Chemiekonjunktur – erfreulicher Jahresbeginn für Europas Chemie
Trotz Flüchtlingskrise und Brexit – der Wachstumskurs in Europa setzt sich fort
Die europäische Wirtschaft ist gut ins Jahr 2017 gestartet. Trotz Flüchtlingskrise und Brexit setzten nahezu alle Volkswirtschaften ihren Wachstumskurs fort. Die Wirtschaftsleistung der Europäischen Union stieg von Januar bis März im Vorjahresvergleich um 1,9 %. In Spanien, Polen, Deutschland und auch in Frankreich konnte das Bruttoinlandsprodukt besonders deutlich zulegen. Angesichts der positiven Entwicklungen hellten sich die Stimmungsindikatoren bei Unternehmen und Konsumenten zuletzt weiter auf. Auslaufenden Sparprogramme und niedrige Zinsen ermöglichen es vielen EU Ländern, auf eine expansivere Fiskalpolitik einschwenken.
Ob der Optimismus gerechtfertigt ist, bleibt aber abzuwarten. Denn der konjunkturelle Rückenwind des vergangenen Jahres hat inzwischen nachgelassen. Die Ölpreise legten an den internationalen Rohstoffbörsen wieder zu. Und der schwache Euro bringt in diesem Jahr keine zusätzlichen Impulse. Hinzu kommen weitere Belastungsfaktoren. Mittlerweile mehren sich die Anzeichen, dass der bevorstehende Brexit die wirtschaftliche Entwicklung in Großbritannien bereits in diesem Jahr deutlich dämpft. Dies wird sich auf die anderen europäische Volkswirtschaften übertragen. Vor diesem Hintergrund rechnet der Verband der Chemischen Industrie (VCI) in diesem Jahr mit einer leichten Abschwächung des Wirtschaftswachstums auf 1,6 % (Grafik 1). Besser sehen die Aussichten für die Industrie aus. Die Belebung der europäischen Wirtschaft ist mittlerweile auch in der Industrie angekommen. Bereits 2016 stieg die Produktion im europäischen verarbeitenden Gewerbe um 1,7 %. In diesem Jahr wird das Plus voraussichtlich sogar 2 % betragen. Einen besonderen Aufwind spüren die Hersteller von Investitionsgütern. Von der guten Industriekonjunktur profitiert auch das Chemiegeschäft. Die chemisch-pharmazeutische Industrie dürfte in diesem Jahr ein Produktionsplus von 2 % erreichen.
Chemieproduktion legt zu
Die Produktion der europäischen Chemie- und Pharmaindustrie stieg zur Jahreswende kräftig. Gegenüber dem Vorjahr verbuchte die Branche im ersten Quartal einen Zuwachs von 1,8 %. Sowohl die inländische Nachfrage als auch die Bestellungen aus dem Ausland trugen zur positiven Entwicklung bei. Auch die Kapazitätsauslastung legte zu. Die Chemieanlagenlagen waren im ersten Quartal des Jahres mit durchschnittlich 84 % gut ausgelastet. Damit setzte das europäische Chemiegeschäft seinen im Jahr 2013 begonnenen Aufwärtstrend fort – auch wenn das Produktionsniveau zuletzt nicht mehr ganz den hohen Wert des Vorquartals erreichte (Grafik 2).
Bisher verdankte die Branche die positive Entwicklung nahezu ausschließlich dem Pharmageschäft. Im Jahr 2016 stieg die Chemieproduktion insgesamt um 1,6 %. Rechnet man aber das Pharmageschäft heraus (+3,2 %), so konnten die restlichen Chemiesparten mit 0,4 % ihre Produktion kaum ausweiten. Ganz anders sieht es zu Beginn des Jahres 2017 aus. Im ersten Quartal konnten sowohl die Pharmaindustrie als auch die übrigen Chemiesparten ein deutliches Produktionsplus von 1,8 % verbuchen (Grafik 3). Besonders die Produzenten von anorganischen Grundstoffen und Polymeren profitierten von der Produktionsausweitung der europäischen Industrie. Während das Geschäft mit Konsumchemikalien und die Spezialchemie gegenüber dem guten Vorjahr nur noch leicht zulegen konnten. Trotz der anziehenden Konjunktur war die Produktion von Petrochemikalien noch im Minus. Aber auch hier setzten sich zuletzt die Auftriebskräfte durch.
Chemikalienpreise steigen kräftig
Die Erzeugerpreise für chemische und pharmazeutische Produkte setzten ihren Aufwärtstrend im ersten Quartal des Jahres beschleunigt fort. Im Vergleich zum Vorquartal stiegen die Preise um 2,9 %. Damit waren Chemikalien und Pharmazeutika im ersten Quartal sogar 4,8 % teurer als ein Jahr zuvor. Die Unternehmen konnten dank der Nachfragebelebung und gut ausgelasteter Kapazitäten steigende Rohstoffkosten rasch an die Kunden weitergeben.
Ein Fass Rohöl der Nordseesorte Brent kostete im ersten Quartal rund 54 USD. Im Vergleich zum Jahresbeginn 2016 verteuerte sich Rohöl damit um 58 %. Auch der Preis für Naphtha, dem wichtigsten Rohstoff der Chemieindustrie, zog noch einmal kräftig an. Er lag von Januar bis März mit einem durchschnittlichen Preis von 457 EUR/t rund 12 % über dem Wert der vorangegangenen drei Monate.
Am größten war der Preisanstieg ist in den Grundstoffsparten (Petrochemie und Polymere), die am Anfang der der Wertschöpfungsketten stehen und stärker von der Ölpreisentwicklung abhängen. Aber auch die übrigen Sparten konnten Preiserhöhungen durchsetzen. Allein die Pharmapreise konnten kaum zulegen. Sie sind aber im Vergleich mit der Chemie deutlich weniger volatil (Grafik 4).
Kräftiges Umsatzplus
Höhere Produktionsmengen und steigende Erzeugerpreise bescherten den europäischen Chemie- und Pharmaunternehmen im ersten Quartal des Jahres ein kräftiges Umsatzplus. Sie konnten ihre Verkaufserlöse gegenüber dem Vorquartal saisonbereinigt um 2 % ausweiten. Sowohl das Inlandsgeschäft als auch die Verkäufe ins Ausland trugen zu dieser Entwicklung bei. Im Zwölfmonatsvergleich konnte die Branche sogar ein Umsatzplus von über 7 % verbuchen.
Ausblick: Dynamik lässt wieder nach
Trotz zahlreicher konjunktureller Risiken verlief der Jahresauftakt für die europäische Chemie- und Pharmaindustrie insgesamt erfreulich. Alle für das Chemiegeschäft wichtigen Kennzahlen waren aufwärts gerichtet: Die Produktion legte ebenso wie die Kapazitätsauslastung zu. Dank eines deutlichen Preisauftriebs stiegen die Umsätze der Branche im In- und Ausland kräftig. Die Stimmung in den Unternehmen hellte sich zunehmend auf, zumal viele Unternehmen wegen steigender Erzeugerpreise gute Gewinne machten. Die Unternehmen hoffen auch in den kommenden Monaten auf eine steigende Nachfrage, obwohl der Rückenwind des vergangenen Jahres allmählich nachlässt. In Europa dämpft der bevorstehende Brexit die wirtschaftliche Entwicklung – nicht nur in Großbritannien. Auch in Asien schwächt sich die wirtschaftliche Dynamik ab. Sorgen bereitet vor allem die Entwicklung in Südamerika. Brasilien kann sich nur langsam aus der Rezession befreien und dämpft damit die wirtschaftliche Entwicklung der Nachbarländer. Nur in den USA dürfte sich das Wachstum in diesem Jahr nicht zuletzt wegen der von Trump versprochenen Steuersenkungen und Investitionsprogramme nach dem enttäuschenden Vorjahr wieder beleben.
Vor dem Hintergrund der globalen Entwicklungen dürfte sich die Dynamik im europäischen Chemiegeschäft in den kommenden Monaten kaum abschwächen. Angesichts des guten Jahresbeginns rechnet der VCI für das Gesamtjahr 2017 mit einem Anstieg der Chemieproduktion in Höhe von 2 %. Rechnet man das Pharmageschäft heraus beträgt das Plus 1,5 %. Diese entspricht gegenüber dem Vorjahr einer deutlichen Beschleunigung.
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