Bayer will Forschung mit Großprojekt neuen Schub geben
02.01.2014 -
Bayer will die Jagd nach neuen Wirkstoffen durch eine engere Zusammenarbeit der Sparten vorantreiben. Durch die bessere Verzahnung der frühen Forschung in Human- und Tiermedizin sowie Pflanzenschutz will der Pharma- und Chemiekonzern seine Trefferquote bei der Entdeckung neuer Substanzen erhöhen, wie Vorstand Wolfgang Plischke im Interview der Nachrichtenagentur Reuters sagte. "Wir haben uns angeschaut, was können wir stärker gemeinsam machen unter dem Dach der Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanze", sagte der gebürtige Schwabe, der im Bayer-Führungsgremium seit 2006 die weltweite Forschung leitet. Die Leverkusener sind mittlerweile der einzige große internationale Konzern, der sowohl in der Human- und Tiermedizin als auch in der Agrarchemie aktiv ist. "Da können wir Synergien nutzen", sagte Plischke.
In dem spartenübergreifenden Projekt mit dem Namen "Nimbus" tauschen inzwischen Hunderte Bayer-Forscher ihre Erkenntnisse aus. Ihr Ziel: Neue Ansätze zur Wirkstoffentwicklung, auf die die Konkurrenz nicht kommen kann, da sie nur in einer oder zwei der Sparten tätig ist. "Wir geben relativ viel Geld dafür aus, einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag", sagte Plischke. Die Finanzmittel seien extra und komplettierten die frühe Forschung der Teilkonzerne. "Das wollen wir auch die nächsten Jahre weiter machen." In der frühen Forschung entscheidet sich, welche Substanzen und Wirkstoffe erfolgversprechend sind und mittels teurer Großstudien zur Marktreife weiterentwickelt werden.
Spartenübergreifende Themen gab es bei Bayer schon in der Vergangenheit: So lässt sich die Chemie der Azole, auf denen die Bayer-Antipilzsalbe Canesten beruht, auch bei Pflanzen einsetzen. Auch greifen manche Insektizide wie das Bayer-Pestizid Movento auf Fettstoffwechsel-Mechanismen zurück, die Pharmaforscher auch beim Menschen im Blick haben. Die jüngsten Fortschritte in der Molekular- und Zellbiologie und neue technische Verfahren wie die Gensequenzierung rückten spartenübergreifende Ansätze Plischke zufolge jetzt noch stärker in den Fokus. "Das primäre Immunsystem bei Pflanzen und Tieren kannte man vor 20 Jahren noch nicht. Heute weiß man, dass diese ziemlich vergleichbar sind", so Plischke. Zudem gebe es bei Pflanzen bestimmte Signalsysteme, die auch beim Menschen bei der Infektion durch Bakterien eine Rolle spielen.
Der 62-jährige Plischke, der voraussichtlich Ende April in den Ruhestand geht, rechnet mit ersten positiven Ergebnissen in den kommenden Jahren: "Wir erwarten, dass das in den nächsten zwei, drei, vier, fünf Jahren sichtbar wird in unserer Pipeline"
Der Traditionskonzern steckte 2012 insgesamt 3,01 Mrd. € in seine Forschung - 2011 waren es 2,9 Mrd. €. "Unsere Philosophie ist, dass wir ähnliche Forschungsbudgets auch für die nächsten Jahre haben", sagte Plischke. Bayer erwirtschaftete 47% seines Jahresumsatzes von zuletzt 39,8 Mrd. € in der Gesundheitssparte HealthCare, zu der auch Humanpharmazeutika und die Tiermedizin zählen. Die Pflanzenschutzsparte steuerte 21% zum Konzernumsatz bei.
Während bei Analysten Unternehmen nach wie vor hoch im Kurs stehen, die sich auf wenige Geschäftsfelder konzentrieren, sieht Plischke Projekte wie "Nimbus" auch als Bestätigung für ein Festhalten an einer breiteren Aufstellung. Der US-Rivale Pfizer hatte 2013 seine Tiermedizinsparte Zoetis abgespalten und an die Börse gebracht, der französische Sanofi-Konzern hatte bereits vor gut zehn Jahren seine Agrochemiegeschäfte verkauft. Der große Schweizer Rivale im Pflanzenschutz Syngenta betreibt weder Pharma- noch Tiermedizin-Sparten. Zwar seien auch Unternehmen erfolgreich, die nur in einem der drei Gebiete forschen, sagte Plischke. "Aber wenn sie alles drei zusammenführen können und voneinander lernen, dann können sie die 5 oder 10% noch besser werden. Das ist unser wirklicher Wettbewerbsvorteil."