Simulieren und reduzieren
Eine Woche im Leben einer Spezialistin für Verbrennungsmotoren
Dieser Artikel stellt die Simulationswerkzeuge vor, mit deren Hilfe chemische Prozesse besser verstanden und Vorhersagen einfacher getroffen werden können.
Wenn einige der größten KFZ-Hersteller der Welt derart Probleme haben, die Emissionsgrenzwerte einzuhalten, muss diese Aufgabe tatsächlich sehr schwierig sein. Emissionen sind Nebenprodukte chemischer Prozesse, und um gesetzeskonforme Autos entwickeln zu können, müssen diese Prozesse und die zu Grunde liegenden Reaktionspfade möglichst gut verstanden werden.
Darf ich vorstellen: Jane!
Jane arbeitet seit Kurzem bei CombustionCorp, einer Firma, die erst seit kurzer Zeit Computational Fluid Dynamics (CFD) für die meisten ihrer Entwicklungsaufgaben einsetzt, bspw. für die Konstruktion von Brennkammern. Janes erste Aufgabe ist es, einen Gasbrenner für Erdgas zu untersuchen und zu optimieren. Mit Hilfe von Star-CCM+ kann sie Geometrie und physikalische Gegebenheiten schnell definieren. Da vom Management ein enger Zeitplan vorgegeben ist, entschließt sie sich dafür, die Simulation einfach zu halten und nur eine Gesamtreaktion mit Hilfe des Standard-Eddy Break Up (EBU)-Verbrennungsmodell zu modellieren. Sie berechnet ein Strömungs- und Temperaturfeld und verifiziert, dass die Ergebnisse akkurat sind. Im nächsten Schritt wechselt sie zu Optimate+ und ist damit in der Lage, schnell und automatisiert das Design des Brenners zu verbessern, indem sie die Platzierung der Einspritzdüse optimiert.
Einige Tage später wird sie von einem Wissenschaftler des Labors unterrichtet, dass ihr Brenner sich beim Betrieb mit unterschiedlichen Gasqualitäten sehr unterschiedlich verhält. Sie überlegt sich, ob ein komplexerer Ansatz besser gewesen wäre, und stellt Fragen…
Warum ändert sich das Brennerverhalten bei unterschiedlichen Gasqualitäten?
Unterschiedliche Erdgasqualitäten enthalten unterschiedliche Anteile höherer Kohlenwasserstoffe. Qualitativ hochwertiges Erdgas besteht vor allem aus Methan, während minderwertigeres Erdgas einige Prozent Ethan, Propan und Butan enthält. Größere Kohlenwasserstoffe reagieren viel leichter als Methan, weshalb minderwertigeres Erdgas sich schneller entzündet.
Wie beeinflusst die frühe Entzündung das Gesamtverbrennungsverhalten?
Um dies zu verstehen, untersucht Jane die chemischen Abläufe in einer isolierten Umgebung ohne Einfluss von Strömungsfeldern. Sie erkennt, dass sie dafür Dars nutzen kann. Dars ist eine eigenständige Lösung von CD-adapco für die Analyse von chemischen Reaktionen in idealisierten 0D- und 1D-Reaktoren. Die Software kann chemische Reaktionsmechanismen lesen und analysieren, etwa für die Verbrennung von Kohlenwasserstoffen und katalytische Prozesse in Abgasnachbehandlungssystemen.
Jane startet Dars und lädt den Standardreaktionsmechanismus für Erdgas, der mit Dars geliefert wird. Danach verbindet sie einige Reaktoren zum geladenen Mechanismusmodul:
- Freely propagating Flame (sich frei ausbreitende Flamme): Dieses Modul berechnet die laminare Geschwindigkeit der Flamme, was eine wichtige Größe für die Ausbreitung der Flammenfront und damit des Ablaufs der Verbrennung ist. Das Modul berechnet zudem die Stoffprofile und die Temperaturen in der Flamme.
- Constant Pressure (Konstanter Druck): Dieses Modul berechnet die Zeitverzögerung der Zündung sowie die Stoffprofile und die thermodynamischen Eigenschaften der Selbstentzündung unter konstantem Druck. Zudem lassen sich damit die erzeugten Emissionen simulieren.
- Flamelet-Library (Flamelet-Bibliothek): Das Modul errechnet die Stoff- und Temperaturprofile in einer Diffusionsflamme sowie die Grenze, bei der die Verbrennung verlöscht.
- Equilibrium: Dieses Modul berechnet die Stoffzusammensetzung und Temperatur im thermodynamischen Gleichgewicht.
In jedem der Dars-Module simuliert Jane zwei Erdgasqualitäten:
- Reines Methan zur Simulation eines sehr hochwertigen Erdgases,
- Methan mit einer wenige Prozent großen Beimischung größerer Kohlewasserstoffe (C2-C4).
Zunächst berechnet sie die laminare Geschwindigkeit der Flamme für eine Reihe von Äquivalenzverhältnissen. Die laminare Flammengeschwindigkeit ist die Geschwindigkeit einer frei brennenden Flamme unter vorgemischten Bedingungen. Sie findet, dass die schlechtere Erdgasqualität eine um etwa 1 cm/s höhere Geschwindigkeit besitzt. Sie denkt nach, ob dieser Umstand für ihre Konstruktion relevant ist.
Was bedeutet eine höhere Flammengeschwindigkeit für den Verbrennungsraum?
Jane erkennt, dass dadurch Flammrückschläge auftreten können. Sie findet zudem heraus, dass bei sehr mageren Mischungsverhältnissen das reine Methan etwa 14 % langsamer ist als das geringwertigere Erdgas, was bedeutet, dass das höherwertige Erdgas im mageren Bereich eine höhere Neigung zum Erlöschen hat.
Um das Verhalten bei Diffusionsverbrennung zu verstehen, berechnet sie Flamelet-Bibliotheken für jede Gaszusammensetzung. Ein Flamelet ist eine idealisierte laminare Diffusionsflamme, eine Flamelet-Bibliothek eine Sammlung für verschiedene Dissipationsgeschwindigkeitsraten beziehungsweise Mischraten. Sie beobachtet, dass die Maximaltemperatur der Flamelets unter hohen Dissipationsgeschwindigkeiten bei der minderwertigen Gasmischung um etwa 30K höher ist. Dies führt dazu, dass die Gasflamme bei hochwertigem Gas stärker in Gefahr ist, zu verlöschen. Die Dissipationsgeschwindigkeit beim Verlöschen ist 41/s für das höherwertige und 35/s für das niederwertige Gas. Die Dissipationsgeschwindigkeit beim Verlöschen ist die Mischrate, bei der die Diffusionsflamme ausgeblasen wird. Das bedeutet, dass ein Verlöschen bei höherwertigem Gas wahrscheinlicher ist.
Jane berechnet die Zündverzugszeiten, um die Entzündlichkeit und die Neigung zu Frühzündungen in der Mischzone der Brenners zu untersuchen. Sie erzeugt ein Parameterset (in Dars multi-run genannt) mit Methan als Brennstoff, das den gesamten Bereich der Gas-Luft-Äquivalenzverhältnisse bei gegebener Einlasstemperatur und Umgebungsdruck abdeckt. Nach wenigen Sekunden sind die Rechenläufe abgeschlossen und sie kann die Entzündung der Mixtur untersuchen. Sie bemerkt, dass die Zeit bis zur Entzündung bei minderwertigem Gas etwa 25 % kürzer ist, was ein erhöhtes Risiko für Frühzündungen in der Mischzone ergibt.
Anhand der Gleichgewichtsberechnungen findet sie heraus, dass die adiabatische Flammtemperatur des minderwertigeren Erdgases etwa 5K höher ist als die des höherwertigen Erdgases. Sie versteht, dass auch kleine Veränderungen in der Zusammensetzung des Gases Auswirkungen auf den Ablauf der Verbrennung haben und dass sie CFD-Berechnungen nutzen muss, um den Effekt auf das Verhalten des Brenners quantifizieren zu können. Sie muss eine Strategie entwickeln, wie dies umzusetzen ist und fragt sich…
Wie berücksichtigt man verschiedene Gaszusammensetzungen in der CFD-Berechnung?
Jane erkennt, dass sie dazu das Flamelet Generated Manifold (FGM)-Modell in Star-CCM+ nutzen kann, das eine vollständige detaillierte Chemie berücksichtigt ohne die Rechengeschwindigkeit negativ zu beeinflussen. Der Einfluss der verschiedenen Gasqualitäten wird berücksichtigt, indem für jedes Gasgemisch eine eigene FGM-Bibliothek erzeugt wird. Die FGM-Bibliothek wird auf Basis der detaillierten Chemie berechnet.
Wie erstelle ich eine FGM-Bibliothek für Star-CCM+, die die Gegebenheiten meines Brenners berücksichtigt?
Auch für diese Aufgabe lässt sich Dars nutzen, wie Jane herausfindet. Sie öffnet ihr Dars-Projekt und zieht ein FGM-Bibliotheks-Modul in den Arbeitsbereich. Dann definiert sie die Berechnungen und startet die Bibliothekserzeugung. So entsteht eine Reihe von FGM-Bibliotheken für verschiedene Erdgasmischungen; Jane integriert diese Bibliotheken in ihr CFD-Modell und fügt in die Optimate+-Optimierung die unterschiedlichen Erdgasqualitäten ein. So findet Sie ein Design, das sich auch für qualitativ minderwertigeres Erdgas eignet, und liefert diese an das Labor, wo neue Tests stattfinden.
Wie versteht man den Einfluss verschiedener Gasmischungen?
Dafür startet sie die Berechnung mit dem ‚Constant Pressure’-Reaktor-Modul mit beiden Gasqualitäten erneut. Interessant sind dabei die Ergebnisse der Sensitivitätsanalyse. Wie erwartet sind Methan und Sauerstoff die für die Verbrennung wichtigsten Moleküle. Die gleiche Analyse für das qualitativ minderwertigere Erdgas ergibt, dass Propan nur mit 1,5 % in der Gasmischung vertreten ist. Es beeinflusst jedoch die Verbrennung fast ebenso sehr wie Methan. Auch Butan hat trotz des geringen Anteils von 0,3 % einen signifikanten Einfluss auf die Verbrennung. Das zeigt, dass die längerkettigen Kohlenwasserstoffe einen starken Einfluss haben. Um die Reaktionen hinter diesem Verhalten zu verstehen, überprüft sie deren Sensitivitäten. Die Propan- und Butan-Zersetzung sind – neben den Oxidationsreaktionen – zwei sehr wichtige Reaktionsschritte.
Mit der Sensitivitätsanalyse, den Diagrammen der Zündverzugszeiten und den CFD-Simulationen ist Jane nun gut gerüstet, um ihren Kollegen zu erklären, was während der Verbrennung vor sich geht.
Etwas später meldet sich ein Laboringenieur mit einer Frage zu Emissionen. Bei bestimmten Lastpunkten sind die CO-Emissionen des Brenners unakzeptabel hoch.
Wie verbessert man das Emissionsverhalten?
Um die CO-Emission besser zu verstehen, startet Jane Dars und berechnet eine Reihe von homogenen Reaktoren mit konstantem Druck und Temperatur, um daraus ein Emissionsdiagramm zu erzeugen. Darin wird die CO-Produktion bei unterschiedlichen Gas-Luft-Äquivalenzverhältnissen und Temperaturen dargestellt. Durch Vergleiche mit den Mischungsanteilen und den Wärmeflussfeldern des CFD-Systems findet Jane heraus, dass der Brenner in bestimmten Zonen mit hohem Erdgasanteil bei den genannten Lastpunkten in den Bereich der CO-Erzeugung kommt. Diese Zonen sind nahe am Auslass zu finden. Sie muss dort die Vermischung verbessern und definiert deshalb für den nächsten Optimierungslauf eine Bedingung für das maximale Äquivalenzverhältnis in diesen Zonen.
Unter Inkaufnahme eines gewissen Effizienzverlusts kann sie so die CO-Entstehung vermindern. Um die Produktion von CO besser zu verstehen, erzeugt sie die FGM-Bibliotheken unter Berücktsichtigung von CO erneut.
Schließlich wählt sie, einen der Rechenfälle aus und schaltet in Star-CCM+ das Modul Complex Chemistry hinzu. Damit rechnet sie eine komplette CFD-Simulation mit den in DARS genutzten chemischen Reaktionsmechanismen. Dies dient als guter Benchmark gegen die anderen Verbrennungsmodelle. Sie überzeugt ihren Vorgesetzten, dass diese Simulationen zwar eine längere Rechendauer haben, aber eben auch wesentlich realistischere Ergebnisse liefern. Am Ende will es das Unternehmen schließlich vermeiden, wegen nicht eingehaltener Grenzwerte bestraft zu werden. Längere Rechenzeiten sind hierfür ein geringer Preis.
Dars
Neben der Berechnung komplexer chemischer Vorgänge, kann Dars auch für andere Simulationen genutzt werden, bspw:
- Die Erzeugung von Verbrennungs- und Emissionsbibliotheken für Verbrennungen in Zylindern:
- ECFM-3Z TKI
- ECFM-CLEH TKI + Equilibrium
- PVM-MF
- Ruß
- Berechnen der Dicke laminarer Flammen
- Berechnung der Oberfläche und der Gasphasenchemie in Katalysatoren (DOC, TWC, DPF, ...)
- Reduktion von detaillierten Reaktionsmechanismen
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