Bewertung der Digitalisierung könnte im Kontext stehen mit den Risiken, die die Chemiebranche mit digitalen Technologien verbindet.
Chemiemanager messen Markt- und IT-Risiken hohe Bedeutung zu
Risiken in der Chemieindustrie und der Umgang der Branche mit diesen standen im Fokus der 27. CHEMonitor-Befragung vom Oktober 2016. Die Umfrage, auf der die hier vorgestellten Ergebnisse basieren, wurde vor der Explosion bei der BASF am 17. Oktober abgeschlossen.
Befragt nach Risiken mit hoher Bedeutung für das eigene Unternehmen nannte rund die Hälfte der Manager IT-Risiken (48%), gefolgt von strategischen (46%) und operativen Risiken (43%) sowie Compliance-Risiken (39%). Für etwa ein Drittel der Befragten sind zudem finanzielle Risiken (36%) und Nachhaltigkeits- und Umweltrisiken (30%) von hoher Bedeutung (Grafik 2).
Ursachen für potenzielle Risiken sehen die befragten Chemiemanager sowohl innerhalb als auch außerhalb des Unternehmens. Am häufigsten genannt mit 44% wurde unzureichende Datensicherheit (Grafik 3), was zum einen auf die aktuell stark diskutierten Chancen und Risiken der Digitalisierung, aber auch auf die regulatorische Unsicherheit auf diesem Gebiet zurückzuführen sein kann. Auf den Positionen zwei bis vier folgen geopolitische Krisen (39%), unzureichende Informationen oder Indikatoren über sich verändernde Märkte (36%) und Fehleinschätzungen von Mitarbeitern (30%).
„Geopolitische Entwicklungen und unzureichende Informationen über Marktveränderungen zählen zu den bedeutendsten Risikotreibern in der Chemieindustrie“, bestätigt Dr. Sven Mandewirth, Partner bei Camelot. Die zunehmende Unsicherheit über die Entwicklung an internationalen Märkten mag ein Grund dafür sein, dass die deutschen Chemiemanager die Bedingungen am heimischen Standort positiver bewerten als in den Jahren zuvor.
Marktrisiken bergen das höchste Schadenspotenzial
Welcher Handlungsbedarf bei den einzelnen Top-Risiken für die Chemieunternehmen besteht, zeigt sich erst durch eine Analyse der Eintrittswahrscheinlichkeit und des Schadensausmaßes. Im Rahmen der CHEMonitor-Befragung wurden die Teilnehmer daher befragt, ob konkrete Ereignisse aus den eingangs genannten Risikofeldern in den vergangenen drei Jahren im eigenen Unternehmen eingetreten sind und eine signifikante, negative Auswirkung hatten.
Dabei bestätigte sich die hohe Relevanz von Marktrisiken: Über die Hälfte der befragten Manager stammen aus Unternehmen, die Umsatzverluste durch nachgebende Märkte (62%) und Verluste aufgrund von Währungsschwankungen (51%) beklagten (Grafik 4). Signifikante Schäden durch Datenverluste und Hackerangriffe traten dagegen nur bei 15% der Befragten auf. Der Anteil der Ereignisse mit signifikant negativen Auswirkungen durch Personen- und Umweltschäden aufgrund von Störfällen ist mit 9% vergleichsweise gering. Der Verband der Chemischen Industrie zählt seit vielen Jahren bei seinen rund 1.650 Mitgliedsunternehmen im Schnitt jährlich etwa 20 Ereignisse, bei denen der interne Schaden über der international festgelegten Berichtsgrenze von 500.000 EUR lag. Im Rahmen ihres Responsible-Care-Programms hat die Branche zahlreiche Vorkehrungen getroffen, um im Ernstfall den Schaden für Unternehmen und Umfeld zu begrenzen.
Umfassendes Risikomanagement schafft Wettbewerbsvorteile
Die CHEMonitor-Frage zu Maßnahmen des Risikomanagement zeigt, das hier insbesondere große Chemieunternehmen sehr gut aufgestellt sind. So bestätigten alle befragten Manager aus Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern Risikoanalysen durchzuführen und über Notfallpläne und -organisationen zu verfügen (Grafik 5): Im Mittelstand liegt der Anteil hier bei 77% bzw. 70%. Immerhin 95% der befragten Großunternehmen versichern sich gegen Schäden und betreiben ein strategisches Risikomanagement. Etwa zwei Drittel der Großunternehmen messen darüber hinaus Frühindikatoren, erstellen Disaster-Recovery-Pläne und führen Planspiele und Übungen durch.
Insbesondere in Bezug auf die als hoch eingeschätzten Marktrisiken birgt ein strategisches Risikomanagement noch ungenutzte Potenziale vor allem in mittelständischen Unternehmen der Chemieindustrie. Denn „ein umfassendes und strategisch aufgesetztes Risikomanagement versetzt Unternehmen in die Lage, Risiken und Chancen im Markt frühzeitig zu erkennen und so einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil zu erzielen“, sagt Mandewirth.
Befragt nach der Risikoentwicklung im kommenden Jahr rechnet ein Großteil (86%) der Chemiemanager mit gleichbleibenden Risiken für das eigene Unternehmen, nur 14% gehen von steigenden Risiken aus (Grafik 6). Etwas pessimistischer sind die Umfrageteilnehmer in Bezug auf die Risiken für die gesamte Branche. Hier rechnet immerhin ein Drittel der Befragten mit steigenden Risiken.
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*Eine detaillierte Analyse zur Digitalisierung in der Chemieindustrie, basierend auf der aktuellen CHEMonitor-Befragungen und der Befragung vom Oktober 2015, lesen Sie in der kommenden Ausgabe des CHEManagers.