Anlagenbau & Prozesstechnik

Feuerungsregelung in Hybridtechnik

Gesteigerte Wirtschaftlichkeit von Klärschlammverbrennungsanlagen

25.11.2010 -

Klärschlamm stellt einen Brennstoff dar, der nicht nur hinsichtlich seines Heizwertes sondern auch bezüglich des Wassergehaltes und der Konsistenz, d.h. der Förderfähigkeit, starken Schwankungen unterworfen ist. Durch die Brennstoffvariationen treten große, schnelle Störungen der Dampferzeugerleistung auf. Gleichzeitig ändert sich auch die dynamische Reaktion der Kesselleistung auf eine Änderung des zugeführten Brennstoffmassenstromes. Die Realisierung einer stabilen Feuerungsregelung für einen mit Klärschlamm befeuerten Dampferzeuger stellt somit eine große Herausforderung aus regelungstechnischer Sicht dar.

Die Wirtschaftlichkeit einer Klärschlammverbrennungsanlage steigt mit dem Klärschlammdurchsatz, d. h. mit der Klärschlammmenge, die pro Zeiteinheit in der Anlage thermisch behandelt werden kann. Beim Betrieb der Anlage müssen dabei verschiedene Randbedingungen zwingend eingehalten werden:

- Vorgegebene Emissionsgrenzwerte dürfen nicht überschritten werden.
- Vorgegebene Anlagenparameter wie z. B. Grenzwerte für Massenströme, Temperaturen und Drücke müssen eingehalten werden.
- Der Einsatz von mit teurem Öl oder Gas betriebenen Stützbrennern muss möglichst vermieden werden.

Je stabiler die Leistung des Klärschlammkessels bei ihrem vorgegebenen Sollwert gehalten werden kann, desto näher kann die Anlage an ihrer Auslegungsgrenze betrieben werden. Leistungsschwankungen, d. h. Störungen der Feuerung führen zur Bildung von Emissionen und bergen die Gefahr, dass der Prozess zulässige Grenzen überschreitet und ggf. durch Sondermaßnahmen gestützt werden muss. Der Feuerleistungsregelung kommt bei der Wirtschaftlichkeit von Klärschlammverbrennungsanlagen daher eine besondere Bedeutung zu.

Stabile Feuerungsregelung
Konventionelle Regelkonzepte geraten in Klärschlammverbrennungsanlagen schnell an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit. In den meisten Fällen wird keine zufriedenstellende Regelgüte erreicht, manchmal tritt sogar ein geradezu fehlerhaftes Regelverhalten auf. Die Ursache für dieses unzulängliche Verhalten liegt darin begründet, dass die Ermittlung korrekter Stelleingriffe bei Klärschlammverbrennungsanlagen nur erfolgen kann, wenn der momentane Zustand, in dem sich der Kessel befindet, durch Verwendung aller vorhandenen Messdaten ganzheitlich beurteilt wird. Aus aktuellen Betriebsdaten muss ermittelt werden, mit welchen korrigierenden Stellaktivitäten optimalerweise ein Festhalten der Kesselleistung auf dem gewünschten Niveau durchgeführt werden muss, um den zusätzlich zu beachtenden Randbedingungen (z. B. Temperaturgrenzwerte) gleichzeitig genüge zu tun. In konventioneller Logik ist eine Umsetzung derart komplexer Zusammenhänge nur begrenzt bzw. überhaupt nicht möglich.

Vor- und Nachteile von Fuzzy-Reglern
Eine Alternative zur konventionellen Regelungstechnik stellt die Fuzzy-Technologie dar. Durch die Umsetzung der erforderlichen Regelfunktionalität als linguistische Regeln erhält man die Möglichkeit, alle möglichen Betriebszustände der Anlage zu definieren und je nach Betriebssituation bzw. aktueller Klärschlammqualität jeweils geeignete Regeleingriffe festzulegen. Der Fuzzy-Regler stellt damit einen nichtlinearen Algorithmus dar, der die erforderlichen Stellaktivitäten aus dem aktuellen Betriebszustand der Anlage, der durch die Messgrößen wie z. B. Frischdampfmassenstrom, Temperaturen im Verbrennungsofen usw. bestimmt wird, ableitet. Damit können auch für außergewöhnliche Betriebssituationen, die durch außergewöhnliche Klärschlammqualitäten zustande kommen, die bestmöglichen Stelleingriffe ermittelt werden. Ein fehlerhaftes Regelverhalten wird dadurch vermieden und die Regelgüte insgesamt erhöht.
In einem reinen Fuzzy-Regler sind alle Regelfunktionalitäten in Form der linguistischen Regeln abzulegen. Dies gilt auch für die ebenfalls vorhandenen, einfachen Zusammenhänge, die deterministisch und reproduzierbar sind. Zur Feuerungsregelung eines Klärschlammkessels werden daher im Fuzzy-Regler mehrere hundert Regeln benötigt.
Der Nachteil des Fuzzy-Reglers besteht deshalb darin, dass er eine sehr große Zahl von Parametern hat, die in ihrer Gesamtheit nur bedingt für eine ganz bestimmte Anlage optimiert werden können. Grundsätzlich gilt bei der Dampferzeugerregelung jedoch der Grundsatz, dass die erreichbare Regelgüte nicht nur vom eingesetzten Konzept sondern ganz entscheidend auch von der Optimalität der verwendeten Parameter abhängt. Daher wird oftmals auch mit einem Fuzzy-Regler ein nicht befriedigendes Regelverhalten bei der Feuerungsregelung erreicht. Außerdem kann ein derartig aufwändiger Regler nur äußerst schwierig vom Betriebspersonal an geänderte Randbedingungen angepasst werden.

Hybrides Regelkonzept
Als Teil der SPPA-P3000 Lösungsfamilie zur Prozessoptimierung wurde aus diesem Grunde bei Siemens Energy ein hybrides Regelkonzept entwickelt. Es verbindet die Vorteile der konventionellen Regelungstechnik, d. h. vor allem die einfachere Optimierbarkeit aber auch die bessere Projektier-, und Wartbarkeit sowie die Robustheit mit denjenigen der Fuzzy-Regelungstechnik, d.h. der Anpassungsfähigkeit an nichtlineare, komplexe Prozesse.
Auf diese Art und Weise kann eine sehr große Stabilität im Betriebsverhalten von Klärschlammverbrennungsanlagen unter Einhaltung der Randbedingungen für Emissionswerte und Grenzwerte im Verbrennungsofen erreicht werden. Die erhöhte Stabilität kann letztlich dazu genutzt werden, den Kesselleistungssollwert weiter zu erhöhen, d. h. näher an die Auslegungsgrenze heran zu gehen. Dies ist mit einer entsprechenden Erhöhung der Wirtschaftlichkeit der Anlage verbunden.
Das Hybrid-Regelkonzept, das sich schon in der Müllverbrennung bewährt hatte, wurde bereits erfolgreich bei der Klärschlammverbrennung eingesetzt. Im folgenden wird der Aufbau des Regelkonzepts dargestellt. Anhand von Betriebsmesskurven wird die erreichte Regelqualität veranschaulicht.

Aufbau einer Klärschlammverbrennungsanlage mit Wirbelschichtofen
In Abbildung 1 ist der prinzipielle Aufbau einer Klärschlammverbrennungsanlage mit Wirbelschichtofen dargestellt. Mit Hilfe zweier Dosierschnecken wird der Verbrennungsofen mit dem Verbrennungsgut beschickt, wobei eine der Schnecken konditionierten höher kalorischen, die andere niedrig kalorischen Klärschlamm fördert.
Die Verbrennungsluft wird zunächst in einer Vorbrennkammer aufgeheizt und strömt dann durch eine Verteilerkammer (Windbox) und den Düsenboden von unten direkt in die Wirbelschicht.
Als prozesstechnische Grenzen, die beim Betrieb der Anlage eingehalten werden müssen, sind insbesondere die Temperatur in der Nachreaktionszone (NRZ), die zwischen 850 und 1.050 °C liegen muss, und die Betttemperatur, die > 650 °C sein muss, zu nennen.
Zur Regelung der Feuerung stehen folgende Stellgrößen zur Verfügung:

- Drehzahlverstellung der zwei Klärschlamm-Dosierschnecken
- Sollwert Temperatur der Primärluft in der Windbox, die mit Hilfe des Erdgasmassenstromes zum Lufterhitzer eingestellt wird
- Zusätzlich kann die Temperatur im Wirbelbett mit Hilfe von Gas und Heizöllanzen erhöht werden um vorgegebene Mindestwerte zu halten.

Stabilisierung der Anlage durch Einsatz des hybriden Feuerungsreglers
Das hybride Regelkonzept, das sich beim Einsatz in Müllverbrennungsanlagen bewährt hat, wurde für den Einsatz im Bereich der Klärschlammverbrennung modifiziert und adaptiert. Der konventionelle Anteil des Reglers wird zur Regelung des Frischdampfmassenstromes eingesetzt. Auch wenn sich die Brennstoffeigenschaften und damit auch die dynamische Reaktion des Kessels laufend ändern, gibt es doch einen deterministischen Zusammenhang zwischen Brennstoffmassenstrom und Kesselleistung. Mit der konventionellen Technik ist daher eine Stabilisierung des Anlagenverhaltens in einem bestimmten Arbeitspunkt möglich.
Der Fuzzy-Anteil des Hybridreglers verschiebt den Arbeitspunkt des konventionellen Reglerteils und stellt somit sicher, dass die Anlagenstabilität auch bei veränderlichen Randbedingungen gewährleistet ist. Insbesondere sorgt der Fuzzy-Regler dafür, dass die Temperaturen in Wirbelbett und Nachreaktionszone innerhalb ihrer zulässigen Grenzen gehalten werden.
Das primäre Ziel der Feuerungsregelung ist es, durch den Einsatz des hybriden Reglers eine Vergleichmäßigung der Dampfproduktion zu erreichen. Dadurch wird die Möglichkeit geschaffen, die Anlage näher an ihrer Auslegungsgrenze zu betreiben, was einer Erhöhung des mittleren Klärschlammdurchsatzes und somit einer Steigerung der Anlagenrentabilität gleichkommt.
Die unterschiedliche Konsistenz der Klärschlämme kann zu Unterbrechungen der Brennstoffversorgung aus einem Vorlagebehälter führen. Trotz hoher Drehzahl der entsprechenden Dosierschnecke wird dann nur wenig oder kein Klärschlamm zum Verbrennungsofen gefördert. Aus diesem Grunde wurde im konventionellen Anteil des Reglers eine Sollwertmodifikation sowie ein Drehzahlbegrenzer aufgebaut. Diese Funktionen stellen sicher, dass in den Fällen, in denen eine Störung in der Förderung erkannt wird, der Regler nicht unnötigerweise an den oberen Anschlag läuft, eine unsymmetrische Belastung des Verbrennungsofens verhindert wird und beim Wiedereinsetzen der Brennstoffförderung keine zu große Dampfproduktion entsteht.

Verbesserungen im ­Anlagenverhalten
Nachfolgend wird gezeigt, welche Verbesserungen im Anlagenverhalten durch Einsatz des hybriden Feuerleistungsreglers erreicht werden.
Abbildung 3 zeigt das Betriebsverhalten des Verbrennungsofens vor der Installation der Hybrid-Feuerungsregelung. Die maximalen Sollwertabweichungen betrugen in diesem Fall + 3t / h / -5,5t / h.
Das Betriebsverhalten des Verbrennungsofens bei aktivierter Hybrid-Feuerungsregelung ist aus Abbildung 4 ersichtlich. Die maximale Sollwertabweichung bei Betrieb mit aktiviertem Hybrid-Feuerungsregler beträgt +/-1,9t/h. Der Betriebssollwert der Anlage konnte bei ungestörtem Betrieb von 18 auf 19t/h erhöht werden.
Für den in Abbildung 4 dargestellten Zeitraum zeigt Abbildung 5 den Verlauf der Temperaturen in Nachreaktionszone und Wirbelbett. Im Sinne eines optimierten Anlagenbetriebs wird die Förderschnecke mit dem niederkalorischen Klärschlamm recht hoch gefahren, solange dies mit den sich einstellenden Verbrennungstemperaturen möglich ist. Im dargestellten Fall wird die Temperaturgrenze von 850 °C für die Nachreaktionszone immer noch deutlich überschritten und die Wirbelbetttemperatur befindet sich im Bereich von > 720 °C.
Abbildung 6 zeigt die Veränderung des Sollwertes für die Temperaturregelung der Windbox. Deutlich ist zu erkennen, dass die Sollwertvorgabe für die Windbox-Temperatur nur in extremen Situationen die Temperatur in der Windbox anhebt, um einen möglichst geringen Verbrauch von Erdgas zur Luftvorwärmung zu erreichen.
Der Fuzzy-Anteil des Reglers sorgt dafür, dass der konventionelle Reglerteil die Anlage jederzeit optimal stabilisieren kann. Dadurch ist eine erhöhte Dampfproduktion und damit ein erhöhter Klärschlammdurchsatz möglich.
Durch Auswertung der Betriebsdaten und Bilanzen der Beispielanlage über einen mehrmonatigen Zeitraum konnte der folgende Nutzen ermittelt werden, der sich durch den Einsatz des hybriden Feuerungsreglers im Anlagenbetrieb ergibt:

- Steigerung der Dampfproduktion um 0,5 - 1 t/h entsprechend 2,5 - 5 % bezogen auf den maximalen Dampfmassenstrom
- Steigerung des Klärschlammdurchsatzes um > 10 %

Zusammenfassung
Aufgrund der starken Inhomogenität des Brennstoffes ist es äußerst schwierig, die Feuerung einer Klärschlammverbrennungsanlage stabil zu regeln. Gleichzeitig ist ein stabiler Anlagenbetrieb, bei dem auch allen vorgegebenen Randbedingungen (Emissionswerte, Grenzwerte von Prozessgrößen) eingehalten werden, für einen wirtschaftlichen Anlagenbetrieb von entscheidender Bedeutung. Die Stabilisierung der Feuerung erlaubt es nämlich, dass die Anlage näher an ihrer Auslegungsgrenze betrieben und der Klärschlammdurchsatz erhöht werden kann.
Mit der Installation in einer Klärschlammverbrennungsanlage wurde die von Siemens Energy entwickelte SPPA-P3000 Hybrid-Feuerungsregelung, die sich in der Müllverbrennung bewährt hat, erfolgreich auf einen neuen Brennstoff und ein neues Verbrennungsverfahren adaptiert.
Es zeigt sich, dass das hybride Regelungskonzept auch hier eine wesentlich stabilere Dampfproduktion selbst bei stark veränderlichen Klärschlammqualitäten ermöglicht und somit einen Betrieb mit höheren Dampfmassenstromsollwerten erlaubt. Die direkte Folge der höheren Dampfproduktion ist ein gesteigerter Klärschlammdurchsatz, der durchschnittlich 10 % höher als vor der Installation der Feuerungsregelung ist. Vorgegebene Randbedingungen, zu denen insbesondere Temperaturgrenzwerte gehören, werden dabei zuverlässig eingehalten.