3. See-Hafen-Kongress - Herausforderungen und Lösungsansätze
07.12.2010 - 150 Teilnehmer aus Hafenwirtschaft, Logistik-, Pharma- und Chemiebranche diskutierten vom 24. bis zum 26. November beim 3. See-Hafen-Kongress in Hamburg über die Lehren aus der Krise, maritime Sicherheit, Arbeitgeberattraktivität, REACh und grüne Logistik.
Es geht wieder aufwärts: Für 2010 rechnet der Internationale Währungsfonds (IWF) mit einer Steigerung der Wirtschaftsleistung um 4,8 Prozent. „Wir sind zurück auf dem Weg des Wachstums", sagte Professor Dr. Burkhard Lemper vom Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) in seiner Eröffnungsrede beim 3. See-Hafen-Kongress in Hamburg. Um zwölf Prozent, schätzt er, wachse allein der Containerumschlag im Jahr 2010, bis 2020 durchschnittlich um 6,8 Prozent pro Jahr.
Aber welche Lehren wurden aus dem Abschwung der vergangenen Jahre gezogen? Und vor welchen Herausforderungen steht die maritime Wirtschaft? Das ma-co maritime competenzcentrum und die Umco Umwelt Consult hatten zum Gedankenaustausch ins Empire Riverside Hotel in Hamburg geladen, um mit den 150 Teilnehmern aus Hafenwirtschaft, Logistik-, Pharma- und Chemiebranche beim 3. See-Hafen-Kongress in moderierten Themenrunden die aktuellen Herausforderungen und Lösungsansätze zu diskutieren.
Themenrunde Zukunft
Klaus-Dieter Peters, Vorstandsvorsitzender der Hamburger Hafen und Logistik , sorgt sich vor allem darum, dass Infrastrukturmaßnahmen nicht vorangetrieben werden: „Fahrbahnanpassungen der Elbe, der Weser und des Nordostseekanals, die Hafenquerspange und die Y-Trasse sind dringend notwendig, um zu einem funktionierenden Gesamtverkehrssystem von Wasser, Schiene und Straße zu kommen."
Olaf Ohlsen, Maritimer Koordinator der Hamburger CDU-Bürgerschaftsfraktion, gab zu bedenken, dass Hamburg dabei auf die politische Hilfe der Bundesregierung und der EU angewiesen ist: „Die Bundesregierung muss endlich erkennen, dass Häfen eine bundesdeutsche Aufgabe sind, dass die Häfen die nötigen Infrastrukturmaßnahmen nicht alleine bewältigen können. Daran arbeiten wir."
Klaus Lindner, Bundesfachgruppenleiter Häfen bei der Gewerkschaft ver.di, kritisierte die von der EU geplanten Konzessionen für Kaianlagen: „Wenn die Terminals ausgeschrieben werden sollten, wird das die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Häfen stark beeinträchtigen. Die Konkurrenz sorgt dafür, dass Investitionen aufgeschoben werden, die für die Zukunftssicherung wichtig sind. Das müssen wir verhindern."
Auch das starke Flottenwachstum sei problematisch, warnte Professor Dr. Burkhard Lemper vom ISL: „Vor allem bei Schiffen mit mehr als 10.000 TEU bleibt die Gefahr von Überkapazitäten bestehen."
Themenrunde Sicherheit
Um Terrorgefahr und Sicherheitsgesetze ging es in der Themenrunde Sicherheit. Dr. Andrea Berner vom Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz, sagte zur aktuellen Lage: „Deutschland steht im Fokus von Al-Quaida, das war bereits vor der Bundestagswahl bekannt. Nach den Anschlagshinweisen anderer Geheimdienste haben wir jetzt eine konkrete Gefahrenlage. Die Sicherheitsmaßnahmen wurden daher erhöht." Einig waren sich die Referenten, dass ein Spannungsfeld zwischen dem Anspruch der Bevölkerung nach Sicherheit und der Freizügigkeit des Warenverkehrs besteht - was in den Unternehmen zu Problemen bei den betrieblichen Abläufen führt.
Beispiel Anti-Terrorlisten: Sie listen verdächtige Firmen und Personen, mit denen kein Handel getrieben werden darf. Das führe jedoch in der Praxis zu großen Problemen, weil Namen falsch geschrieben und Investitionen nötig seien, so Andrea Baum vom Logistikdienstleister TCI: „Wir müssen jeden unserer Geschäftspartner überprüfen, jede Nacht lassen wir eine Million Daten durch unsere Software laufen. Herauskommen fünf Treffer im Jahr, bei denen wir eine Meldung machen und die Sendung stoppen."
Problematisch sind laut Michael Schrader, Leiter des Hauptzollamtes Waltershof, auch das geplante hundertprozentige Scanning der Container mit Ziel USA und die Anmeldung der Waren 24 Stunden vor der Ankunft - beides Maßnahmen, die den Warenverkehr transparenter machen sollen: „Um Probleme bei der Abfertigung und ein Ladeverbot zu vermeiden, sollte die Hafenwirtschaft versuchen, die Zollprozesse mit der Eingangsmeldung zu verzahnen und Kontrollen im Vorwege der Verladung durchzuführen."
Ulrich Dünnes von STI Security Training International, stellte einen Lösungsansatz für das Containerscanning vor: eine Risikoanalyse, bei der nach einem gründlichen Datenabgleich nur noch etwa drei bis fünf Prozent verdächtige Waren durchleuchtet werden müssten. Offen bleibt dabei jedoch die Frage, wer für die Kosten aufkommt: die Terminals, der Staat oder die Endverbraucher.
Themenrunde Personal
Die Themenrunde Personal diskutierte die Bedeutung einer attraktiven Arbeitgebermarke - vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und eines drohenden Fachkräftemangels. „An einem guten Arbeitsplatz vertraut man als Mitarbeiter denen, für die man arbeitet, ist stolz auf das, was man tut, und hat Freude an der Zusammenarbeit mit anderen", erklärte Claudio Ingendaay vom Great Place to Work Institute. „Ein Unternehmen braucht dafür ein ernsthaftes Interesse an der Mitarbeiterorientierung, eine Veränderungsbereitschaft im Management, Mut und praxisnahe Maßnahmen im Dialog mit den Mitarbeitern."
Hellmann Worldwide Logistics zum Beispiel setzt auf gute Arbeitsbedingungen und Motivation durch fordernde Aufgaben, Verantwortung, Karriereentwicklung und eine ausgewogene Work-Life-Balance. Personalchef Stefan Wimmer: „Wir haben eine neue Arbeitswelt geschaffen mit einem Free-Seating-Konzept, bei dem sich jeder Mitarbeiter morgens einen neuen Arbeitsplatz sucht. So sitzen die Führungskräfte bei ihren Mitarbeitern, die Teams mischen sich und der Austausch wird verbessert. Wir haben außerdem keine Arbeitszeitkontrolle, und alle Mitarbeiter können von zu Hause arbeiten."
Themenrunde REACh
Beim Thema REACh standen die Auswirkungen der neuen Chemikalienverordnung, die eine Anmeldung und Bewertung von Chemikalien vorschreibt, im Mittelpunkt. Dr. Silke Müller von der BLG Logistics Group sieht für die Hafenlogistik keine Probleme: „Als Umschlagsbetrieb müssen wir keine Chemikalien anmelden, das ist Aufgabe der Produzenten und Importeure."
Kerstin Heitmann von der Umco gab zu bedenken: „Logistikunternehmen sind zwar nicht direkt betroffen, aber durch unterschiedliche Importeur-Definitionen in den Verordnungen könnte es auch im Hafen schnell zu unerwarteten Konflikten kommen." Zum anderen sei es vorteilhaft, sich auszukennen, falls die Importeure Fragen haben. „Letztendlich muss aber jedes Unternehmen für sich entscheiden, ob es den Kunden vorher fragt, ob die Ware REACh entspricht, oder ob es das Risiko eingeht, später Probleme bei den betrieblichen Abläufen zu bekommen, falls REACh nicht eingehalten wurde", so Heitmann weiter.
Themenrund Umwelt
Grüne Logistik - ein Wettbewerbsfaktor oder nur ein Marketingtrick? In der Abschlussrunde Umwelt stellte Hanna Pötter die Umweltstrategie von Eurogate vor: eigene Blockheizkraftwerke und Holzhackschnitzelheizwerke, Wärmepumpen und Photovoltaikanlagen zur Energieerzeugung, dieselelektrische Antriebe und Hybrid-Vancarrier. „Wir versuchen, unsere Arbeit mit einem optimal möglichen Umweltschutz zu verbinden", sagte sie.
Gerhard Oswald von TFG Transfracht präsentierte den AlbatrosExpress als nachhaltiges Transportmittel der Zukunft: Schiene als ökologische Alternative zur Straße.
Die Autorin Kathrin Hartmann gab zu bedenken: „Eine Erhöhung des Warenhandels ist immer ressourcenintensiv und verbunden mit Eingriffen in die Natur und Luftverschmutzung. Die Frage ist doch: Wie viel Wachstum können wir uns noch leisten?" Auf die Nachfrage des Moderators Gernot Lobenberg, Geschäftsführer der Logistik-Initiative Hamburg, ob Logistikunternehmen überhaupt nachhaltig sein können, antwortete sie: „Wenn der Wettbewerbsdruck nicht aufhört - nein. Sinnvoll wären aber eine Verlagerung des Verkehrs auf Schiene und Binnenschiff und mehr Kooperationen statt Konkurrenz."
Die Veranstalter waren mit dem Kongress sehr zufrieden. ma-co-Geschäftsführer Gerrit Küther fasste zusammen: „Die moderierten Themenrunden haben sich als neues Konzept bewährt und die Teilnehmer aktiv eingebunden in die Diskussionen. Unser Ziel, den See-Hafen-Kongress als Kommunikationsplattform zu positionieren, wurde dadurch weiter gefördert." Ulf Ch. Inzelmann, Geschäftsführer von Umco, ergänzte: „Der See-Hafen-Kongress hat sich als Veranstaltung etabliert. Sponsoren und Teilnehmer waren sehr zufrieden. Voraussichtlich im April 2012 geht's weiter - beim 4. See-Hafen-Kongress."