Beitrag der Messtechnik zu Anlagensicherheit, Ressourceneffizienz und Einheitlichkeit in der Grundstoffindustrie
In einem Messgerät steckt noch eine ganze Menge mehr
In der Prozessindustrie kommt es auf die Anlagenverfügbarkeit sowie die Steigerung von Effizienz und Sicherheit für eine nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit an. Industrieumfragen zeigen, dass die Erwartung der Prozessindustrie an die Messtechnik hoch sind. Erfahren Sie in diesem Beitrag, was Feldgeräte von Endress+Hauser leisten können und wie sie den Erwartungen der Branche gerecht werden. Mit ihren Funktionen zu Diagnose, Verifikation und Monitoring liefern die Messgeräte weit mehr als ein reines 4…20 mA Signal.
Seit 65 Jahren entwickelt Endress+Hauser Messgeräte für die Prozessindustrie, mit den Anfängen in der Schüttgutindustrie. Dank dieser Erfahrung mit verschiedensten Messprinzipien für die Parameter Füllstand, Durchfluss, Temperatur, Druck und Flüssigkeitsanalyse ist es möglich, gemeinsam mit dem Kunden eine Lösung für spezifische Messaufgaben zu finden. Heute schlägt die Messtechnik zudem neue digitale Wege ein. Das erste Ziel ist es, eine Optimierung der Anlagenverfügbarkeit zu erreichen. Hierbei hilft die Heartbeat Technology, die bereits heute für viele Geräte zur Füllstands-, Durchfluss-, Temperatur- und Analysemessung verfügbar ist. Diese Technologie bietet Funktionen zur Diagnose, zur Verifikation und zum Monitoring. Inbetriebnahme, Diagnose und Wartung der Feldgeräte werden damit stark vereinfacht, die praktische Umsetzung gelingt ohne Mehraufwand und sowohl die Anlagenverfügbarkeit als auch die -sicherheit lassen sich damit deutlich steigern.
Etwa 97 % aller Daten aus Feldgeräten sind ungenutzt
Tatsächlich sind hierzulande schon heute neun von zehn Feldgeräten in Prozessanlagen mit digitalen Schnittstellen ausgestattet. Dennoch ist die Übertragung von Messwerten über 4…20 mA noch gang und gäbe, während bspw. das Hart Protokoll oft nur zu Inbetriebnahmezwecken verwendet wird. So werden heute nur etwa 3 % aller Daten aus einem Feldgerät in der Praxis genutzt. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass 97 % nicht genutzt werden! Das neue Diagnose-, Verifikations- und Monitoringkonzept Heartbeat Technology und Kommunikationsschnittstellen wie Bluetooth und IO-Link ermöglichen es, dieses Potenzial anzugehen, weitestgehend ohne Änderungen an der bestehenden Architektur. Die smarte Messstelle wird auch in der Grundstoffindustrie zum Fundament der Prozessindustrie 4.0. Außerdem werden Messprinzipien wie die zusätzliche Schüttgutstromüberwachung bei der Mikrowellenschranke weiterentwickelt, was die Produktivität der Anlagen zusätzlich ankurbelt.
Wenn das Messgerät sagt, wie es ihm geht
Wenn es um Autos geht, wissen wir Warnleuchten im Cockpit längst zu schätzen, auch wenn wir natürlich froh sind, wenn Sie nicht andauernd aufblinken. Vorausschauend wird uns gesagt, dass z. B. Motoröl nachgefüllt werden muss, und zwar lange, bevor der Motor mit einem Schaden stehen bleibt. Und auch in der Grundstoffindustrie ist der Wunsch von Betreibern hinsichtlich intelligenter Diagnoseverfahren groß. Ein Ansatz liefert Heartbeat Technology: z. B. prüfen Füllstandmessgeräte, die mit der Technologie ausgestattet sind, permanent 80 Parameter im Rahmen einer internen Diagnose. Das Ergebnis der Prüfung sagt aus, ob etwa die Elektroniktemperatur sowie die anliegende Klemmenspannung im Normbereich liegen oder die Signalstärke für eine zuverlässige Messung ausreicht. Des Weiteren werden der logische Programmablauf sowie eine nicht verwechselbare Checksumme des integrierten Datenspeichers (RAM) überprüft. Etwaige Diagnosemeldungen werden mit klaren Diagnosesymbolen visualisiert und können über Kommunikationsprotokolle wie Hart in die Visualisierungsoberfläche der Steuerung integriert werden. Frühzeitige Kenntnis über den Gerätezustand ermöglicht dem Betreiber eine frühzeitige Wartung und steigert die Anlagenverfügbarkeit.
Automatische Verifikation und Dokumentation
Ebenso wie beim Auto eine regelmäßige Untersuchung beim TÜV auf der Agenda steht, überprüfen auch viele Anlagenbetreiber ihre Messinstrumente auf Funktionalität. Die Heartbeat Verifikation ist ein Ansatz, um ein Füllstands-, Durchluss-, Temperatur- oder Analysemessgerät im eingebauten Zustand auf seine korrekte Funktionalität hin zu verifizieren und dies automatisiert zu dokumentieren. Dabei wird in einem geführten Ablauf der Gerätestatus überprüft. Neben der Überprüfung und Dokumentation von 80 Diagnoseparametern findet ein Sensorintegritäts- und Installationscheck statt. Das Testergebnis wird in einem Prüfprotokoll dokumentiert und kann als PDF Datei abgelegt werden.
Vorausschauende Wartung
Ansatz an der Antenne eines kontinuierlichen Füllstandmessgeräts mit der Radartechnologie ist gerade in der Schüttgutindustrie eine häufig anzutreffende Herausforderung. Im Vergleich zur unbedeckten Antenne verändert sich der Nahbereich vor der Antenne. Dies kann man daran erkennen, dass die Fläche des Einkopplungsbereichs anwächst. Mit der Heartbeat Technologie kann im Gerät ein Grenzwert für diesen Nahbereich definiert werden. Nach Überschreiten dieses Wertes, wird ein Wartungsbedarf in der Visualisierung, z. B. WinCC, angezeigt. Den Einkopplungsbereich kann man wie auch die Signalstärke eines Radarmessgeräts als Hart-Variable definieren oder analog über einen zweiten Stromausgang in die Steuerung übertragen. Daraufhin weiß der Betreiber, dass das Gerät gereinigt werden muss oder es kann ressourcenschonend bei Bedarf Spülluft für die Reinigung der Antenne angesteuert werden. Erfolgreich wird die bedarfsgerechte Reinigung z. B. in Rohmehlsilos bzw. Klinkersilos mit starker Staub- und somit Ansatzbildung angewendet.
Zyklone überwachen
Zyklone werden bei der Klinkerherstellung zum Vorwärmen des Rohmehls eingesetzt, bevor dieses im ca. 1.400 °C heißen Drehofen zu Klinkern gebrannt wird.
Das dem Zyklon zugeführte Rohmehl neigt je nach Rohstoffzusammensetzung und Brennstoff zur Ansatzbildung, was im letzten Zyklon vor dem Ofen teils zu Verstopfungen führen kann. Der Zyklon wird auf Ansatzbildung überwacht, um Ausfallzeiten zu vermeiden. Ist die Schichtdicke an den Wänden zu stark, wird der Zyklon mittels Druckluft freigeblasen. Die klassische Drucküberwachung an den Zyklonen erkennt nur eine Verstopfung, aber kein Anwachsen von Ansatz. Die Lösung ist das radiometrische Messsystem, z. B. beim Gammapilot, welches den Trend schon frühzeitig erkennt. Das außen am Zyklon angebrachte Messsystem überwacht die wachsende Schichtdicke an den Wänden. Bei Bedarf wird der Ansatz mittels Druckluftkanonen von den Wänden entfernt. Aufgrund der hohen Temperaturen muss allerdings das radiometrische Messsystem mit einer kostenintensiven Wasserkühlung ausgestattet sein. Hierauf kann mit dem neuen Zweileiter-Gammapilot FMG50 bei Temperaturen bis 80 °C aufgrund eines Hochtemperatur PVT-Material verzichtet werden.
Inbetriebnahme und Wartung von Feldgeräten
Muss ein Sensor in einem schwer zugänglichen oder gefährlichen Bereich in Betrieb genommen werden, so ist die drahtlose Feldgerätekonfiguration über die SmartBlue App eine komfortable und sichere Lösung. Der Anwender sieht auf einen Blick in die Live Liste Messparameter der Geräte, welche aktuell über Bluetooth parametriert und gewartet werden können. Mit der Diagnosemeldung nach Namur Standard NE 107 ist der Zustand des Sensors sofort ersichtlich. Die Verbindung zum Gerät wird über ein vom Fraunhofer Institut zertifiziertes, passwortgeschütztes Verfahren hergestellt. Dabei wird der etablierte und extrem sichere „PAKE“ (Password Authenticated Key Exchange) Algorithmus genutzt.
Ein Bedienprogramm für viele Messparameter
Neben den Füllstandmessgeräten Micropilot, Levelflex, Liquiphant umfasst das Angebot integrierter Messparameter auch Durchfluss, Flüssigkeitsanalyse und Temperatur. Im Jahr 2018 wurde das Portfolio von Endress+Hauser um den magnetisch-induktiven Durchflusssensor Picomag und den Liquiline Compact Transmitter CM82 zur Messung von pH, Redox, Leitfähigkeit, Sauerstoff sowie Chlor/Chlordioxid erweitert. 2019 folgt das Messprinzip Vibronik, welches sich nun 40 Jahre lang im Markt bewährt hat. Über die Bluetooth-Schnittstelle des Liquiphant kann künftig auch die vereinfachte wiederkehrende Prüfung per „Knopfdruck“ in der Smart Blue App erfolgen. Die Smart Blue App ist kostenfrei im Google Play Store oder im Apple App Store verfügbar.
Für alle Radarmessgeräte gibt es zudem ein leicht nachrüstbares Bluetooth Upgrade. Mit diesem ist eine einfache und drahtlose Feldgerätekonfiguration über die Smart Blue App möglich.
Fazit
Mit den digitalen Funktionen der Heartbeat Technology liefern die Feldinstrumente mehr als den reinen Messwert. Die geräteinternen Daten werden auch dazu verwendet, weitere Informationen über das Gerät und den Prozess zu generieren. Heartbeat Diagnose zeigt hierbei den Gerätestatus eines Feldinstruments, die Heartbeat Verification ermöglich die Überprüfung der Gerätefunktion im eingebauten Zustand. Vorausschauende Wartung wird mit dem Heartbeat Monitoring und der Trenderkennung im Gerät möglich. Die bereitgestellten Informationen können Anlagenbetreibern nutzen, um sowohl die Anlagenverfügbarkeit als auch die -sicherheit zu erhöhen – und das alles ohne Mehraufwand. Heartbeat Technology ist für Geräte der Füllstands-, Durchfluss-, Temperatur- und Analysemessung verfügbar und erweitert bestehende Anlagen, weitestgehend ohne Veränderungen an der bestehenden Anlagenstruktur, um Industrie 4.0-Funktionen.