Chemielogistik: Nachhaltigkeit mit Verantwortung
CHEManager Podiumsveranstaltung zum Thema „Nachhaltigkeit als Plattform für Wachstum“
„Nachhaltigkeit in der Chemielogistik“ – inwiefern tragen Chemieunternehmen gesellschaftspolitische Verantwortung, so der Ansatz einer Vortrags- und Diskussions-Sequenz organisiert von CHEManager im Rahmen des Konferenz- und Fachprogramms der Messe Transport Logistic 2015 in München. An der Sequenz beteiligten sich Logistikwissenschaft, Chemieunternehmen und Logistikdienstleister. Die Moderation hatte Jens Tosse, Geschäftsführer von Teamtosse, übernommen. Generell ging es um die Frage, wie ernst Unternehmen der chemischen Industrie ihre gesellschaftliche Verantwortung nehmen und welchen Spielraum sie den Beteiligten innerhalb der Supply Chain geben.
Einen einführenden Überblick zum Thema gab der Vortrag von Prof. Thomas Krupp vom Schmalenbach Institut für Wirtschaftswissenschaften an der Fachhochschule Köln. Sein Thema „Nachhaltigkeit in der Chemielogistik – aktuelle und zukünftige Bedeutung der gesellschaftlichen Verantwortung bei Industrieunternehmen und Dienstleistern“ befasste sich mit den Grundbegriffen und umriss die Aspekte Technologie, Politik sowie das „Trendthema“ Nachhaltigkeit, wobei sich Nachhaltigkeit per Definition aus den drei Säulen Soziales, Ökologie und Ökonomie zusammensetzt.
Prof. Krupp hob die Besonderheiten der chemischen Industrie hervor und ging auf deren heterogene Struktur ein. Die chemische Industrie sei geprägt von einem großen Produktionsspektrum mit diversen Produktionsabläufen, chemischen Stoffen unterschiedlichster Aggregatszustände darunter Gefahrstoffe bzw. –güter, die wiederum nach speziellen Behältnissen und auch Verkehrsträgern verlangen. Dies führte letztlich auch zur sehr vielschichtigen Prägung des Begriffs „Chemielogistik“.
Krupp geht davon aus, dass Nachhaltigkeit weiter an Bedeutung zunimmt und in diesem Zusammenhang verantwortliches Handeln im Wirtschaftsleben neu gelebt würde. Sustainable Responsible Business, Compliance und Corporate Social Responsibility würden auch in der Logistik immer wichtiger. So legten Chemieunternehmen bei der Dienstleisterauswahl neben Kostenaspekten und chemiespezifischer Expertise überdurchschnittlich großen Wert auf Verlässlichkeit, Qualität und Umwelt. Krupps Fazit: „Kooperationen zwischen Verladern und Dienstleistern sind notwendig – sowohl für wirtschaftlichen, gesellschaftlichen als auch ökologischen Erfolg!“
Corporate Responsibility entlang der Wertschöpfungskette
Aus der Perspektive der chemischen Industrie und ihres Unternehmens berichtete Gabriele Willenbrinck, Head of Processes & Quality im Bereich Einkauf der Lanxess Deutschland zum Thema „Corporate Responsibility“. Leitlinie ihres Unternehmens hierbei sei der Grundsatz „was gut fürs Geschäft ist, ist gut für die Gesellschaft“. Über den Begriff Umwelt hinaus würden unter Nachhaltigkeit die vier Themen Klimaschutz, Wasser, Bildung und Kultur im Fokus stehen. Zum Klima- und Wasserschutz trüge hier auch sehr stark die eigene Produktpalette bei. Corporate Responsibility sei bei Lanxess in die gesamte Wertschöpfungskette eingebunden und Voraussetzung für nachhaltiges Wachstum.
Willenbrinck berichtete, dass Lanxess auch ein Gründungsmitglied der Initiative „Together for Sustainability - TfS“ sei, zu der sich 2011 sechs große Chemieunternehmen zusammengeschlossen und der sich bereits weitere Mitglieder angeschlossen haben. Zweck und Ziel der Initiative sei es, in der Branche einen Standard für alle Zulieferer zu etablieren, der im Sourcing neben Preis, Produkt und Qualität gleichwertig auch die Sustainability der Geschäftspartner mit einbezieht.
Logistikkosten in ihrer Gesamtheit betrachten
Nachhaltigkeit würde zwischenzeitlich inflationär verwendet und sei oft leider nur eine Phrase, so Heike Clausen, Präsidentin der ITCO – International Tank Container Organisation, und Geschäftsführerin der VOTG Tanktainer, in ihrem Vortrag „Nachhaltigkeit als Plattform für Wachstum“. Sie definiert Nachhaltigkeit kurzgefasst als „harmonische Balance zwischen den ökonomischen, umwelttechnischen, lokalen und ethischen Aspekten der unternehmerischen Tätigkeit“, sieht die „Balance“ aber allzu oft zu Gunsten ökonomischer Ziele einzelner Unternehmen in Schieflage geraten. Clausen: „Um die Profitabilitätsziele in einer nur schwach wachsenden Weltwirtschaft zu erreichen und die Wettbewerbsfähigkeit im globalen Markt zu erhalten, sind die Unternehmen gefordert, die Effizienz zu erhöhen, Produkte und Prozesse zu standardisieren und ein rigides Kostenmanagement zu betreiben. Das betrifft natürlich auch in erheblichem Maß die Logistik, die in diesem sehr komplexen Umfeld einerseits ein Höchstmaß an Flexibilität bieten muss, gleichzeitig aber auch Nachhaltigkeitsansprüchen genügen und möglichst geringe Kosten verursachen soll.“
So stünden Supply Chain Management und die Logistikabteilungen der Industrie heute vor einer Vielzahl von Herausforderungen. Weil Komplexität und die Unsicherheiten in den weltweiten Warenströmen wüchsen, ließen sich keine langfristigen Supply-Chain-Strategien mehr umsetzen. Clausen: „Vielmehr müssen immer kurzfristigere Entscheidungen getroffen werden, um den Marktgegebenheiten Rechnung zu tragen.“ Die ITCO-Präsidentin ging auf Vorteile von Tankcontainer unter Nachhaltigkeitsaspekten ein, wies auf die marode Verkehrsinfrastruktur und dadurch nochmals zunehmende Komplexität hin. Um dem Kostendruck langfristig zu begegnen und belastbare, nachhaltige Logistikketten zu gewährleisten, sei es erforderlich, nicht nur die Transportkosten sondern die Logistikkosten in ihrer Gesamtheit zu betrachten. Eine Kommunikation auf Augenhöhe und die Bereitschaft zur Kooperation sei nötig, um Prozesse zu harmonisieren und letztlich auch zu standardisieren.
Heike Clausen: „Die Einkaufsabteilungen der Unternehmen sollten nicht losgelöst von den übergeordneten Nachhaltigkeitszielen ihren Auftrag erfüllen, sondern zumindest auf strategischer Ebene Partnerschaften entlang der Wertschöpfungskette eingehen, die auf gemeinsamen Erfolg ausgerichtet sind und es erlauben, gemeinsame wirtschaftliche Wachstumsziele unter dem Dach der sozialen Verantwortung zu verfolgen.“
In der anschließenden Diskussion kamen Punkte wie die „übliche“ Ausschreibungspraxis aber auch die Einbindung der Logistikpartner in die Initiative „Together for Sustainability“ zur Sprache. Nachhaltigkeit und Kosten seien per se kein Widerspruch, man dürfe die Logistikkosten nur nicht ausschließlich mit Transportkosten gleichsetzen. So sollten verantwortlich handelnde Auftraggeber stets verstehen, die Kosten im Ganzen zu sehen.