Achema 2018: Chemie- und Pharmalogistikthemen im Logistik Hotspot
Interview mit Thomas Scheuring, CEO der Dechema
Die Achema 2018 lädt erstmals in eine spezielle Ausstellungszone in Halle 1.1 ein und präsentiert hier den Logistic Hotspot für die chemische und pharmazeutische Industrie. Für CHEManager befragte Sonja Andres den CEO der Dechema, Thomas Scheuring, nach den Beweggründen für diesen Schritt und seinen Erwartungen in Bezug auf dieses Themenfeld.
CHEManager: Herr Scheuring, die Logistik ist mit einer der größten Wirtschaftszweige. Welche Bedeutung hat sie nach Ihrer Einschätzung für die Chemie- und Pharmabranche?
Thomas Scheuring: Logistik ist jetzt schon ein immens wichtiges Thema für die Chemie- und Pharmabranche und sie wird in Zukunft noch wichtiger werden. Wenn ich eine Schmerztablette schlucke, dann möchte ich, dass die bitte möglichst schnell hilft. Was aber, wenn der Wirkstoff schon zum Teil abgebaut ist, weil das Medikament im Hochsommer drei Tage lang in einem überheizten Lkw unterwegs war? Davor schützt die „Gute Vertriebspraxis“, die vorschreibt, dass Pharmazeutika in solchen Fällen in einem klimatisierten Lkw transportiert werden müssen.
Als Pharmaunternehmer will es gut überlegt sein, wem man die Verantwortung für seine wertvollen Produkte überträgt. Die Logistiker sind ja längst mehr als reine Dienstleister, sie sind inzwischen echte Systempartner geworden. Wenn durch die personalisierte Medizin die Schmerztablette demnächst ganz speziell für mich hergestellt wird, dann wird die Logistik sogar Bestandteil des Produktes.
Welche Bereiche der Logistik sehen Sie als besonders relevant für die Chemiebranche an? Was gilt anderseits für die Pharmabranche?
T. Scheuring: Chemietransporte begegnen uns jeden Tag, egal ob auf der Autobahn oder im Bahnhof. Jeder kennt die Tankwagen mit den orange-schwarzen Gefahrgutsymbolen. Viele Chemikalien dürfen eben nur unter besonderen Auflagen transportiert werden und das ist auch gut so. In nächster Zeit kommen gleich mehrere Probleme auf die Branche zu. Fachkräftemangel ist nur eines davon; schon jetzt gibt es viel zu wenige Lkw-Fahrer, erst recht solche, die Gefahrguttransporter lenken dürfen. Auch auf der Management-Ebene wären viel mehr gut ausgebildete Fachleute nötig. Dann gibt es da noch das Lagerproblem: Immobilien für Gefahrstofflager sind Mangelware, ebenso Gewerbeflächen mit Gleisanschluss.
Pharmatransporte wird man im Alltag kaum als solche erkennen, schon alleine weil sie nicht als Gefahrgut markiert sind. Außerdem reichen in der globalisierten Pharmaindustrie die Lieferketten um die ganze Welt. Produziert wird dort, wo es am günstigsten ist. Das bedingt aber auch hohen Aufwand, um sicherzustellen, dass nicht etwa Fälschungen in Deutschland und Europa ankommen, sondern die echten Medikamente – Stichwort Serialisierung.
Die Achema 2018 widmet der Chemie- und Pharmalogistik nun einen eigenen Bereich. Was war für die Dechema der entscheidende Grund, in diesem Jahr einen stärkeren Fokus auf den Bereich Logistik zu richten?
T. Scheuring: Auf der Achema betrachten wir Prozesse immer möglichst von Anfang bis Ende. Die Logistik wird immer stärker in die Lieferketten der Chemie- und Pharmabranche eingebunden, da ist es nur logisch, dass wir diesen Aspekt einmal intensiv behandeln. So ganz neu ist das Thema ja nun nicht: In der Ausstellungsgruppe Pharma-, Verpackungs- und Lagertechnik haben Intralogistik und Lagerung schon immer eine Rolle gespielt. Jetzt holen wir Aspekte wie Nachverfolgbarkeit, Supply Chain Management, temperaturkontrollierten und multimodalen Transport dazu. Eigentlich eine ganz logische Weiterentwicklung.
Der ganz große Vorteil der Achema ist, dass der Besucher hier Logistikfirmen findet, die auf den Chemie- und Pharmabereich spezialisiert sind. Auf den reinen Logistikmessen muss er die mit der Lupe suchen.
Was erwartet die Besucher am Hotspot „Logistik“ in dieser Erstauflage?
T. Scheuring: Ein spannender Querschnitt durch die gesamte Lieferkette. Das geht mit Ausstellern los, die Kennzeichungslösungen anbieten. Etiketten drucken, das hört sich erstmal ziemlich trivial an. Das Etikett 4.0 ist aber kein einfacher Aufkleber mehr, sondern oft ein RFID- oder NFC-Chip. Der ist voll digitalisiert und kann ganze Produktionsprozesse steuern. Das Etikett ist dann der Schlüssel zur Automatisierung.
Ladungssicherung und Gefahrguttransporte sind auch Themen, die einem erst bewusst werden, wenn man Bilder sieht von Chemikalienfässern, die ungesichert durch einen Container purzeln.
Natürlich trifft der Besucher auf dem Hotspot auch Firmen, die sich auf den Transport von Chemikalien und Pharmazeutika spezialisiert haben. Wir freuen uns besonders, dass mit TNT und Kühne + Nagel zwei Schwergewichte der Branche vertreten sind.
Wird es ein fachliches Rahmenprogramm zu den Themen „Pharma- bzw. Chemielogistik geben?
T. Scheuring: Selbstverständlich! Der Kongress ist immer ein wesentlicher Bestandteil der Achema. Was Sie dieses Jahr im Vortragssaal hören, sehen Sie bei der nächsten Achema in den Ausstellungshallen, das ist die Idee. Im Fall des Logistik Hotspot ist die Vortragsbühne sogar gleich direkt in der Halle aufgebaut, damit der Besucher möglichst kurze Wege hat.
Das Praxisforum Chemie- und Pharmalogistik ist – wie der Name schon sagt – ganz nah dran am wahren Leben. So gibt es einen Vortrag darüber, wie ein Lkw für Pharmatransporte ausgestattet werden muss. Aber auch der Vergleich von Frachtkosten für Chemietransporte wird zur Sprache kommen.
Für das Vortragsprogramm kooperieren wir mit dem Bundesverband Logistik. Gemeinsam wird uns da sicher eine bunte und spannende Mischung gelingen.
Welche Entwicklungen im Bereich der Logistik für die Chemie und Pharmabranche halten Sie zurzeit für die bahnbrechendsten?
T. Scheuring: Ganz klar die Blockchain-Technologie. Darüber hört man derzeit hauptsächlich im Zusammenhang mit Kryptowährungen. Unabhängig davon, wie es mit dem digitalen Geld weitergehen wird, könnte Blockchain die Logistik revolutionieren. Digitalisierung ist dort natürlich auch ein Thema, aber tatsächlich wird noch vieles auf Papier dokumentiert oder mit veralteter Software. Mit Blockchain arbeiten alle Dienstleister, die an der Lieferkette beteiligt sind, mit einem einzigen Datensatz. Alle können Veränderungen nahezu in Echtzeit sehen und eine Manipulation im Nachhinein ist ausgeschlossen. Das hört sich für mich alles sehr vielversprechend an.