Strategie & Management

Start-ups meet Grown-ups

Warum Gründer und Mittelstand von einer Zusammenarbeit profitieren

09.04.2018 -

Viele deutsche Mittelständler scheuen den Schritt Richtung Digitalisierung. In der Zusammenarbeit mit Start-ups können sie von der Dynamik und der Innovationskraft der jungen Unternehmen profitieren. Der High-Tech Gründerfonds (HTGF) bietet mittelständischen Unternehmen nicht nur die Möglichkeit, in Start-ups zu investieren, sondern auch eine Plattform für den Austausch mit jungen Unternehmen. Andrea Gruß sprach mit HTGF-Geschäftsführer Michael Brandkamp über die Chancen und Hürden bei der Zusammenarbeit zwischen Start-ups und Grown-ups.

CHEManager: Herr Brandkamp, welche Bedeutung haben mittelständische Investoren für den High-Tech Gründerfonds?

M. Brandkamp: Mittelständische Investoren sind in unserem High-Tech Gründerfonds III besonders stark präsent. Das ist eine erfreuliche Entwicklung, denn die Unternehmen bringen neben Geld, das sie in den Fonds investieren, eine hohe Expertise in ihrer Branche, relevante Netzwerke sowie unternehmerisches Know-how ein. Sie unterstützen uns zum Beispiel bei der Bewertung von Investitionen in neue Start-ups.

Worin unterscheiden sich die Interessen Ihrer Investoren aus Großunternehmen und Mittelstand?

M. Brandkamp: Die Interessen sind durchaus vergleichbar. Beide wollen durch ihre Investitionen ihre eigene Innovationskraft erhöhen und ihre Innovationsprozesse verbessern. Sie wollen mehr über Innovationen erfahren, die in Start-ups entstehen und sie wollen darauf vorbereitet sein, wenn sich ihre eigenen Geschäftsmodelle zum Beispiel aufgrund der Digitalisierung verändern. Grundsätzlich sehe ich hier nichts, was Mittelständler von den Großkonzernen unterscheidet, sondern eher Gemeinsamkeiten.

Die Interessen von Großunternehmen und Mittelstand sind die Gleichen. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit Ihnen?

M. Brandkamp: Während wir in Großunternehmen mit qualifizierten Mitarbeitern zusammenarbeiten, die zum Beispiel für die Themen Innovation oder New Business verantwortlich sind, gibt es in mittelständischen Unternehmen weniger Hierarchie-Stufen und wir reden in der Regel unmittelbar mit Vorständen, zentralen Entscheidern oder teilweise sogar mit den Eigentümern der Unternehmen, weil diese über strategischen Fragen entscheiden. Und die Kooperation mit Start-ups hat meist einen strategischen Impact. Die Vorstände und Entscheider sind auch auf unseren Veranstaltungen präsent und für uns und unsere Start-ups direkt ansprechbar. Das führt oft zu schnelleren Entscheidungen in der Zusammenarbeit.

Wo sehen Sie das größte Potenzial für die Zusammenarbeit mit Start-ups?

M. Brandkamp: Das liegt sicherlich im Bereich der Digitalisierung. Innovative IT-Tools und Technologien von Start-ups können dazu beitragen, Prozesse im Kerngeschäft der Unternehmen effizienter zu gestalten, zum Beispiel durch Active Process Control oder Predictive Maintenance auf Basis Künstlicher Intelligenz. Darüber hinaus können durch die Zusammenarbeit mit Start-ups neue, digitale Geschäftsfelder erschlossen werden. So kann beispielsweise ein Hersteller von Kettensägen künftig auch eine IT-Plattform anbieten, die Gartengeräte miteinander vernetzt. Und ein dritter wichtiger Aspekt: Durch die Digitalisierung lassen sich Synergien mit anderen Bereichen heben. Das kann bestehende Geschäftsmodelle in der Chemieindustrie bedrohen, beziehungsweise diese müssen sich stark verändern, um weiterhin am Markt bestehen zu können. Start-ups unterstützen große Unternehmen dabei, über den eigenen Tellerrand zu schauen und das Marktumfeld diesbezüglich im Blick zu behalten.

Während große Konzerne eigene Venture-Capital-Einheiten betreiben oder Technologie-Scouts einsetzen, um das Potenzial der Zusammenarbeit mit jungen, innovativen Unternehmen zu nutzen, arbeitet nach Angaben einer aktuellen Studie von Deloitte derzeit nur jedes fünfte mittelständische Unternehmen mit einem Start-up zusammen. Worauf führen Sie dieses unterschiedliche Engagement zurück? Mangelt es dem Mittelstand an der Bereitschaft für Open Innovation?

M. Brandkamp: Ich denke nicht. Viele Großunternehmen stehen in einem starken internationalen Wettbewerb, indem sie nur bestehen können, wenn sie neue Innovationen schaffen. Bei den meisten Mittelständlern laufen derzeit die Geschäfte sehr gut. Sie verspüren daher noch keinen Druck, etwas zu verändern. Hidden Champions sind schon heute die Besten, das heißt Markt- und Technologieführer, in ihrer Branche. Sie sind oft damit beschäftigt, in ihren Märkten weiter zu wachsen und sehen keine großen Risiken für ihre Zukunft – und daher auch keinen hohen Bedarf für die Zusammenarbeit mit Start-ups.

Warum sollten diese Unternehmen dennoch mit Start-ups zusammenarbeiten?

M. Brandkamp: Um disruptive Ideen für das Zeitalter der Industrie 4.0 zu entwickeln, ist die Zusammenarbeit mit Start-ups für Mittelständler nahezu unausweichlich. Für eine gelungene Partnerschaft bedarf es beiderseitige Offenheit und eine Begegnung auf Augenhöhe. Dann kann die Zusammenarbeit eine Win-Win-Situation auf beiden Seiten sein. Start-ups profitieren vom Know-how und der jahrelangen Erfahrung, die etablierte Unternehmen mitbringen – im Gegenzug bringen junge Gründer frischen Wind mit und denken auch mal unkonventionell. In dieser Mischung sehen wir großes Potenzial für die Entwicklung neuer, innovativer Geschäftsideen. Aber nicht nur in Bezug auf Geschäftsmodelle und Technologien können große Unternehmen sehr viel durch Kooperationen mit Start-ups lernen, sondern auch auf kultureller Ebene.

Wo liegen die wesentlichen Unterschiede in der Unternehmenskultur? Woraus resultieren sie?

M. Brandkamp: Die alltäglichen Anforderungen an ein mittelständisches Unternehmen und ein Start-up sind diametral verschieden. Große, etablierte Unternehmen sind besonders gut darin, Dinge sehr effizient und mit einer hohen Produktivität auszuführen. Sie verbessern stetig ihre Prozesse und entwickeln ihre Produkte inkrementell weiter. Darin sind gerade viele deutsche mittelständische Unternehmen unschlagbar. Dies erfordert eine bestimmte Denkweise, die geprägt ist durch Effizienz, Qualität sowie der Skalierung der Produktion auf hohe Stückzahlen und Mengen.

Start-ups entwickeln dagegen komplett neue Produkte und Dienstleistungen und müssen sich daher immer wieder mit neuen Themen auseinandersetzen. Ihr Arbeitsalltag ist geprägt von Unsicherheit und Überraschungen, auf die sie immer wieder anders reagieren müssen. Das erfordert eine andere Art des Denkens sowie eine hohe Agilität und Flexibilität.

Eine Organisation, die auf Effizienz getrimmt ist, kann zum Beispiel sehr gut Technologie für die eigenen, komplizierten Prozesse entwickeln, ihr fällt es jedoch schwerer, kreativ zu sein. Nur wenige Unternehmen schaffen die Balance zwischen der notwendigen Agilität und Kreativität auf der einen Seite und der nötige Effizienz und Strukturiertheit auf der anderen Seite.

Aber es ist aus meiner Sicht auch gar nicht notwendig, diese Eigenschaften unter einem Dach zu kultivieren, wenn die dauerhafte Zusammenarbeit zwischen Groß und Klein gut gelingt.

High-Tech Gründerfonds

Der High-Tech Gründerfonds (HTGF) ist seit dem Jahr 2005 aktiv. Seitdem hat er rund 500 Unternehmen aus High-Tech-Branchen finanziert und erfolgreich auf den Weg gebracht. Neben einem eigenen Fondsvolumen von 886 Mio. EUR in drei Fonds wurden bislang 1,6 Mrd. EUR externes Kapital in High-Tech Start-ups investiert.

 

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