Dr. Jost Bohlen von FIZ Chemie im Interview
Nicht nur eine Frage der Zeit
In einem von der DFG geförderten Projekt haben das FIZ Chemie, die Technische Informationsbibliothek (TIB) und die Universität Paderborn untersucht, welche Voraussetzungen geschaffen werden müssen, um primäre Analyse- und Messdaten aus chemischen Experimenten und Untersuchungen einer breiten wissenschaftlichen Öffentlichkeit zur Nach- und Weiternutzung zur Verfügung stellen zu können (s. nebenstehenden Beitrag). Um zu erfahren, was aus den Ergebnissen dieser Studie gemacht wird, befragte CHEManager Dr. Jost Bohlen, Leiter der Abteilung Produktentwicklung und Internet bei FIZ Chemie.
Herr Dr. Bohlen, ist das Thema der Primärdaten-Nachnutzung neu?
Dr. J. Bohlen: Der nachhaltige Umgang mit Forschungsprimärdaten gerät weltweit immer stärker in den Fokus und ist in den verschiedenen Disziplinen sehr unterschiedlich fortgeschritten. Unstrittig ist, dass der Umgang mit den oft sehr teuer erworbenen oder einmaligen Daten in den meisten Disziplinen verbesserungsbedürftig ist. In Deutschland beschäftigt sich aktuell die Schwerpunktinitiative „Digitale Information" der Allianz-Partnerorganisationen wie auch die Kommission „Zukunft der Informationsinfrastruktur" im Auftrag der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz des Bundes und der Länder GWK mit der Thematik. Sowohl Dr. Irina Sens von der TIB als auch ich sind Mitglieder in den jeweiligen Arbeitsgruppen zu Forschungsdaten.
Was wird der nächste Schritt sein?
Dr. J. Bohlen: Die Allianz hat bereits ein Grundsatzpapier zum Umgang mit Forschungsdaten verabschiedet. Insofern wird es in der Zukunft eine sehr viel größere Zahl disziplinspezifischer, aber interoperabler Repositorien für Forschungsdaten geben. Auf dem Weg dorthin planen wir, zunächst in Zusammenarbeit mit der TIB, der GDCh und präparativen Arbeitsgruppen, einen Prototypen für die Chemie mit den wichtigsten spektroskopischen Verfahren zu entwickeln. Hierbei geht es vor allem um Werkzeuge und Hilfsmittel für eine möglichst einfache Hinterlegung und Beschreibung der Daten und eine Verknüpfung mit dem klassischen Publikationsprozess. Die Forschenden sollen so wenig wie möglich zusätzlich belastet werden. Wir streben an, sie bei ihrer Arbeit so weit wie möglich zu unterstützen und ihnen die Datenpflege so gut es geht zu vereinfachen. Allerdings sollen die Daten nicht nur aufbewahrt werden, sondern zitierbar und für andere nachnutzbar zur Verfügung stehen, d.h. sie müssen mit Metadaten, Strukturen, DOI etc. so beschrieben sein, dass sie für Dritte auffindbar und interpretierbar sind. Diese Beschreibungs- und Suchfunktionen sollen für den Prototypen realisiert werden, hierzu wurde eine Projektförderung aus Mitteln des Paktes für Forschung und Innovation seitens der TIB beantragt.
Und aus dem Prototypen soll dann ein Langzeitarchiv entstehen?
Dr. J. Bohlen: Der Prototyp, bei dem Aspekte der Langzeitarchivierung lediglich konzeptionell berücksichtigt sind, soll dann zunächst mit den Nutzern weiterentwickelt und allgemein zugänglich werden. In welcher Form daraus eine permanente Infrastruktur entstehen wird, die auch den Kriterien eines Langzeitarchivs gerecht wird, ist nicht zuletzt abhängig von den Ergebnissen der bereits erwähnten Gremien. Die GWK wird auch den Wissenschaftsrat noch um eine Stellungnahme zu den im Frühjahr 2011 vorzulegenden Empfehlungen bitten. Sicher ist, dass es die erforderlichen Archive nicht zum Nulltarif geben wird, dass eine langfristige Infrastruktur nicht aus Projektmitteln unterhalten werden kann und dass die Frage der Finanzierung noch völlig ungeklärt ist.
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