Chemieverbände Hessen: „Corona hat unsere Branche gebeutelt“
Rückkehr auf Vorkrisenniveau nicht vor 2022 erwartet
„Die seit Ende 2018 eingetretene rezessive Entwicklung wurde durch die Folgen der Corona-Pandemie noch einmal deutlich verschärft“, betonte der Vorstandsvorsitzende des Arbeitgeberverbandes Hessenchemie, Oliver Coenenberg (Sanofi-Aventis Deutschland). So lag der Gesamtumsatz der chemisch-pharmazeutischen Industrie in Hessen im bisherigen Jahresverlauf mit 17,9 Mrd. EUR um 2,7% unter dem Vorjahresniveau. Die Produktion verzeichnete einen Rückgang von 2,0%. Die Beschäftigung blieb hingegen noch stabil.
Insbesondere die klassische Chemie als Vorleistungsgüterindustrie ist von den Auswirkungen der Krise stark betroffen. Die Umsätze gingen bis August um 8,8% zurück, die Produktion sank um 4,7%. Im Vergleich dazu beweist sich der Pharmasektor mit einem Gesamtumsatz von 8,1 Mrd. EUR als Stabilitätsanker (+ 5,9%). Die Produktion stieg um 1,6%.
Keine schnelle Erholung erwartet
Laut einer Verbandsumfrage des Arbeitgeberverbandes Hessenchemie bewerten 65% der Unternehmen ihre derzeitige Wirtschaftslage schlechter als im Vorjahr. 58% erwarten für 2020 einen Rückgang ihrer Produktion, 52% sinkende Erträge. Auch wenn die Erwartungen für 2021 wieder etwas positiver ausfallen, wird eine Rückkehr auf das Vorkrisenniveau nicht vor 2022 erwartet.
„Die Pandemie ist eine der größten Bewährungsproben, die wir bisher erlebt haben“, betonte der Vorstandsvorsitzende des VCI Hessen Jochen Reutter (GSK Vaccines). Bei deren Bekämpfung nehmen insbesondere die hessischen Pharmaunternehmen mit der Impfstoffentwicklung und Produktion eine „Front-Runner-Position“ ein. Die Politik müsse hier dem dringlichen Impfstoff-Bedarf gerecht werden und Lösungen für die schnelle Genehmigung der Impfstoff-Produktion auch in neuen Anlagen schaffen.
Zukunftsthemen weiterhin angehen
Die Chemieverbände Hessen fordern von der Politik die relevanten Zukunftsthemen nicht aus den Augen zu verlieren. Der Klimaschutz sei für sie ein essenzielles Thema, so Reutter. „Europa mit dem Green Deal bis 2050 klimaneutral aufzustellen kann gelingen, allerdings nur mit einer Stabilisierung der Strompreise und ausreichenden Kapazitäten bei der nachhaltigen Energieproduktion.“ Ferner sei der Emissionshandel das geeignete Instrument, um den CO2-Ausstoß zu begrenzen.
Die von den Chemieverbänden seit langer Zeit geforderte Unternehmenssteuerreform muss jetzt kommen und die bestehende Belastung von 31% auf 25% absenken. Nur so kann der Standort im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig bleiben.
Rechtsanspruch auf Homeoffice ist überflüssig und schädlich
Mobiles Arbeiten habe sich in der Pandemie als relevantes und funktionierendes Instrument erwiesen, „ein gesetzlicher Anspruch auf Homeoffice geht aber komplett an der betrieblichen Praxis vorbei und wir lehnen dies daher entschieden ab!“, so Coenenberg. Anstatt über eine bürokratische Regelung nachzudenken, müsse man vielmehr das Arbeitszeitgesetz modernisieren und flexibler gestalten.
Darüber hinaus sollten die Sozialabgaben auch über 2021 hinaus auf maximal 40% begrenzt werden, „denn steigende Lohnzusatzkosten verteuern die Arbeit und gefährden die Wettbewerbsfähigkeit“, so Coenenberg abschließend.