Chemielogistik digital – Potenziale für die Praxis
Logistikanbieter integrieren Informationslogistik in die Servicepalette
Im Gegenteil: Die Warenströme werden längst von entsprechenden Daten begleitet. Die Informationslogistik – weltweit und Verkehrsträger-übergreifend – ist integraler Bestandteil der Servicepalette der Logistikanbieter.
Heute erleichtern EDI-Schnittstellen die Auftragserfassung, Plattformen zur Sendungsverfolgung schaffen Transparenz über den Zustellprozess, Event-Management-Tools informieren über Verzögerungen in der Supply Chain und ermöglichen die unverzügliche Arbeit an Alternativen. Damit einher gehen hohe Anforderungen an die IT-Sicherheit. Schließlich gilt die Logistik als Infrastruktur, die kritisch ist für die Versorgung von Wirtschaft und Gesellschaft.
Die digitale Transformation der Logistikdienstleister wird aber auch von den Anforderungen der Kunden getrieben. Versender aus der chemischen Industrie brauchen eine logistische Systemlösung, die vom Lieferanten über Produktions- und Handelsnetzwerke zum Konsumenten führt und dabei alle Warenbewegungen, Lagerstrukturen sowie die Informationslogistik zur Steuerung dieser Netzwerke einschließt. Logistik ist dabei nie ausschließlich eine Frage der IT, sie vereint Digitalisierung mit physischen Assets und zwingend auch die Menschen, die in den Umschlaglagern, in den Warehouses oder hinter dem Lenkrad der Lkws die logistische Dienstleistung erbringen.
Wie eng Digitalisierung und Logistik verwoben sind, zeigt sich deutlich in der Führungsstruktur der Logistikunternehmen, auch bei Dachser. Seit Januar 2021 verantwortet Stefan Hohm als Chief Development Officer im Vorstandsressort „IT & Development“ die weltweite IT-Organisation, das Ideen- und Innovationsmanagement sowie den Bereich Forschung und Entwicklung. In seinem Ressort werden aber auch innovative Lösungen im Rahmen der Kontraktlogistik und für weltweite Branchenlösungen, wie etwa für die chemische Industrie, entwickelt. Da verwundert es nicht, dass es mittlerweile in den eigenen Niederlassungen zahlreiche digitale Lösungen gibt, die gerade das Handling von chemischen Produkten und Gefahrgut verbessern.
Auch KMUs können digitalisieren
Was den Einsatz von Digitalisierung angeht, ist der Entwicklungsstand in den Unternehmen der chemischen Industrie sehr unterschiedlich; viele haben bereits strategische Schritte umgesetzt, andere stehen noch ganz am Anfang. Die Umsetzung einer Digitalisierungsstrategie ist dabei nicht unbedingt abhängig von der Unternehmensgröße. Es bedarf keines riesigen IT-Teams mehr, um digitale Lösungen zu entwickeln oder zur Umsetzung zu bringen. Ein Beispiel sind sogenannte Low-Code-/No-Code-Plattformen. Über sie können auch KMU durch Agilität und Umsetzungsgeschwindigkeit in Sachen Digitalisierung punkten.
„Citizen Development“ heißt der Business-Trend, der hinter den Low-Code/No-Code-Plattformen steht und mit der laut der Technologieberatung Gartner bis 2024 rund 65 % der Unternehmensapplikationen entwickelt werden. Auch bei Dachser ist Low-Code/No-Code zu einem von vielen Bausteinen der digitalen Transformation geworden. Ein wenig IT-affin muss man schon sein, aber darüber hinaus keine tieferen Programmierkenntnisse aufweisen. Als „Citizen Developer“ erhält der Mitarbeitende Zugang zu einer simplen Entwicklungsumgebung und kann dort – aus seiner täglichen Praxis heraus – mit einfachen Mitteln selbst digitale Anwendungen erstellen, die die Arbeit erleichtern und Prozesse optimieren. Zentral stellt das Unternehmen über die Plattform auch Best Practices bereit behält damit auch den steuernden Überblick über die Entwicklungen im Unternehmen.
„Die Umsetzung einer Digitalisierungsstrategie ist nicht abhängig von der Unternehmensgröße.“
Tablet statt Klemmbrett bei der Fahrzeugkontrolle
Bei Dachser sind die Einsatzgebiete dafür vielfältig. Eine Vielzahl an Arbeitsschritten und Prozessen, die bislang mit Papier einhergehen, eignen sich für die Digitalisierung. Bei der routinemäßigen Gefahrgut-Fahrzeugkontrolle bspw. fand die Dokumentation üblicherweise auf dem Klemmbrett statt. Diesen Prozess digital zu erledigen, sorgt für einen Effizienzgewinn und mehr Nachhaltigkeit. Denn wenn keine Medienbrüche zwischen Papier und Software wie Word und Excel mehr entstehen, liegen Daten schneller zentral vor, die Transparenz steigt und man kann die Informationen besser analysieren.
Neben solch einfachen Anwendungen lassen sich über Low-Code-/No-Code-Plattformen auch komplexere Geschäftsprozesse digital gestalten. Und damit entwickelt sich auch das digitale Mindset bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weiter. Die Kreativität in digitaler Hinsicht wird gefördert und Arbeitserleichterungen können eine Hebelwirkung für die gesamte Organisation entfalten.
Plattformen für das Dokumentenhandling
Die eigenen Beschäftigten zu „Citizen Developern“ zu machen, ist ein recht neuer Trend. Schon länger gibt es dagegen Plattformen zum digitalen Dokumentenhandling. Dachser verwaltet darüber eine Vielzahl von Dokumenten aus unterschiedlichsten Eingangskanälen und verknüpft sie mit Kernsystemen wie etwa seinem Transport-Management-System über ein eindeutiges Identifizierungsmerkmal. So stehen Schriftstücke, die physisch, per E-Mail, aus einem digitalen Front-End oder per EDI übermittelt wurden, über die gesamte Supply Chain zur Verfügung.
Beispiel multimodale Beförderung von Gefahrgut: Die verantwortliche Erklärung für den Seeverkehr (gemäß IMDG-Code 5.4) wird direkt durch den Versender per E-Mail an eine technische Adresse geschickt und mit den Sendungsdaten verheiratet, sodass das Dokument über die ganze Supply Chain hinweg an der richtigen Stelle abrufbar ist. Ein Prüfprozess ist integriert. Für den Versender hat dies den Vorteil, dass das Dokument nicht mehr manuell unterschrieben werden muss. Lediglich der Beförderer muss bei der physischen Übergabe an eine Reederei den Zusatz „ursprünglich elektronisch erhalten“ ergänzen.
Blockchain-Technologie noch nicht ausgereizt
Blicken wir noch in die Zukunft der Chemie- und Gefahrgutlogistik: Die Blockchain ermöglicht eine transparente Durchführung und Dokumentation von Transaktionen in vertrauenswürdiger Umgebung, weshalb sich die Technologie für den Einsatz in der Supply Chain im Generellen eignet. Ein Anwendungsbeispiel könnten Gefahrgutinformationen sein, auf die alle Teilnehmer der Supply Chain, je nach Berechtigung, zugreifen und bis an den Anfang zurückverfolgen können.
Im Vergleich steckt die Blockchain-Technologie, insbesondere was rechtliche Regelungen angeht, noch in den Kinderschuhen. Zweifellos aber hat sie das Potenzial, die Gefahrgutlogistik künftig zu bereichern und den Automatisierungsgrad zu erhöhen.
Evolution statt Disruption
Wie die Zukunft auch aussieht: Für die Logistik wird die Digitalisierung keine disruptiven Veränderungen mit sich bringen, sondern eine evolutionäre Entwicklung im sogenannten cyber-soziophysischen Netzwerk sein. Von ihr werden insbesondere KMU aus der chemischen Industrie profitieren, die auf einen verlässlichen, digitalisierten Partner für ihre weltweiten Logistikanforderungen vertrauen.
„Digitalisierung und Logistik sind eng verwoben.“