Standorte & Services

Chemiestandort-Perspektive Eigentümer

Kolumne Perspektivenwechsel von Prof. Carsten Suntrop

29.04.2015 -

Das Eigentum an einem Chemiestandort kann Flächen-Eigentum und Infrastruktur-Eigentum sein. Die Standortfläche ist überwiegend eingezäunt, öffnet sich jedoch in den vergangenen Jahren auch immer mehr zur Nachbarschaft des Chemiestandortes. Die Flächen können unterschiedlich charakterisiert sein. Unterschieden wird hier nach Produktionsfläche für Chemieproduktion, Produktionsfläche für Industrieproduktion, Flächen für Forschungs- und Innovationszentren, Administrationsflächen, Logistikflächen und Grünflächen. Fest mit dem Standort verbundene Infrastruktur ist eine Frage der Perspektive, da grundsätzlich durch umfangreiche Bauarbeiten alles auf eine reine Standortfläche zurückzubauen wäre. In der Regel sind es jedoch Infrastrukturen wie Kanäle, Fernleitungen oder Hafenmauer.

Die Eigentümer von Chemiestandorten haben eine sehr erfolgskritische Rolle. In vielen Fällen ist diese Perspektive jedoch nicht so bewusst, weil in der Perspektive zum einen eine wechselseitige Abhängigkeit zwischen Eigentümer und Kunde des Standortes existiert. Zum anderen versteht sich der Eigentümer des Chemiestandortes nicht als Dienstleister für den Standortkunden, sondern als Verwalter einer Fläche und Monopolist erfolgskritischer Infrastrukturen. Diese gegensätzlichen Perspektiven führen in der Praxis zu keinem klaren Rollenverständnis des Eigentümers und Abstimmungsnotwendigkeiten zwischen Standortbetreiber und Standortmanager.

Dabei hat der Standort-Eigentümer zwei grundsätzliche, langfristige Ziele zu erreichen:

  1. Erhöhung der finanziellen Attraktivität seines Investments in Fläche und Infrastrukturen (Werterhaltung/ Wertsteigerung, Verzinsung)
  2. Verminderung des Risikos seines Investments durch Altlasten und Haftung

 

Die mit diesen Zielen zusammenhängenden Fragestellungen können ausschließlich standortindividuell beantwortet werden. Jeder Standort hat ein individuelle Geschichte, jedes Leistungsportfolio und damit auch mögliche Verunreinigungen der Standortkunden sind völlig unterschiedlich. Es ist notwendig, individuelle Einschätzungen über Chemiestandort-Kriterien zu standardisieren und zu nivellieren. Dazu dienen Bewertungsbereiche Allgemeine Standortfaktoren (Ver-/Entsorgung, Umwelt, Staat), einsatz- und absatzbezogene Standortfaktoren (Infrastrukturen, Kosten, Wertschöpfungsketten, Nachfrage, Wirtschaftsraum etc.) und Managementfaktoren (Wissensqualität, Ausbildung, Chemie-Initiativen). Daraus entsteht ein Chemiestandort-Attraktivitäts-Index für jeden einzelnen Standort im Portfolio. In diesem Portfolio von oft 50-100 Chemiestandorten weltweit als Mit-/ Eigentümer von Fläche und Infrastruktrur ist es von hoher Bedeutung, diese standardisierte Transparenz zur Attraktivität jedes einzelnen Chemiestandortes zu besitzen.

Die Flexibilität ist bezüglich der Veräußerung von Chemiestandorten relativ gering:

  • in den heutigen Chemie-Schwerpunktregionen Europa und USA existieren durch die strukturelle Verschiebung von Angebot und Nachfrage weltweit ausreichend Angebote von Chemie-Altflächen, in den Entwicklungsregionen wie BRIC bestehen noch Bedarfe für den Ausbau von Flächen - allerdings entspricht der Umfang der Altflächen nicht der Höhe der Attraktivität für neue Chemieproduktion
  • die Thematik der Altlasten an den Chemiestandorten bedingt die Veräußerung - die Altlasten sind bekannt und nicht in einem angemessenen Nutzen-/Aufwand-Verhältnis zu bereinigen oder die Altlasten sind unbekannt und mehr Transparenz wäre für den weiteren Betrieb als auch die Veräußerung nicht hilfreich
  • die Abgabe des Altlastenmanagements an einen Dritten ist zu hinterfragen, da die möglichen resultierenden Schäden aus einem falschen Altlastenmanagement bei keiner Deckung des neuen Eigentümers wieder an den vorherigen Eigentümer zurück fällt

Damit entstehen strategisch enge Spielräume, welche dann aus verschiedenen Perspektiven der Standortkunden, -betreiber,  -manager und des Standort-Eigentümers bewertet werden müssen. Strategische neue Spielräume entstehen dann, wenn das Kundenportfolio des Chemiestandortes in Richtung produzierende Industrie und Industriedienstleister und damit auch das Leistungsangebot des Chemiestandortes erweitert wird. Mit dieser erweiteren Perspektive ergeben sich dann auch neue mögliche Eigentümerstrukturen.

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