Anlagenbau & Prozesstechnik

Biotest entscheidet sich nach wissenschaftlicher Evaluation für Kautschukboden

Nachhaltiges Bodensystem für Reinräume

22.01.2018 -

Werkstoffauswahl nach wissenschaftlich messbaren Kriterien – bei der Entscheidung über den Boden für ihr neues Produktionsgebäude Biotest Next Level (BNL) ist Biotest in Dreieich ganz neue Wege gegangen: Nach einem Evaluationsverfahren durch das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), fiel die Wahl der Verantwortlichen auf Bodensysteme aus Kautschuk von nora systems. Diese hatten die in einem umfassenden Anforderungskatalog festgelegten hohen Ansprüche an Reinraumböden am besten erfüllt.

Als Spezialist für innovative Hämatologie, Immunologie und Intensivmedizin entwickelt, produziert und vertreibt Biotest Medikamente zur Behandlung von Blut- und Immunerkrankungen. Im Zuge des Investitionsprogramms „Biotest Next Level“ beschloss das Unternehmen den Ausbau seiner Produktionskapazitäten für Blutplasmafraktionierung am Standort Dreieich. Mehr als 250 Mio. € investierte Biotest in den Neubau, der die Produktionskapazität mehr als verdoppeln wird. Die offizielle Inbetriebnahme des Gebäudes nach GMP-Reinraumstandard soll Mitte 2018 erfolgen. Bis jedoch alle Testläufe abgeschlossen sind, sämtliche Zertifizierungen vorliegen und die Produkte verkaufsfertig produziert werden können, wird es nach Angaben des Unternehmens jedoch bis 2019/2020 dauern. 
Das vierstöckige BNL-Produktionsgebäude verfügt über drei Prozessebenen mit Reinräumen nach GMP C und D. An die in diesen Bereichen verbauten Materialien bestehen höchste Anforderungen. Denn chemische Belastungen durch Reinigungs- und Desinfektionsmittel, mikrobiologische Kontaminationen, mechanische Beanspruchungen durch Warentransporte sowie physikalische Einwirkungen durch kurzfristige Temperaturwechsel können zu frühzeitigem Werkstoffversagen führen. Auch der Boden des Bestandsgebäudes von Biotest erfüllte die Erwartungen der Nutzer nicht mehr: „Die Instandhaltung gestaltet sich immer schwieriger“, berichtet Michael Lapa, Abteilungsleiter Facility Management und seit 22 Jahren bei Biotest. Die Wartungszyklen verkürzten sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich. Dies sei nicht nur zeit- und kostenaufwändig, sondern störe auch den Produktionsablauf, da beim Abschleifen des Bodens und dem Wiederaufbringen der Beschichtung viel Staub und Schmutz entständen.

Umfassender Anforderungskatalog
Biotest kontaktierte daher 2012 Prof. Dr. ­Andreas Gerdes vom Institut für Funktionelle Grenzflächen des KIT. Zu Beginn der Untersuchungen veranlassten die Wissenschaftler an verschiedenen Stellen Kernbohrungen. Dabei stellte sich heraus, dass sich unter dem Boden Wasser sammelt. Grund hierfür waren den Erkenntnissen zufolge Beschädigungen durch Equipment wie Edelstahltanks oder Wannen, die umgefallen waren und dabei in der oberen dünnen Schicht Schäden hinterlassen hatten. Damit war es kaum mehr möglich, den Anforderungen des GMP-Leitfadens (in Deutschland geregelt im Anhang zur Arznei­mittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung) an Oberflächen gerecht zu werden.
Um solche Probleme im Neubau von vorne­herein zu vermeiden, holte Biotest 2013 bei der Planung des Produktionsgebäudes Professor Dr. Gerdes, mittlerweile zusätzlich für Ionys tätig, abermals ins Boot. „Wir wollten die Auswahl des Bodens diesmal auf Basis wissenschaftlich ermittelter Ergebnisse treffen“, schildert Lapa. Gerdes und sein Team entwickelten eigens für das Projekt ein ganz neues strukturiertes Evalua­tionsverfahren für „Nachhaltige Bodensysteme im Reinraum“ – mit dem Ziel, Ausfallzeiten zu reduzieren, Unterhalts- und Wartungsaufwand zu optimieren und die Lebenszykluskosten nachhaltig zu senken.
Der erste Schritt war die Aufstellung eines objektspezifischen Anforderungskatalogs. Darin brachten die Verantwortlichen für Produktion, Instandhaltung, Hygiene und Reinigung bei Biotest ihre Vorgaben ein, etwa zur Beständigkeit gegen Säure und andere Medien, Desinfizierbarkeit und Benetzungsverhalten. „Da bei Biotest rund um die Uhr und an sieben Tagen pro Woche produziert wird, muss ständig desinfiziert werden, etwa fünf bis sechsmal am Tag“, erläutert Florian Thyroff, Teamleiter Reinigung. „Einmal pro Monat wird der Boden überdies mit peressigsäurehaltigen Desinfektionsmitteln desinfiziert.“ Eine weitere Voraussetzung war die extreme Belastbarkeit des Bodenmaterials, da die Edelstahl-Behälter zur Säulenchromatographie bis zu fünf Tonnen wiegen können und im Prozess außerdem diverse Flurförderfahrzeuge verwendet werden, wie Antonio Condemi, Leiter Liegenschaften bei Biotest und spezialisiert auf Laborplanung und Reinräume, berichtet. Darüber hinaus sollte sich der Boden im laufenden Betrieb problemlos sanieren lassen. Aufgrund der Erfahrungen in der Vergangenheit war dies eines der entscheidenden Kriterien. Die Kautschuk-Böden konnten vor allem durch die einfache Instandhaltung selbst stark beanspruchter Oberflächen punkten – bspw. mit Pads, aber auch durch die Option, kleinere Beschädigungen von den eigenen Mitarbeitern einfach entfernen zu lassen. Insbesondere die Möglichkeit, Arbeiten im laufenden Betrieb oder während der turnusmäßigen Revisionsphase mit geringstem Zeitaufwand zu erledigen, ist für Biotest von großem Vorteil.

15 verschiedene Produkte im Test
Auf der Basis dieser Anforderungen entwickelten Gerdes und seine Mitarbeiter ein Werkstoffprofil und prüften in der Folge unterschiedliche Bodenmaterialien verschiedener Hersteller. Dabei mussten die 15 Produkte äußersten Belastungen widerstehen. So wurden sie bspw. in ein Bad mit reiner Salzsäure eingelegt. Dabei zeigten einige Bodenmaterialien schon deutliche Schwächen. Außerdem wurde ein künstlicher Alterungsprozess simuliert, um die Frage zu beantworten, wie die Oberfläche der Böden in zehn Jahren aussehen wird.
Der Auswahlprozess dauerte von der Ermittlung der relevanten Parameter bis zur Entscheidung rund sechs Monate. Nach abschließender Analyse stellten die Wissenschaftler ein Ranking der Produkte auf, bei dem die Kautschuk-Böden ganz vorne lagen. Aufgrund ihrer extrem dichten, geschlossenen Oberfläche sind Bodensysteme aus Kautschuk äußerst verschleißfest und können auch in Bereichen mit hohen Druckbelastungen eingesetzt werden, wie sie z. B. durch das Befahren mit Flurförderzeugen oder das Rollen schwerer Geräte und Maschinen entstehen. Durch die Elastizität des homogenen Werkstoffs Kautschuk widerstehen Kautschuk-Böden auch Schlageinwirkungen, bspw. durch fallende Werkzeuge, Schlauchkupplungen, Schellen oder andere Metallteile. Zudem lassen sie sich leicht und wirtschaftlich reinigen und vollständig desinfizieren. Ein weiterer Vorteil: Sollte es doch einmal zu einer Beschädigung des Bodens gekommen sein, gestalten sich Instandsetzung und Unterhalt anwenderfreundlich. So können viele Verunreinigungen rückstandslos entfernt werden. Auch Kratzer auf einer durch den Prozess beanspruchten Oberfläche sind nach einer Pad-Anwendung verschwunden. Bei Bedarf können Kautschukfliesen aber auch ganz ausgetauscht werden, was bei mineralischen oder harzgebundenen Systemen in der Regel nicht möglich ist.

Kautschuk auf 17.000 m2
Biotest entschied sich aufgrund des Analyseergebnisses für norament grano, der im neuen Produktionsgebäude auf rund 17.000 m2 in drei verschiedenen Farben verlegt wurde, in den Reinräumen in der elektrostatisch ableitenden Variante. Die Wandanschlüsse wurden dort mit Hohlkehlprofilen gestaltet. Um eine Hohlkehle an eine runde Bodendurchdringung zu formen, wird der Kaut­schuk erwärmt und dann an die Durchdringung angepasst. Das Bodenmaterial wird auf diese Weise ansatz- und fugenlos von der Waagerechten in die Senkrechte geführt. Dies ist ein großes Plus: Gelangen Flüssigkeiten auf den Boden, so ist der Übergang zur Senkrechten nicht auf dem flüssigkeitsführenden Niveau, sondern ca. zwei bis drei Zentimeter höher, was unter Hygiene- und Wartungsgesichtspunkten enorme Vorteile bringt.
Weil auch die Verlegung entscheidend für die spätere Performance der Böden ist, wurden die Verarbeiter des ausführenden Verlegebetriebs, der Firma Esper in Wiesbaden, im Vorfeld bei nora systems in Weinheim geschult und auf das Projekt vorbereitet. So wurde in Kooperation mit dem langjährigen und für seine konstant hohe Qualität bekannten Verlegepartner eine einwandfreie Verarbeitung erreicht. Eine umfassende Dokumentation während der Verlegung (raumweise in Zusammenarbeit mit QS und QA) gibt den Nutzern zusätzliche Sicherheit. Thyroff ist zufrieden: „Die Reinigungsergebnisse sind durchweg gut, Verschmutzungen lassen sich problemlos und ohne Rückstände abtragen.“ Auch Lapa zieht ein positives Fazit: „Der große Vorteil von Kautschuk gegenüber anderen Bodenmaterialien ist die Möglichkeit zur Ausbesserung und zum Austausch beschädigter Stellen. Während des routinemäßig durchgeführten regelmäßigen Shut Downs, der ca. drei Wochen dauert, lassen sich diese Arbeiten problemlos erledigen, aufwändige Sanierungen in der Zwischenzeit entfallen.“

Daten und Fakten:
Objekt: Produktionsgebäude Biotest,   Next Level (BNL), Dreieich

Bauherr:  Biotest, Dreieich

Beratung: Ionys, Karlsruhe

Projektsteuerung: Drees & Sommer

Architekt: Scherr + Klimke, Ulm

Produkte: norament 928 grano ed  und norament 926 grano, 17.000m², norament 926 grano    Formtreppen, 912 Stück

Einsatzbereich: Reinräume, Produktion, Labore, Büros, Flure, Treppen, Logistik

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