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In Europas Chemieindustrie geht es langsam aufwärts

02.02.2010 -

Nachdem in allen Regionen die Wirtschaftsleistung deutlich zurückgegangen war, erreichte die schwerste Rezession seitdem zweiten Weltkrieg im ersten Quartal 2009 die Talsohle. Seither geht es wieder aufwärts - vor allem in Asien und Südamerika. Aber auch in den ­Industrieländern hat sich die Lage zuletzt verbessert. Das gilt auch für die Europäische Union. In zahlreichen Branchen stiegen Auftragseingänge und Produktion. Die Unternehmen blicken wieder zuversichtlicher in die Zukunft. Vor allem die Automobilhersteller und die Stahlindustrie können nach tiefem Fall nun auf einen Anstieg der Produktion im bisherigen Jahresverlauf zurückblicken. Die Konjunkturprogramme haben sicherlich zu dieser Stabilisierung beigetragen.

Auch bei der europäischen Chemieindustrie ging es wieder aufwärts. Die Produktion stieg im dritten Quartal 2009 zum zweiten Mal in Folge. Das Chemie-Exportgeschäft profitierte dabei von der konjunkturellen Erholung auf den Auslandsmärkten. Nach der rasanten Talfahrt der europäischen Wirtschaft fällt die Erholung aber schwach aus. Für das Gesamtjahr 2009 bleiben tiefrote Zahlen (Grafik 1). Die Wachstumsraten für 2010 müssen vor diesem Hintergrund relativiert werden. Es wird noch dauern, bis die Branche wieder an das Vorkrisenniveau anknüpfen kann - ­zumal Rückschläge nicht ausgeschlossen werden können.

Chemieproduktion steigt im dritten Quartal

Seit dem zweiten Quartal 2009 geht es mit der europäischen Chemieindustrie wieder aufwärts. Im dritten Quartal setzte sich die Erholung weiter fort. Im Vergleich zum Vorquartal konnte die Ausbringungsmenge erhöht werden. Aufgrund des Produktionseinbruchs gegen Ende des letzten Jahres lag das dritte Quartal 2009 jedoch noch immer 6,5 % unter dem entsprechenden Wert des Vorjahres. Die Belebung in der chemischen Industrie erfolgte auf niedrigem Niveau (Grafik 2).
Das Wachstum der letzten Quartale war vor allem auf die Produktionsausweitungen im Bereich der chemischen Grundstoffe sowie der Fein- und Spezialchemikalien zurückzuführen - Anorganika und Petrochemikalien legten im Vergleich zu den vorangegangenen drei Monaten um mehr als 3 % zu, die beiden anderen Sparten konnte ihre Produktion um 6 % bzw. 8 % ausweiten. Die Produktion der vergleichsweise konjunkturunabhängigen Pharmazeutika blieb auf hohem Niveau.
Im Vorjahresvergleich fielen angesichts des konjunkturellen Absturzes Ende letzten Jahres die Wachstumsraten wenig erfreulich aus: Die Produktion von anorganischen Grundstoffen und Polymeren lag im bisherigen Jahresverlauf mehr als 20 % niedriger. Die Produktion von Petrochemikalien büßte im selben Zeitraum fast 17 % ein. Bei den Konsumchemikalien war der Rückgang mit 8 % ­weniger drastisch, denn Wasch- und Körperpflegemittel werden auch in Krisenzeiten weiter ­benötigt. Die Chemie im engeren Sinne, d. h ohne Pharma, lag im bisherigen Jahresverlauf 16,3 % unter Vorjahr. Nur dank der positiven Entwicklung in der Pharmasparte konnte die chemisch-pharmazeutische Industrie in Europa das Minus im bisherigen Jahresverlauf auf 8 % begrenzen (Grafik 3).

Verfall der Chemikalienpreise gestoppt

Nachdem die Erzeugerpreise im dritten Quartal 2008 ihren Zenit überschritten hatten, sind sie in den folgenden Perioden Quartal für Quartal gefallen. Dieser Rückgang scheint nun abgeschlossen, denn die Chemie-Erzeugerpreise legten vor dem Hintergrund steigender Rohstoffkosten und einer anziehenden Chemienachfrage wieder zu - wenngleich nur leicht und auf niedrigem Niveau. Aufgrund der immer noch schwachen Nachfrage war der Spielraum für Preiserhöhungen zuletzt gering. Folglich lagen die Erzeugerpreise im dritten Quartal 2009 fast 5 % tiefer als im dritten Quartal 2008 (Grafik 4).

Umsätze steigen wieder

Zwar verfehlten die europäischen Chemieunternehmen im dritten Quartal 2009 das Umsatzniveau des Vorjahres um mehr als 12 %. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Geschäfte seit April wieder besser laufen. Im dritten Quartal verzeichneten die Branchenumsätze gegenüber Vorquartal ein Plus in Höhe von 5,5 %, nachdem sie bereits im Vorquartal leicht zulegen konnten (Grafik 5). Bei insgesamt stabilen Preisen zog das Mengengeschäft deutlich an.
Der Aufwärtstrend erfasste sowohl das Inlandsgeschäft als auch die Exporte. Das Auslandsgeschäft entwickelte sich mit einem Plus von 9 % besser als die innereuropäischen Verkäufe. Sie kletterten im dritten Quartal um 4,5 %. Die konjunkturelle Erholung hatte in Asien zügig eingesetzt. Die Nachfrage nach Chemikalien aus der EU war entsprechend hoch. Aber nicht nur die asiatischen Länder - inklusive Japan - fragten verstärkt Chemikalien aus Europa nach. Auch die Exporte in die USA konnten im bisherigen Jahresverlauf leicht zulegen. Die konjunkturunempfindlichen Pharmaexporte wirkten sich hier stabilisierend aus.

Mühsame Erholung

In der ersten Jahreshälfte hat die europäische Chemieindustrie die Trendwende geschafft. Die Talfahrt wurde gestoppt. Die Unternehmen begannen mit dem mühsamen Anstieg. In den Grundstoffsparten, die besonders starke Einbrüche zu verzeichnen hatten, wurde die Produktion zuletzt wieder deutlich ausgedehnt. Auch in den anderen Chemiesparten war der Aufwärtstrend zuletzt spürbar. Die Branche profitierte dabei von einer allmählichen ­Erholung des verarbeitenden Gewerbes. Wegen niedriger Lagerbestände führte die leichte Ausweitung der Industrieproduktion zu einem Anstieg der Chemikalienbestellungen. Vieles spricht dafür, dass die europäische Chemieindustrie das Schlimmste hinter sich hat. Die schwierige Lage ist aber noch nicht ausgestanden. Die Kapazitätsauslastung bleibt niedrig. Es wird noch einige Zeit dauern, bis das Vorkrisenniveau wieder erreicht werden kann. Rückschläge sind nicht auszuschließen. Labile Finanzmärkte oder ein massiver Anstieg der Arbeitslosigkeit in der Europäischen Union könnten die Erholung gefährden. Nach dem schlechten Jahresbeginn wird die Produktion der Branche im Gesamtjahr 2009 immer noch 6 % unter dem Niveau des Vorjahres liegen. Erst im Jahr 2010 können wieder positive Wachstumsraten erreicht werden.