Am Chemiestandort Leuna entsteht ein einzigartiges Power-to-Heat-Projekt
In der neuen Anlage soll Ökostrom in Prozessdampf umgewandelt werden
Der Netzbetreiber 50Hertz Transmission und die InfraLeuna haben einen Vertrag über den Bau und Betrieb einer Power-to-Heat-Anlage (PtH) am Chemiestandort Leuna unterzeichnet. In der Anlage soll nach dem Prinzip „Nutzen statt abregeln“ Ökostrom aus Windenergie- und Fotovoltaikanlagen in Prozessdampf umgewandelt werden.
InfraLeuna plant, baut und betreibt die Anlage, 50Hertz übernimmt die Investitionskosten in Höhe von 13,6 Mio. EUR und bezieht sie in das Management von Stromnetzengpässen ein. Statt Wind- oder Solaranlagen abzuregeln, kann künftig überschüssiger Ökostrom in die PtH-Anlage fließen und dort in Prozessdampf umgewandelt werden.
Die innovative PtH-Anlage besteht aus einem Elektrodenkessel mit einer elektrischen und thermischen Leistung von jeweils ca. 35 MW, in dem Wasser durch Strom erhitzt wird. Pro Stunde werden 45 t überhitzter Prozessdampf erzeugt und in das Dampfnetz des Chemiestandorts eingespeist. Das dabei erreichte Druckniveau von 47 barü wird mit dieser Technologie europaweit zum ersten Mal erreicht.
„Die Errichtung der Power-to-Heat-Anlage in Leuna ist ein
wichtiger Baustein für eine klimafreundliche Industrie.“Armin Willingmann, Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt.
Der bei der feierlichen Unterzeichnung der Verträge anwesende Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt, Armin Willingmann, freut sich über das Projekt: „Für eine erfolgreiche Energiewende brauchen wir intelligente technologische Lösungen. Die Errichtung der Power-to-Heat-Anlage hier am Chemiestandort Leuna ist ein wichtiger Baustein für eine klimafreundliche Industrie.“ Strom, der ansonsten abgeregelt werden müsste, werde künftig direkt in Wärme umgewandelt und genutzt.
Gerade in Zeiten hoher Energiepreise und aufgrund der Notwendigkeit, unabhängiger von fossilen Brennstoffen zu werden, zeigten Projekte wie dieses, wie wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und Klimaschutz erfolgreich miteinander verbunden werden kann, meinte der Minister. Insbesondere am Chemiestandort Leuna, in dem Wärmeenergie in großen Mengen benötigt wird, ermögliche die Technologie eine erhebliche Reduktion von CO2-Emissionen und stärke zugleich die Resilienz der Unternehmen gegenüber volatilen Energiemärkten. Willingmann: „Der Chemiestandort Leuna gehört zu den Vorreitern beim Thema Nachhaltigkeit. Hier wird seit langem und mit Hochdruck an der Transformation der Chemieindustrie gearbeitet – hin zu erneuerbaren Energien und nachwachsenden Rohstoffen. Die Power-to-Heat-Anlage passt sehr gut in dieses Profil.“
Nach mehr als zwei Jahren Konzeptarbeit geht es nun in die Verwirklichung des Bauvorhabens. „Der Elektrodenkessel mit den bisher unerreichten Parametern 47 barü und 320 °C ist maßgeschneidert für unser Hochdruckdampfsystem. In Kombination mit unseren hochflexiblen Gas- und Dampfturbinenkraftwerken schaffen wir in Leuna ein einzigartig reaktionsfähiges Energiesystem“, erklärt Christof Günther, Geschäftsführer der InfraLeuna.
Die Kraftwerke am Standort können immer dann zurückgefahren werden, wenn die PtH-Anlage Ökostrom aufnimmt und in Wärmeenergie umwandelt. So kann bei steigendem Anteil regenerativ erzeugten Stroms der Einsatz von Erdgas weiter reduziert und ein großer Schritt in Richtung CO2-Neutralität des Standorts gemacht werden. Der Baubeginn ist für Mitte dieses Jahres geplant, die Inbetriebnahme wird im ersten Quartal 2026 erwartet.
„Gerade in der aktuell sehr angespannten Situation der chemischen Industrie hilft uns dieser Kessel. Denn mit diesem zukunftsweisenden Projekt reduzieren wir Netzengpässe, nutzen überschüssigen Strom, sparen wertvolles Erdgas und sichern die verlässliche Prozessdampfversorgung“, so Günther.
Dirk Biermann, Geschäftsführer Operations (COO) von 50Hertz, ergänzt: „Unsere Systemführung bei Berlin kann die PtH-Anlage für das sogennante Engpassmanagement einsetzen. Das entlastet das Stromnetz doppelt – durch zusätzlichen Stromverbrauch in der Power-to-Heat-Anlage und gleichzeitig geringere Strom- und Wärmeproduktion im Kraftwerk. Anstatt Entschädigungen für nicht produzierten Strom zu bezahlen, erhalten wir zur Aufrechterhaltung der Systemstabilität mit dieser Anlage ein wirksames Instrument an die Hand. Der mitteldeutsche Raum bietet für dieses Konzept gute Voraussetzungen, weil es hier sowohl zentrale Wärmeversorgungssysteme als auch ein hohes Aufkommen an Windstrom und inzwischen auch große Freiflächensolaranlagen gibt.“
Um in Zukunft Netzengpässe zu entschärfen, sei der Ausbau der Stromübertragungsnetze als wichtigste Maßnahme erforderlich. Ergänzend müssten unterschiedliche Speichersysteme hinzukommen, dazu könnten auch PtH-Anlagen in der Industrie und in Kommunen mit Fernwärmenetzen und ggf. Wärmespeichern beitragen, meint Biermann. (op)