Bühler-CEO Scheiber: „Die Zeit wird knapp“
Schweizer Familienunternehmen appelliert an Industrie, sich für eine nachhaltige Zukunft einzusetzen
Mit der Klimaerwärmung und dem Bevölkerungswachstum lassen sich viele heutige Produktionssysteme nicht mehr aufrechterhalten. Gro Harlem Brundtland, frühere norwegische Premierministerin und ehemalige Generaldirektorin der Weltgesundheitsorganisation WHO, sprach zu 800 Experten, Führungskräften und Wissenschaftlerinnen aus über 80 Ländern an den Bühler Networking Days. „Es gibt keinen Weg zurück. Der Privatsektor muss sich engagieren, und zwar stärker als je zuvor. Ohne die Ressourcen, das Fachwissen, die Technologie und die Ideen der Wirtschaft können wir diese Herausforderungen nicht lösen.“ Stefan Scheiber, CEO der Bühler Group, sagte: „Wir sind bereit, die Herausforderung anzunehmen. Und wir sind überzeugt: Jetzt ist der Zeitpunkt, um nachhaltige Geschäftsfelder mit nachhaltigen Lösungen aufzubauen. Aber die Zeit wird knapp. Deshalb haben wir unsere Nachhaltigkeitsziele nochmals erhöht. Unser Ziel ist es, den Energieverbrauch, den Wasserkonsum und den Abfall in den Wertschöpfungsketten unserer Kunden um 50% zu senken. Kein Unternehmen schafft das alleine. Dazu brauchen wir eine breite Zusammenarbeit zwischen allen Sektoren und allen Teilen der Welt.“
Die zweiten Bühler Networking Days in Uzwil standen unter dem Motto „Creating tomorrow together“. Sie boten Unternehmen, Industriepartnern, Wissenschafterinnen und Start-ups ein Forum, um Ideen auszutauschen und die Zusammenarbeit zu fördern. Der Fokus lag dabei auf zwei Schlüsselfragen: Wie können wir im Jahr 2050 eine Weltbevölkerung von fast 10 Milliarden nachhaltig und gesund ernähren? Und wie stellen wir ihre Mobilität sicher?
Industrie muss Teil der Lösung werden
„Die Herausforderungen haben sich dramatisch verschärft. In mancher Hinsicht ist die Welt heute besser als je zuvor, aber der Preis dieser Fortschritte ist zu hoch. Wir verbrauchen natürliche Ressourcen so schnell, dass sich die Ökosysteme unseres Planeten nicht mehr erholen können. Es bleiben noch zehn Jahre, um irreparable Schäden aus dem Klimawandel abzuwenden“, sagte Stefan Scheiber. „Heute haben wir die Chance, etwas zu bewegen und den Kurs zu ändern. Und Unternehmen müssen Teil dieser Lösung sein.“
Die Weltbevölkerung soll bis 2050 auf 9,8 Milliarden Menschen anwachsen. 70% von ihnen werden in urbanen Zentren leben. Diese Verschiebungen belasten die Nahrungsmittel- und Transportsysteme noch stärker. Fundamentale Änderungen sind gefragt. Sunny Verghese, Group CEO von Olam International und Vorsitzender des World Business Council for Sustainable Development, unterstrich die Wichtigkeit der Herausforderungen: „Wir können Nahrungs- und Futtermittel sowie die Ballaststoffe für uns alle nicht produzieren, wenn wir den Planeten zerstören“, sagte er. „Wir müssen Alternativen auf einer nachhaltigeren Grundlage finden. Wir können nicht einfach so weiter machen wie bisher. Den Status quo dürfen wir nicht akzeptieren.“
Grund für Optimismus
Das Potenzial der Unternehmen an den Bühler Networking Days ist enorm. Zusammen ernähren sie jeden Tag vier Milliarden Menschen und liefern Mobilitätslösungen für eine Milliarde – ein starker Hebel für Veränderung. Die Nahrungsmittel der Zukunft könnten etwa in Fermentierungstanks wachsen anstatt auf Feldern und im Ozean. Sowohl bahnbrechende Start-ups aus der Industrie wie auch Marktneulinge investieren in die Märkte, um auf die heutigen und künftigen Bedürfnisse der Konsumenten einzugehen. Sie entwickeln mit Hilfe von Bioproduktion und den Fortschritten in der Digitalisierung neue Technologien, um die Landwirtschaft zu revolutionieren und Erträge zu erhöhen. Das Ziel der Branche ist, die künftigen Ernährungsbedürfnisse der Welt sicherzustellen, und zwar innerhalb umweltverträglicher Grenzen.
Die Firma Saint Gobain als Repräsentantin des Bausektors brachte die Perspektive der Schwerindustrie ein. „Überbaute Flächen gehören zu den emissionsreichsten Sektoren und sind verantwortlich für ein Drittel aller weltweiten CO2-Emissionen“, sagte Patrick Dupin, CEO Saint Gobain Northern Europe. Der Ansatz seiner Firma, CO2 in Innovations- und Investitionsprojekte einzupreisen, fand Wohlwollen bei Teilnehmenden anderer Sektoren. Bei der Mobilität besprachen Teilnehmende Ideen, wie Nachhaltigkeitsziele erreicht werden können. Dazu gehören Fortschritte in der Batterietechnik, gemeinschaftliche Mobilität und die Entwicklung autonomer Fahrzeuge, die dank neuen digitalen Technologien und erweiterter Konnektivität möglich werden.
Initiativen der Unternehmen, die an den Bühler Networking Days vertreten waren, können einen tragenden Einfluss haben. „Hier kommen Leute zusammen, welche die drei wichtigsten Verursacher von CO2-Emissionen beeinflussen“, sagte Ian Roberts, Chief Technology Officer von Bühler. Ein Drittel aller globalen CO2-Emissionen entstehen durch Gebäude, ein Drittel durch Mobilität und ein Drittel durch die Landwirtschaft. Die wichtigsten Akteure aus diesen drei Sektoren waren an den Bühler Networking Days 2019 vertreten.
Digitale Technologie und Zusammenarbeit sind der Schlüssel
Ein Hauptthema des Anlasses war die Digitalisierung. Sie wird helfen, diese Herausforderungen zu schaffen. „Mit der Digitalisierung entstehen komplett neue technische Lösungen. Sie verändern die Art, wie wir zusammenarbeiten, kommunizieren und neue Lösungen entwickeln. Sie kann uns dabei unterstützen, unsere Nachhaltigkeitsziele zu erreichen,“ sagte Ian Roberts. Bühler nutzt die Leistungsfähigkeit des Internets der Dinge, der künstlichen Intelligenz sowie von Big Data, um schneller, intelligenter und besser zu entscheiden. Bühler Insights ist die erste für die Nahrungs- und Futtermittelindustrie entwickelte Cloud-Plattform. Sie trägt zu höheren Erträgen bei, sie reduziert die Abfallmenge und macht Lebensmittel sicherer.
„Die Technologie kann eine riesige Rolle spielen“, sagte Ian Roberts. „Aber nur mit ihr schaffen wir diese Herausforderungen nicht. Wir müssen über die Grenzen von Wertschöpfungsketten und Systemen hinausdenken und zusammenarbeiten. Aber alleine erreichen wir unsere Ziele nicht. Die Zusammenarbeit ist nicht mehr nur eine Möglichkeit unter vielen. Sie muss zur Kernkompetenz in allen Unternehmen werden.“ Bühler schafft heute schon Netzwerke mit Industriepartnern, Forschungsinstituten, Hochschulen, Start-ups und gemeinnützigen Organisationen. So erweitert und vertieft das Unternehmen jenes Fachwissen, das für die Lösung dieser Herausforderungen nötig ist. Die 29 Anwendungs- und Ausbildungszentren von Bühler dienen dabei als weltumspannendes Innovationsnetz.
Diese Ansicht teilt auch Stefan Palzer, Executive Vice President und Chief Technology Officer von Nestlé Global. Sein Unternehmen – der weltweit größte Nahrungsmittelkonzern – hat dieses Jahr einen Accelerator eingeführt. Nestlé macht seine Labors und sein Know-how für Start-ups zugänglich, damit diese rascher funktionierende Prototypen entwickeln können.
Erste Zusammenarbeit vereinbart
Die Networking Days 2019 boten Gelegenheit, sich über die Grenzen einzelner Industrien und Branchen zu vernetzen – der erste Schritt für neue Kooperationen. Die erste Zusammenarbeit stand bereits nach einem Tag: MassChallenge, der weltweit größte Start-up Accelerator, und das World Business Council for Sustainable Development gaben am Anlass bekannt, dass sie bei der Suche nach Lösungen gegen den Klimawandel zusammenarbeiten würden. Nur wenige Minuten später beteiligte sich daran auch One Young World, eine gemeinnützige Organisation zur Förderung junger Führungskräfte. John Harthorne, Gründer von MassChallenge, sagte: „Gemeinsam schaffen wir mehr Wert und erzielen größere Wirkung als alleine.“ Sunny Verghese, Vorsitzender des World Business Council for Sustainable Development, sagte: „Mir gefällt an den Networking Days, dass sich nicht alles allein um Bühler dreht. Es geht darum, alle zusammenzubringen.“
Sie sind bereits Teil der Lösung
Niemand verkörpert den Geist der Bühler Networking Days besser als Isabel Wijsen. Mit 10 Jahren gründeten sie und ihre Schwester die Bewegung Bye Bye Plastic Bags in ihrer Heimat Bali, um das Problem des Plastikmüls anzugehen. Ihnen gelang es, Einweg-Plastiksäcke von der Insel zu verbannen. Die Bewegung hat mittlerweile globale Tragweite angenommen – ein Beweis dafür, wie stark und entschlossen sich junge Menschen für Veränderungen einsetzen.
Bühler erkennt das Potenzial seiner Mitarbeitenden und bietet ihnen heute schon die Plattform Generation B. Dort können sie Ideen einbringen, wie sich das Unternehmen in Zukunft entwickeln soll. Kate Robertson, Mitgründerin von One Young World, sagte: „Bühler nimmt seine jungen Talente ernst, und das auf eine effiziente, innovative und engagierte Art. Das lässt erkennen, wozu die Industrie als Gesamtes fähig ist.“
Zum Abschluss des Anlasses unterstrich Stefan Scheiber, dass künftigen Generationen eine bessere Welt übergeben werden soll. „Wir haben erkannt, wie dringend die Herausforderungen sind. Deshalb haben wir unsere Nachhaltigkeitsziele nochmals erhöht. Wir wollen in allen unseren künftigen Lösungen Energie, Abfall und Wasser um 50% senken und auf die Wertschöpfungsketten unserer Kunden einen wichtigen, positiven Einfluss nehmen,“ sagte er. „Als Industrien, Unternehmen und Individuen müssen wir uns heute fragen, wie wir Teil der Lösung sein können. Wir hoffen, dass die Bühler Networking Days 2019 dabei als Wendepunkt dienen. Die Probleme sind schwierig, aber wir können sie lösen. “