Investitionsstrategie der mittelständischen Chemie- und Pharmaindustrie
Ergebnisse der 14. Studie der Commerzbank-Mittelstandsinitiative Unternehmerperspektiven
Obwohl die deutsche Volkswirtschaft prosperiert und bedeutender Wachstumstreiber in der Eurozone ist, mehren sich Stimmen, die fordern, das gute Klima für mehr Investitionen zu nutzen. Grund genug, danach zu fragen, wie zukunftsfähig der Mittelstand aufgestellt ist: Gibt es einen Investitionsstau? Wie steht es um den unternehmerischen Mut nach den Krisenerfahrungen der vergangenen Jahre? Zu diesem Thema wurden über 4.000 Unternehmer - darunter 163 aus der Chemie- und Pharmaindustrie - im Rahmen der 14. Studie der Mittelstandsinitiative Unternehmerperspektiven befragt.
Nach den Ergebnissen der Studie verfolgen die meisten Unternehmen aus der chemischen und pharmazeutischen Industrie (55 %) eine ausgeglichene Strategie und investieren gleichermaßen in den Erhalt und in das Wachstum des Betriebs (Grafik 1). Bei 24 % überwiegt der Substanzerhalt, 6 % investieren sogar ausschließlich in den Erhalt der vorhandenen Strukturen. Zusammengenommen agieren also 30 % der Unternehmen eher konservativ. Offensive und explizit wachstumsorientierte Unternehmensstrategien sind auch in der chemischen und pharmazeutischen Industrie eher eine Ausnahme: Nur 14 % der Befragten geben an, dass sie bei der Gewichtung der Investitionen einen klaren Fokus auf Wachstum legen. Die meisten mittelständischen Unternehmen halten ihre Investitionen für ausreichend und zielführend. Ein Investitionsstau besteht aus ihrer Sicht nicht.
Rohstoff- und Energiepreise als Investitionsbremsen
Gut ein Viertel der Unternehmen aus der chemischen und pharmazeutischen Industrie berichtet, dass eigene wirtschaftliche Probleme Investitionen erschweren (Grafik 2). Die meisten Unternehmen scheinen also finanziell gut aufgestellt. Investitionsentscheidungen werden allerdings durch viele externe Faktoren behindert. Die beiden Branchen sind von Rohstoff- und Ressourcenmangel überdurchschnittlich stark betroffen: 68 % der Unternehmen - plus 23 Prozentpunkte im Vergleich zum gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt - klagen über steigende oder schwankende Rohstoff- und Energiepreise.
Unsichere gesamtwirtschaftliche Rahmenbedingungen nennen 42 % als Investitionsbarriere. Der Mangel an geeigneten Fachkräften ist ebenfalls eine Herausforderung, allerdings spielt er im Vergleich zu anderen Branchen eine eher untergeordnete Rolle. Er behindert Investitionen aber bei immerhin 36 % der mittelständischen chemischen und pharmazeutischen Industriebetriebe.
Auch die politischen Rahmenbedingungen werden kritisiert: 33 % der Unternehmen nennen komplexe behördliche Genehmigungsprozesse, 31 % unsichere gesetzliche Rahmenbedingungen als Investitionsbarriere.
Branche beklagt hohe Planungsunsicherheit
Trotz anhaltender Unsicherheit im Umfeld hat sich die Grundstimmung im Mittelstand in den letzten zwei Jahren deutlich gewandelt. Die Bereitschaft, langfristigere Entscheidungen zu treffen und die entsprechenden Risiken einzugehen, ist seit 2012 überdurchschnittlich gestiegen (Grafik 3). Heute plädiert eine klare Mehrheit der Unternehmen (61 %) für eine langfristig angelegte Unternehmensplanung. Lediglich 33 %, und damit deutlich weniger als 2012, bleiben dabei, auf Sicht zu fahren, kurzfristig zu planen und flexibel zu entscheiden.
Investitionen in Anlagen und Patente überwiegen
Die Unternehmen aus der chemischen und pharmazeutischen Industrie kümmern sich intensiv um den Erhalt und die Modernisierung der Unternehmenssubstanz (Grafik 4). Sie investieren fast durchgängig in ihre Maschinen- und Produktionsanlagen, in die IT- und TK-Infrastruktur, die Büro- und Betriebseinrichtung, in den Fuhrpark wie auch in Lizenzen, z.B. für Software. Beim Thema Patente ist die Branche überdurchschnittlich aktiv: 42 % der Unternehmen investieren in den Schutz ihrer Produkte. Relativ selten stehen hingegen Investitionen in strategische Unternehmensbeteiligungen auf der Agenda. Besonders wachstumsorientierte und innovative Unternehmen schmieden hingegen öfter strategische Allianzen und entwickeln Innovationen offenbar häufig im Netzwerk.
Wirtschaftliche Megatrends: mehr Risiken als Chancen
Die Unternehmen aus der Chemie- und Pharmabranche sehen nicht durchgängig Potenzial in wirtschaftlichen Megatrends. Die vergleichsweise größten Chancen, aber auch viel Investitionsbedarf vermuten sie in der übergreifenden Digitalisierung aller Lebensbereiche (Grafik 5). Der digitale Wandel der Fertigungstechnik (Industrie 4.0) ist ein wichtiges Zukunftsthema, das noch nicht in der Breite der Branche angekommen ist.
Internationalisierung hat für die Branche eine überdurchschnittliche Bedeutung. Die weiteren Potenziale im Handel mit BRIC-Staaten, Schwellenländern und durch das geplante Freihandelsabkommen werden allerdings durchaus zurückhaltend bewertet. Sie können nur durch entsprechende investive Anstrengungen gehoben werden.
Die Risiken der großen Trends sind den Unternehmen präsenter (Grafik 6). Die Energiewende steht primär für Investitionsbedarf und nur in Ausnahmen auch für Geschäftspotenziale. Weitere investive Belastungen werden aufgrund von Fachkräftemangel und demografischem Wandel erwartet. Ein pauschal gewinnbringender Megatrend als starker branchenspezifischer Innovations- und Investitionstreiber ist nicht in Sicht.
„Der deutsche Mittelstand ist risikobereiter als vor zwei Jahren."
Markus Beumer, Mitglied des Vorstands, Commerzbank
CHEManager: Herr Beumer, wie geht es dem deutschen Mittelstand?
M. Beumer: Die Lage im Mittelstand ist so gut wie lange nicht mehr. Die Unternehmen sind zuversichtlich, die deutsche Wirtschaft hat Fahrt aufgenommen, auch in anderen Ländern hellen sich die Konjunkturaussichten auf. Hohe Löhne und hohe Beschäftigung beleben den privaten Verbrauch und den Wohnungsbau - und auch der Export entwickelt sich gut. Die Unternehmen sind gut aufgestellt. Laut Bundesbank ist die bilanzielle Eigenkapitalquote zwischen den Jahren 2000 und 2012 um 8,5 Prozentpunkte auf durchschnittlich 27,5 % gestiegen. Je nach Branche liegen sie teilweise deutlich darüber.
Das klingt nach guten Bedingungen für Investitionen?
M. Beumer: Nein, denn ein zweiter Blick zeigt, dass die gute Lage auch ihre Schattenseiten hat: Deutsche Unternehmen sparen - nicht erst seit gestern, sondern schon seit Einführung des Euro. Trotz anhaltend niedriger Zinsen ist der Mittelstand sehr vorsichtig mit Investitionen. Aus der Erfahrung wissen wir, dass niedrige Zinsen Unternehmen nicht dazu animieren, Kredite für Investitionen aufzunehmen, wenn sie nicht ganz klare Notwendigkeiten dafür sehen. Planungsannahmen, erwarteter Output und Rahmenbedingungen müssen stimmen.
Viele Unternehmen nutzen derzeit ihre eingeräumten Kreditlinien nur teilweise. Der Anteil der Investitionen am Bruttoinlandsprodukt sinkt stetig und liegt hinter dem anderer Länder zurück. Wir beobachten, dass Unternehmen offensichtlich zu wenig attraktive Investitionsprojekte im Inland sehen und deswegen zunehmend Geld im Ausland anlegen - oft auf Kosten erhöhter Risiken und der möglichen Rendite. Export- und Leistungsbilanzüberschüsse werden nicht im eigenen Land reinvestiert. Die Bedingungen für Investitionen scheinen nicht optimal zu sein - und müssten verbessert werden.
Welchen Trend beobachten Sie bei den Investitionen des Mittelstands?
M. Beumer: Die gute Nachricht: Der Mittelstand plant wieder häufiger langfristig und ist grundsätzlich risikobereiter als noch vor zwei Jahren. Insgesamt votieren 53 % aller mittelständischen Unternehmen für eine langfristig angelegte Unternehmensplanung, 42 % ziehen es vor, auf Sicht zu fahren, kurzfristig zu planen und flexibel zu entscheiden. In einer Studie von 2012 war die Verteilung noch nahezu umgekehrt. Die nachdenklich stimmende Nachricht: Viele Unternehmen haben sich auf einem niedrigen investiven Niveau eingerichtet, und machen unberechenbare Rahmenbedingungen für die Zurückhaltung verantwortlich. Das gilt vor allem für unabdingbare Investitionen in Wachstum.
Die Fragen stellte Dr. Andrea Gruß.
Mehr zur Investitionsstrategie der mittelständischen Chemie- und Pharmaindustrie lesen Sie in der ausführlichen Branchenauswertung der 14. Unternehmerperspektiven-Studie „Vorsicht versus Vision: Investitionsstrategien im Mittelstand"
Zuvor veröffentlichte Studien der Commerzbank, über die in CHEManager berichtet wurden, finden Sie hier!
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