“Grüne” Gase
Energie einsparen und Ressourcen schonen mit Technischen Gasen
Air Liquide ist Weltmarktführer bei Gasen für Industrie, Medizin und Umweltschutz sowie damit verbundener Dienstleistungen. bietet den Anwendungstechnische Unterstützung erhalten die Tochtergesellschaften der Air Liquide von der Altec GmbH in Krefeld im engen Verbund mit drei weiteren europäischen Altec-Zentren sowie den Zentren in USA/Kanada, China, Brasilien und Afrika/Mittlerer Osten. Die Schwerpunkte sind: Lebensmittel, Glas/Metallurgie, Wassertechnik, Chemie und industrielle Kryotechnik. Dr. Michael Reubold befragte Horst Albinger, Geschäftsführer und Direktor von Altec Europe, zu den aktuellen Projekten, die sein Team bearbeitet.
CHEManager: Herr Albinger, Technische Gase erzielen in der Regel erst durch ausgereifte Anwendungsverfahren einen Mehrwert für die Kunden. Welchen Stellenwert hat Anwendungstechnik bei Air Liquide?
H. Albinger: Die Anwendungstechnik hat einen sehr hohen Stellenwert bei Air Liquide und da die Anforderungen unserer Kunden ebenso wie die Forderungen an die Umweltverträglichkeit stetig steigen wird auch die Bedeutung der Anwendungstechnik weiter zunehmen.
Technische und medizinische Gase sind heute in fast allen Produktionsprozessen sowie in Wissenschaft und Forschung von entscheidender Bedeutung. Mit innovativen Lösungen für effizientere Prozesse und höhere Produktqualitäten unterstützen wir unsere Kunden dabei, ihre Ziele im Markt zu erreichen. Sicherheit, Umweltverträglichkeit und Zuverlässigkeit sind hier natürlich wesentliche Voraussetzungen. Möglich ist das aber nur mit sehr spezialisierten Ingenieuren mit langjähriger Erfahrung, die im internationalen Verbund arbeiten. Darüber hinaus stehen wir im engen Kontakt mit den F&E-Zentren der Air Liquide-Gruppe. Erfolgreiche Technologien wollen wir weltweit anbieten und natürlich nicht das Rad zweimal erfinden.
Technische Gase sind in Verfahren, die Produktionsprozesse nachhaltiger und umweltfreundlicher machen, unentbehrlich. Für welche Anwendungen laufen gegenwärtig bei Altec schwerpunktmäßig Projekte?
H. Albinger: Ein wichtiges Thema ist heute die Einsparung von Primärenergie. Unsere neuentwickelten, patentierten Ultraschall-Sauerstoffbrenner erhöhen z.B. den Durchsatz in der Abwasserverbrennung, sodass Heizöl oder Erdgas eingespart werden. Nach ersten Versuchen bei unseren Kunden in der Chemieindustrie Ende 2008 sind bereits mehrere Anlagen in Deutschland und Finnland installiert oder in der Vorbereitung. „Time to Market" ist eine unserer Stärken, da wir gerade Neu- und Weiterentwicklungen immer auch gemeinsam mit Kunden vorantreiben.
Patentierte Sauerstoffverfahren werden auch bei der thermischen Spaltung von Abfallschwefelsäure eingesetzt, um die Produktivität der Spaltanlagen zu erhöhen und den Energieverbrauch zu reduzieren
Ein anderes Beispiel ist Kohlendioxid als alternatives Treibmittel bei der Herstellung von Polymerschäumen z.B. für die Gebäudeisolierung. Entscheidend für viele Verfahren, die mit CO2 arbeiten, ist die Verfügbarkeit von zuverlässigen Hochdrucksystemen - bei CO2 nicht ganz einfach zu realisieren. Wir haben uns ein bislang einzigartiges Versorgungssystem patentieren lassen, das hohe Zuverlässigkeit im Dauerbetrieb sichert. Diese Stärke war auch ausschlaggebend für die Entscheidung eines großen Automobilherstellers, seine nasschemische Powerwash-Anlage für Kunststoffteile auf eine CO2-Schneestrahlanlage umzustellen. Der Verbrauch an Energie, Wasser und Lösungsmittel verringert sich, die Gefahr der Medienverschleppung in den Lackierprozess besteht nicht mehr.
Eine andere Herausforderung ist die Wasserbehandlung - für Trinkwasser ebenso wie für Abwässer. Viel diskutiert wird derzeit der Abbau von endokrinen Stoffen im Trinkwasser. Dies sind z.B. Spuren von Pharmaka. Wir arbeiten derzeit gemeinsam mit der Forschung und Entwicklung von Air Liquide an einem effizienten und wirtschaftlichen Verfahren, diese Spuren durch Ozoneinsatz zu eliminieren. Ozon hilft auch dabei, Abwässer der Chemie oder Papierindustrie mit schwer abbaubaren Stoffgruppen aufzubereiten. Danach ist das Abwasser dazu geeignet, in konventionellen Kläranlagen weiter biologisch gereinigt zu werden.
Welche Rolle können Technische Gase noch spielen, um dem Klimawandel entgegen zu wirken und Ressourcen zu schonen?
H. Albinger: Sicherlich eine bedeutende und weiter wachsende Rolle. Bereits heute erzielt Air Liquide fast 40 % der Konzernumsätze mit Verfahren, die dem Schutz oder dem Erhalt von Leben und Umwelt dienen.
Grundlagenforschung und größere Entwicklungsvorhaben sind allerdings nicht unsere Aufgabe bei Altec. Daran arbeiten unsere Kollegen in den Air Liquide-Forschungszentren in Paris, USA, Japan und neuerdings auch in China sowie bei der Tochtergesellschaft Lurgi. Ressourcenschonung und Reduzierung des CO2-Ausstoßes sind dabei zentrale Themen. Beispiele hierfür sind das CO2 Capture and Storage-Verfahren bei dem das entstehende CO2 abgetrennt und verdichtet wird, um es dann unterirdisch zu lagern. Oder die Entwicklung neuer Technologien für die Herstellung von Biokraftstoffen durch Lurgi.
Eine Vielzahl von sehr unterschiedlichen ökologischen und wirtschaftlichen Verfahren sind zwar heute schon weit verbreitet, werden aber ständig weiterentwickelt, um die Effizienz zu steigern oder die Anwendung neuer Produkte zu ermöglichen.
Haben Sie hierfür Beispiele?
H. Albinger: Ein gängiges Verfahren ist z.B. das kryogene Recycling von Verbundwerkstoffen wie Altreifen, Kunststoffen oder auch Elektronikbauteilen. Wir erwarten gerade hier in den nächsten Jahren einen weiteren Nachfrageschub aufgrund steigender Rohstoffpreise und strengerer Auflagen für Abfälle. In unserem Technischen Zentrum in Krefeld betreiben wir eine solche Recyclinganlage mit unterschiedlichen Mühlen. Dies hilft natürlich unseren Kunden und uns entscheidend, die technische und wirtschaftliche Machbarkeit für den jeweiligen Werkstoff zu prüfen.
Kühlaggregate für temperaturgeführte Transporte werden i.d.R. mit Dieselmotoren betrieben. Im Verteilerverkehr mit häufigen Türöffnungen ist die Kühlleistung oft nicht zufriedenstellend. Aber auch die CO2-Emission der Antriebsmotoren sowie die Verluste des Kältemittels sind erheblich. Durch den Einsatz von Kühlanlagen, die mit flüssigem Stickstoff arbeiten, werden beide Treibhausgase eliminiert. Die Gesamtbilanz - also unter Berücksichtigung der Energie für Erzeugung und Transport des Stickstoffs - ist deutlich positiv. Und leise ist unsere Kühlung auch noch.
In der chemischen und pharmazeutischen Industrie kommen Technische Gase und deren spezifische Anwendungen an vielen Stellen zum Einsatz. Welche neuen Verfahren dienen hier der Effizienz- und Qualitätssteigerung und der Ressourcenschonung?
H. Albinger: Die bei Produktion von Arzneimitteln eingesetzten Gase müssen die Richtlinien des EU-Arzneibuchs erfüllen. Daher bietet Air Liquide unter dem Markennamen Phargalis Pharmagase und entsprechende Serviceleistungen an, welche die Sicherheit validierter Prozesse bieten.
Ein aktuelles Thema, an dem wir gemeinsam mit dem Bereich F&E arbeiten, ist die Optimierung von Fermentationsprozessen mit reinem Sauerstoff. Eine Intensivierung aerober Fermentationsprozesse scheitert bisher häufig daran, dass die Mikroorganismen nicht ausreichend mit gelöstem Sauerstoff versorgt werden können. Nach umfangreichen Tests haben wir mit dem Sauerstoff-Boosting bereits Ertragssteigerungen von über 50 % erzielt. Weitere Vorteile: erheblich weniger Stress für die Organismen sowie eine deutliche Energieeinsparung im Gesamtprozess.
Die Abluft aus chemischen Prozessen ist häufig mit unterschiedlichen Kohlenwasserstoffen belastet. Hier bietet sich die Kryokondensation mit flüssigem Stickstoff an. In vielen Fällen ist sie ökologisch und wirtschaftlich sinnvoller als Absorptions- und Adsorptionsverfahren. Wir sehen hier noch Potenzial für höhere Effizienz und geringeren Stickstoffverbrauch.
Verfahren und Anwendungen technischer Gase sind auch in der Lebensmittel- und Getränkeherstellung unersetzlich. Welche Anforderungen oder Wünsche bei der Entwicklung neuer Verfahren stellen Ihre Kunden an Sie?
H. Albinger: Verbraucher bevorzugen heute immer mehr frische Produkte und „natürliche" Lebensmittel ohne Zusatz von Konservierungsstoffen. Gleichzeitig sollen Lebensmittel aber auch möglichst lange haltbar sein. Außerdem sehen wir den Trend zu Fertiggerichten sowie Produkten mit funktionellem Zusatznutzen, und das Ganze auch in einer attraktiven Verpackung. Die Hersteller benötigen dazu dem Produkt oder der Verpackung angepasste Schutzgase. Hier steigt der Beratungsbedarf.
Die Nachfrage nach stark karbonisierten, d.h. mit Kohlendioxid versetzten Getränken geht zugunsten von leicht karbonisierten und stillen Getränken zurück. Aber der Einsatz von Stickstoff in Vorrattanks bei der Produktion und insbesondere während der Abfüllung von Getränken steigt. Stickstoff wird aufgrund seiner inerten Eigenschaften für den Sauerstoffentzug aus Flüssigkeiten, zum Inertisieren von Tanklagern sowie für die Druckstabilisierung von PET-Behältern eingesetzt. Stickstoff zum Schutz vor oxidativen Prozessen gewinnt auch deshalb zunehmend an Bedeutung, da die in neuartigen funktionellen Getränken enthaltenen wertgebenden Inhaltsstoffe wie z.B. Vitamine vor Oxidation geschützt werden müssen.
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