BAVC: Arbeitswelt der Zukunft nicht voreilig regulieren
Position der Chemie-Arbeitgeber zum Weißbuch Arbeiten 4.0
Die Chemie-Arbeitgeber beziehen Stellung: Als Antwort auf das Weißbuch Arbeiten 4.0 der Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles hat der BAVC ein Positionspapier entwickelt, in dem er vor allem eines fordert: Finger weg von voreiliger Regulierung der Arbeitswelt!
Gesellenstück der neuen 4.0-Struktur des BAVC
Der BAVC-Ausschuss Arbeiten 4.0 samt Arbeitsgruppen haben, unterstützt vom BAVC-Kompetenzteam Arbeiten 4.0, das Weißbuch auf Herz und Nieren geprüft - Kapitel für Kapitel, Regulierungsvorschlag für Regulierungsvorschlag. An diesen mangelt es nämlich nicht in dem 200-Seiten-Dokument. Hier die wichtigsten Forderungen des BAVC im Überblick:
Beschäftigungsfähigkeit: Weiterbildung nach betrieblichem Bedarf.
Die Chemie-Arbeitgeber wehren sich gegen Gedankenspiele des Arbeitsministeriums, die Bundesagentur für Arbeit zu einer Art 'Bundesweiterbildungsbehörde' umzubauen. So sehr sie das Anliegen teilen, den Weiterbildungsgedanken 'lebenslang' in den Köpfen der Menschen zu verankern: Weiterbildung muss vom betrieblichen Bedarf her gedacht werden, denn in der Praxis ist die Qualifizierung der Beschäftigten so vielfältig wie die Beschäftigten selbst. Allen Arbeitnehmern gleichsam von der Wiege bis zur Bahre karriereberatend zur Seite zu stehen - das ist gut gemeint, aber letztlich der falsche, weil zentralistische Weg.
Arbeitszeit: keine faulen Flexibilitätskompromisse.
Dass in einer Arbeitswelt 4.0 neue 'Flexibilitätskompromisse' zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gefunden werden müssen, wie Andrea Nahles immer wieder fordert, ist auch den Chemie-Arbeitgebern ein Anliegen. Das Weißbuch interpretiert Flexibilität allerdings einseitig im Sinne von 'Zeit- und Ortssouveränität' für den Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber hat in der Welt der Ministerin das Nachsehen, obwohl auch Unternehmen berechtigte Flexibilitätsbedürfnisse haben: Mal etwas länger arbeiten, mal für den Kollegen einspringen - das kann verlangen, wer seinerseits auf die ebenso berechtigten Forderungen der Beschäftigten nach besserer Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben eingeht. Jeder 'Flexibilitätskompromiss' muss ein Geben und Nehmen sein.
Gesunde Arbeit: Eigenverantwortung der Beschäftigten stärken.
Wer mehr Freiheit hat, hat auch mehr Verantwortung - nicht zuletzt für seine Gesundheit. In dem Maße, wie die Beschäftigten über technische Möglichkeiten verfügen, Arbeitszeit und -ort selbst zu bestimmen, kann man ihnen 'digitale Mündigkeit' abverlangen: einen verantwortungsvollen, reflektierten Umgang mit der neu gewonnenen Freiheit und ihren technischen Ermöglichern wie Smartphone oder Laptop. Die in der öffentlichen Debatte vielbeklagte 'Entgrenzung' der Arbeitswelt ist auch eine selbstgemachte: Die Beschäftigten in der Arbeitswelt 4.0 müssen lernen, sich selbst Grenzen zu setzen, um gesund zu bleiben.
Beschäftigtendatenschutz: Schutz und Chancen in Einklang bringen.
Im Zeitalter von Big Data gewinnt Datenschutz zwangsläufig an Bedeutung. Die Chemie-Arbeitgeber setzen sich dafür ein, dass das Niveau des Beschäftigtendatenschutzes hoch bleibt und gleichzeitig innovative Prozesse und Geschäftsmodelle ermöglicht werden. Wenn wir beide Ziele ernst nehmen, gelingt uns der Spagat: Den Beschäftigten wird die Angst vor dem 'gläsernen Mitarbeiter' genommen, und die chemische Industrie kann die Entwicklungspotenziale der digitalen Ökonomie optimal nutzen.
Mitbestimmung: Teilhabe ermöglichen, Funktionsfähigkeit sicherstellen.
Die Chemie-Arbeitgeber bekennen sich zum System der deutschen Mitbestimmung. Von einer guten Zusammenarbeit der Tarif- und Betriebsparteien, die durch Vertrauen und Innovationsgeist den wirtschaftlichen Erfolg fördert, profitieren Beschäftigte und Unternehmen gleichermaßen. Auch in der Arbeitswelt 4.0 muss Mitbestimmung aber funktionieren. Das Mitbestimmungsrecht sollte auf die Fälle beschränkt werden, bei denen eine technische Neuerung die Überwachung der Leistung oder des Verhaltens von Mitarbeitern bezweckt. So kann Mitbestimmung auch künftig Teilhabe ermöglichen, ohne zum Hemmschuh für technologische Innovation zu werden.
Sozialpartnern vertrauen statt Vater Staat
Das Weißbuch Arbeiten 4.0 ist ein Dokument, das Liberalen und Optimisten an manchen Stellen den Schweiß auf die Stirn treibt. Den liberal Gesinnten, weil nach den Plänen des Arbeitsministeriums vieles 'präventiv' reguliert werden soll, ohne dass heute klar wäre, wie die Arbeitswelt morgen überhaupt aussieht. Den Optimisten, weil sie beim Lesen einen Geist der Zuversicht, des Zutrauens in die Gestaltungskräfte der künftigen Arbeitswelt vermissen. Zu diesen zählt nicht nur Vater Staat, sondern auch und besonders die Sozialpartner. Arbeitgeber und Beschäftigte, organisiert in Verbänden und Gewerkschaften, verfügen über drei exklusive Gestaltungskompetenzen: Sie kennen die Wirklichkeit ihrer Branche wie niemand sonst. Sie können bei Unternehmen und Arbeitnehmern für Veränderungsprozesse sensibilisieren wie kein Zweiter. Und sie haben als Einzige die Mittel, die Arbeitsbedingungen branchenspezifisch zu gestalten.