Anlagenbau & Prozesstechnik

Synergien nutzen – Atmosphäre genießen

Rückblick Reinraum Lounge 2015

05.10.2015 -

Weitläufige Räumlichkeiten, großzügig bemessene Stände der Aussteller und eine familiäre Atmosphäre:
Die 9. Lounges 2015 in Stuttgart warteten mit unzähligen Neuerungen auf. In diesem Jahr präsentierte sich neu der „Showroom Schweiz“. Damit erhielt die hohe Reinraum-Kompetenz schweizerischer Anbieter, die bereits an früheren Lounges stark repräsentiert waren, eine besondere Kommunikationsplattform.


Vom 19. bis 21. Mai 2015 fanden die Lounges bereits zum neunten Mal statt. Ihr bewährtes Kommunikationskonzept mit der besonderen Atmosphäre ermöglichte es, Kollegen und Kunden zu treffen, Branchengespräche führen, das Fachwissen an einigen der 180 Vorträge zu vertiefen und neue Kontakte knüpfen.
Die sich rasch ändernden Marktverhältnisse sowie die gesetzlichen Regularien für die Produktion verschärfen den Druck, immer auf dem aktuellsten Stand der Technik und am Puls der Zeit zu bleiben. Gerade deshalb wurden 2015 im Vortragsbereich der Lounges neue ISO Standards, besonders für den Bereich Nanotechnologie, vorgestellt.
Neben den bisherigen Themen Reinraum- und Gebäudetechnik, Bekleidung und Verbrauchsmaterialien, Hygiene und Reinigung, Wasser und Reinstmedien, Oberflächen und Materialien, dienten die Sonderbereiche Biotechnologie, Temperaturgeführte Lagerung und Transport/Cool Chain sowie der Showroom Schweiz als Publikumsmagnete und lieferten weitere interessante Aspekte.
Obwohl wegen des Bahnstreiks 15 % weniger Besucher kamen, sah man viele zufriedene Gesichter. Einige Besucher schätzten sogar die entspannte Atmosphäre ohne den sonst üblichen Dichtestress und das Gedränge.
Branchengrössen wie Merck, Berner, Dastex, Decontam, Skan, VWR, Initial, Valisys, Dorfner und Pfennig stellten an den Lounges 2015 ihre neuesten Produkte, Lösungen oder Dienstleistungen vor.

Die Highlights
Hier stellen wir einige Aussteller der Lounges 2015 mit ihren Neuheiten vor:
Guido Kreck vom Stuttgarter Fraunhofer Institut IPA befasste sich in seinen Workshops mit dem Thema Sauberkeitsanalyse in der Medizinaltechnik. Im Zusammenhang mit diesem Thema gründete die IPA gemeinsam mit interessierten Unternehmen einen Industrieverbund, der sich zum Ziel gesetzt hat, sinnvolle Grenzwerte für die Produktion von Medizinalprodukten im Reinraum zu definieren, um einheitliche und verbindliche Standards zu definieren. Die Basis für diese Grenzwerte liefern die an dem Projekt beteiligten Medizinalunternehmen selbst.
Das Fraunhofer Institut stellte an den Lounges auch eine Drohne der Firma CAT vor, die für Filterüberprüfungen in hohen Reinräumen eingesetzt werden kann und durch ihre integrierte Partikelmesstechnik die bisher stationären Systeme ersetzt (Abb. 1). Dabei kommt es weder zu einer Störung des Betriebs noch muss zusätzliches Bedienpersonal zur Verfügung stehen. „Bislang“, so Kreck, „muss dafür meist das Equipment aus den Reinräumen entfernt werden.“ Mit der Mess-Drohne, die etwa einen halben Meter unter der Decke fliegt, werde das wesentlich einfacher. Der Hersteller rechne damit, dass das Gerät bis September 2016 marktreif sei.
Der Berater- und Projektmanager Drees & Sommer (www.dreso.com) hat gemeinsam mit seinem Kooperationspartner Gempex ein speziell auf die Life-Sciences-Branche zugeschnittenes, interdisziplinäres Projektmanagement, das 3C-Management, entwickelt. Hinter den drei C´s verbergen sich die Begriffe Construction (Planung, Realisierung), Commissioning (Inbetriebnahme der Produktionsanlagen/Produktionslinien) und Compliance (GMP-Regelkonformität). Mit dieser Methode stellt der Berater sicher, dass Planung und Bau eines Gebäudes schon in der Initialisierungsphase so auf die Abnahme und Inbetriebnahme abgestimmt werden, dass die Einhaltung der Compliance wirtschaftlich und zeitsparend abgewickelt werden kann.
Das Unternehmen mit rund 2.000 Mitarbeitern wickelt an weltweit 38 Standorten Projekte unterschiedlicher Art und Größe ab. Im Bereich Life Science begleiten die Experten hoch spezialisierte Bauvorhaben von Pharma-, Medizintechnik- und Biotechnologie-Herstellern. „In den vergangenen drei  Jahren haben wir unseren Umsatz verdoppelt. Wir haben zahlreiche Hersteller beraten und ihre Projekte über die Zielgerade gebracht. Vor allem das integrierte 3C-Management trifft den Nerv der Zeit“, meint Rino Woyczyk. Der Grund: Die GMP-Anforderungen werden strenger und die Warning Letters häufiger. Daher werde es immer wichtiger, dass beispielsweise neue Produktionshallen nicht nur pünktlich und im Kostenbudget umgesetzt werden, sondern auch in der erforderlichen sehr hohen Qualität.
Auf einer Aktionsbühne während der Lounges stellte Drees & Sommer gemeinsam mit dem Kooperationspartner gempex und dem Pharmahersteller Caelo (Abb. 2) das integrierte Projektmanagement am Beispiel des Neubaus einer PGS-Produktionsanlage für Caelo – auch aus Bauherrensicht – vor. Die Experten von Drees & Sommer informierten das Fachpublikum zudem in Vorträgen und Diskussionsrunden unter anderem zu den Themen: „Fallstricke bei Pharmaprojekten im Ausland“, „Projektrisiken und notwendige Reaktionen“, „Neubau, Umbau – Wie behält man die Kosten im Griff?“.
Carsten Moschner, Geschäftsführer des Reinraum-Bekleidungsunternehmens Dastex, ­
ein Unternehmen für geprüfte Reinraum-Bekleidungssysteme, die aufeinander abgestimmt sind, präsentierte die so genannte Body-Box, eine hauseigene Forschungsanlage. Hier werden unter realen Bedingungen das Partikelrückhaltevermögen gegenüber luftgetragenen Partikeln sowie deren Rest-Kontaminationsvermögen überprüft. Eine spezielle Boden- und Abluftkonstruktion simuliert problemlos die Reinraumklasse der Stufe ISO 4. “Erkanntermaßen ist ja der Mensch die Hauptkontaminationsquelle in Reinräumen. Die Frage ist: Wie kann man dies zeigen? Da bietet sich die Body-Box an, die auch visuell demonstriert, wie hoch der Partikeleintrag ist und mit welchen Grössenordnungen man rechnen muss. Wir zeigen deshalb auch, wie wichtig die richtige Reinraumkleidung ist“, so Carsten Moschner.
Das Unternehmen Micro Clean Room Technology (MCRT) baut lüftungstechnische Anlagen mit speziellen Molekularfiltern. Darauf sind vor allem Unternehmen aus Pharmazie, Medizintechnik und Chipindustrie angewiesen. Um die empfindlichen Produktionsprozesse und hochwertigen Erzeugnisse in Reinräumen nicht zu gefährden, bedarf es der ständigen Kontrolle von Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Druck sowie der Partikelzahl. Ein mit speziellen Filtern gekoppeltes Be- und Entlüftungssystem sorgt dafür, daß die Anzahl der im Raum befindlichen Partikel das zulässige Limit nicht überschreitet. „Wenn sich bei der Produktion von Schrauben für Hüftgelenke, die sich nach ein bis zwei Jahren im Körper auflösen, Moleküle einschleichen, die dort nichts zu suchen haben, kann das die Gesundheit des Patienten gefährden“, meint Machmüller. Der Mittelständler ist auch Lieder- und Oratoriensolist und leitete seinen Auftritt entsprechend klangvoll an der Aktionsbühne für mobile Reinraumzelte ein.
Ortner Reinraumtechnik hat eine ausgewählte Produktpalette zur Schaffung von Reinheit im Programm. Das Unternehmen versteht sich als Systemlieferanten für Schleusen- und Dekontaminationsprozesse. Neu bietet Ortner ein Dekontaminationsgerät ISU 2.0 mit einem Verstärkungsgerät auf der Basis von H2O2 an (Abb. 3). “Wir haben bereits sehr gute Erfahrungen mit dem Gerät gemacht. Normalerweise gehen wir zur Kontaktpflege an die Lounge, aber heute haben wir bereits sehr viele Erstkunden ansprechen und für unser Gerät interessieren können“, meinte Stefanie Rud-Ortner.
Gerhard Lauth von Steris Deutschland war zum wiederholten Mal an den Lounges. Er stellte Reinigungsmittel, Geräte zur Dekontamination sowie Indikatoren zur Überprüfung des Reinigungsergebnisses vor. Steris ist ein US-amerikanischer Mischkonzern mit 15.000 Mitarbeitern für Sterilisierung, Infektionsprävention, Desinfektion von Oberflächen und Dekontamination.
Für die Aussteller seien die Lounges relativ teuer, meinte Lauth, aber die Kundennähe und die Vortragssession mit der Möglichkeit für die Besucher, Hersteller direkt zum Thema ansprechen zu können, wiege dies wieder auf.

Insgesamt zeigten sich an den Lounges die folgenden Trends:
Besonders Kosten- und Energie-effizient ist die richtige Klima- und Lüftungstechnik. Firmen wie Chemengineering oder die Becker Reinraumtechnik GmbH übernehmen die Neuerrichtung von GMP-konformen Reinraumräumlichkeiten inklusive der zugehörigen raumlufttechnischen Versorgung. Besonders wichtig ist den Kunden die Energie- und Kostenanalyse, die heutzutage im Servicepaket enthalten ist.
Die Anforderungen der Kunden an Lebens- und Arzneimittel steigt und damit wächst gerade in der Lebensmittelindustrie die Zahl der Produkte, die unter reinen Bedingungen hergestellt werden. Kurzum: Die Reinraumbranche wird auch weiterhin wachsen!
Um einen Reinraum von Keimen und Partikeln zu befreien, müssen gänzlich neue Reinigungsprozesse implementiert werden. Das Personal muss über genaue Kenntnisse der Regularien verfügen.

Sonderbereich „Showroom Schweiz“
In diesem Jahr präsentierten die Lounges mit dem „Showroom Schweiz“ erstmals eine koordinierte Länderpräsentation. Diese umfasste einen gemeinsamen Auftritt an der Messe, Vortragsblöcke, praxisbezogene Vorführungen auf der gemeinsamen Aktionsbühne sowie moderierte Diskussionsrunden zu aktuellen Themen. Dabei wurden die Kompetenzen der Schweizer Anbieter dem internationalen Fachpublikum vor allem in den Themenfeldern Herstellung & Verarbeitung, Verpackung & Logistik, Reinraum & Gebäudetechnik, Prozess & Auftragsanalytik sowie Steuerung & Automatisierung nahe gebracht.

Sonderbereich „Temperaturgeführte Lagerung und Transport/Cool Chain“
Aktuell entfallen wertmäßig rund 20 % des weltweiten Pharma-Gesamtmarktes von rund $650 Mrd. auf Erzeugnisse, die bei 2 – 8 °C gelagert und transportiert werden müssen, wie eine Studie des Münchner Beratungsunternehmen Novumed zeigt. Vor allem die wachsende Zahl biotechnisch hergestellter Wirkstoffe spielt dabei eine Rolle: Rund zwei Drittel aller Biotech-Medikamente sowie ausnahmslos alle Impfstoffe müssen in einer lückenlosen Kühlkette gelagert und transportiert werden. Weltweit sind ca. 20 % der pharmazeutischen „Bestseller“ temperaturempfindlich. Verpackung und Handling temperatursensitiver Stoffe sind essentiell für den sicheren Transport (Abb. 4) und die geeignete Lagerung. Entsprechend muss das Produkt und das Prozessierungsgut beschrieben, gelabelt sein. Auch Dokumente, Zertifikate und Werksprüfzeugnisse dürfen nicht fehlen.
Nur die genaue Kenntnis der Abläufe und deren Risiken ermöglicht die Berechnung kostenoptimierter Lösungen. Eindrucksvolle Produktshows, Vorführungen auf den Aktionsbühnen, moderierte Diskussionsrunden und ausgestellten Fahrzeugen zum Thema „Pharmatransport/Cool Chain“ boten vielfältige Gelegenheiten, sich sowohl als Einsteiger wie auch als Profi mit dem Thema auseinander zu setzen.
Sonderbereich „Biotechnologie“
Seit einigen Jahren nimmt der Einfluss biotechnologischer Methoden in der Pharmaforschung zu. Die Bio-Technologien eröffnen neue Möglichkeiten, Krankheiten individualisiert zu behandeln und ganz gezielt in den Stoffwechsel einzugreifen.
Mittlerweile haben die großen Pharmaunternehmen das Potential entdeckt, das vor allem in den kleineren flexiblen Biotech-Unternehmen steckt: Sie kaufen die innovativen Technologien oder gleich das ganze Unternehmen.
Vorträge zu biotechnologischen Themen wie „Digital-Technologie integriert in der Pharma- und Biopharmaproduktion“ von Alina Moritz, Endress+Hauser, Messtechnik GmbH + Co. KG, sind hochaktuell und kamen daher beim Publikum sehr gut an.

Resumée
Erneut wurden 200 interessante Vorträge, über 50 Aktionsbühnen und offene Diskussionen präsentiert, die das grosse Interesse des Fachpublikums trafen. Sie hatten vor allem das Ziel, einen interdisziplinären Wissensaustausch zwischen Hochschulen, Verbänden und der Wirtschaft zu schaffen. 190 Firmen und Institutionen boten innerhalb der Lounges, der zeitgleichen Vision Pharma und Innovation Food ihre Produkte und Dienstleistungen auf ihrem Messestand an.
Über 7000 Fachbesucher aus 28 Ländern registrierten sich für die Veranstaltung 2015, davon kamen wegen des Bahnstreiks leider nur 6.000. Die Aussteller zogen eine positive Bilanz aus Ausstellung, Vorträgen, Vorführungen und den vielfältigen Kontakten. Doch viel wichtiger als die nackten Zahlen ist die Stimmung der Aussteller – und hier sah man ausschließlich zufriedene Gesichter.
An keiner anderen Veranstaltung findet man eine Plattform, an der Innovation und Networking gleichermassen mit der Informations­vermittlung zusammenfinden. Aufgrund der vielfältigen Möglichkeiten wurden auch 2015 die Lounges wieder zu einem einmaligen Erlebnis.