Perfekte Reinigung durch H2O2
08.01.2014 -
Die Biodekontamination von Operationsräumen in Krankenhäusern lässt sich mit herkömmlichen Strategien, etwa der Wischdesinfektion oder der Formaldehyd-Begasung nicht befriedigend umsetzen. Als saubere Alternative bieten sich heute Begasungsverfahren an, welche die Biosicherheitsrisiken im Gesundheitsbereich mithilfe von Wasserstoffperoxid (H2O2) eliminieren.
Mikroben besiedeln unsere Umwelt in vielfältiger Weise. Der Mensch setzt z. B. pro Minute 1.000 - 10.000 Keime in die Umgebung frei, mit grossen individuellen Schwankungen. Oft tragen sie als wertvolle Mitbewohner massgeblich zu unserer Gesundheit bei und ermöglichen die Produktion von fermentierten Lebensmitteln oder die Aufarbeitung von Abwässern.
Mikroben in Operationssälen und Krankenzimmern
In speziellen Situationen treten Mikroorganismen allerdings als Krankheitsverursacher auf. Daher gilt es in diesen Bereichen, diese unerwünschten Keime effizient zu minimieren und gegebenenfalls zu eliminieren (Tab. 1). Speziell im OP-Saal, wo steriles Gewebe und Wunden in der Umgebungsluft einem Partikeleintrag ausgesetzt sind, spielen die Sedimentation von Bakterien auf Oberflächen und die Abgabe von Mikroorganismen durch den Menschen eine wichtige Rolle.
Da stets die Gefahr einer Kontamination durch Mikroorganismen besteht, muss der kritische Bereich mit einem geeigneten Biozid dekontaminiert werden. Wie man bereits seit längerem weiss, steigt die Zahl postoperativer Infektionen von Wun den, je mehr Partikel in der Luft sind. Die Erreger-Reservoire befinden sich einerseits im Nasen- Rachenraum des OP-Teams, zum anderen stellt die Luft im OP-Saal eine Quelle für Keime dar.
Ein Operieren nach den klassischen Regeln der Asepsis allein ist somit nicht realisierbar. Pro m3 Luft enthält der OP-Saal 10 KBE. Auch in „normalen" Krankenzimmern befinden sich ca. 500 Keime pro m3 Luft. Besonders die Sedimentation dieser Mikropartikel auf den OP-Tisch führt zu schlecht heilenden Wunden und verlängerten Krankenhausaufenthalten.
Dekontaminationsverfahren
Bis vor Kurzem wurde für die Dekontamination - auch im Gesundheitsbereich - als Biozid Formaldehyd eingesetzt, für das es standardisierte Verfahren gegen Bakterien, Pilze und Viren gibt. Formaldehyd, auf der Grundlage von Formalin verdampft, weist ein überaus breites Wirkungsspektrum auf. Dazu wird das Gerät direkt in dem Arbeitsraum platziert. Sämtliche Öffnungen im Raum werden verschlossen und alle undichten Stellen abgedichtet.
Dies ist erforderlich, um den Begasungsprozess sicher durchführen zu können. Dabei bedarf es neben Formaldehyd einer Sättigung der Luft mit 100 % Feuchtigkeit und Temperaturen von 65°C und mehr. Erst nach ungefähr 18 Stunden ist die Dekontamination abgeschlossen. In den so behandelten Räumen bleibt Paraformaldehyd als weisser Niederschlag zurück, der sich nur mit hohem Aufwand, z. B. speziellen manuellen Wischtechniken, eliminieren lässt.
Man muss daher von einer länger dauernden Ausgasung von Formaldehyd in den so behandelten Räumen ausgehen. Da Formaldehyd auch giftig (Lungenreizung, neurologische Einbussen, Tumoren) ist, birgt es hohe Risiken für das OP-Personal und verursacht anhaltende Geruchbelästigungen.
Daher gelten für dieses Verfahren besonders strenge Sicherheitsvorschriften, mit Neutralisation und aufwändiger Reinigungsprozedur. Ausserdem werden mit Formaldehyd nicht alle Mikroorganismen abgetötet. So sind zum Beispiel die Sporen von Geobazillus stearothermophilus dagegen resistent. Trotz dieser Nachteile und Risiken wird das Verfahren auch heute noch angewendet und ist auch durch die WHO anerkannt.
Arbeitsmediziner suchen bereits seit Längerem nach alternativen Verfahren mit einem sicheren Biozid, das die oben genannten Nachteile nicht aufweist.
Validierung des H2O2-Dekontaminationsverfahrens
Als saubere Alternative dient heute vielerorts im Gesundheitswesen das Wasserstoffperoxid (H2O2), das wegen seiner stark oxidativen Wirkung und der Bildung von Radikalen schädigende Wirkung auf Membranen, Nukleinsäuren u. a. Komponenten der Keime hat. Es weist eine sehr hohe Abtötungsrate für das ganze Spektrum an Mikroorganismen auf. Beim abschliessenden katalytischen Abbau des überschüssigen Biozids wird nur Wasser und Sauerstoff frei, beides problemlose Komponenten.
Einzelne Anbieter, wie z. B. Skan oder Schülke, bieten umfassende validierte Begasungsverfahren an, z. B. das System Decosis (Skan) oder bioquell(Schülke), die auf Wasserstoffperoxid beruhen. Die Raumdesinfektion mittels H2O2 gelingt hier mit einem Vernebelungsverfahren (Abb. 1). Die Anbieter garantieren eine ausgezeichnete Dekontaminationswirkung. Eine 12 - 35 %ige Wasserstoffperoxid-Lösung wird über feinste Düsen mit hohem Druck zerstäubt oder durch Verdampfen von Wasserstoffperoxid auf einer Heizplatte in die Gasphase überführt.
Über Düsen zerstäubt, bildet sich so ein feiner Nebel, der sich im ganzen Raum verteilt. In der Begasungsphase steigt die Wasserstoffperoxid-Konzentration kontinuierlich an (Abb. 2). Durch die spezielle Prozessführung werden alle kritischen Stellen im Raum erreicht. Die Einwirkzeit beträgt ca. eine Stunde, danach wird der Raum belüftet und freigespült. Je nach Raumgrösse sind mehrere Zerstäubungsrunden erforderlich. So lässt sich das Verfahren ideal an Raumgrösse und Geometrie anpassen.
In der Praxis werden Räume bis 600 m3 regelmässig begast. Anschliessend können die dekontaminierten Räume gefahrlos gewartet werden, denn die Zerfallsprodukte des Biozids sind unproblematisch. Die Abluft der Räume wird in das Begasungssystem zurückgeführt, indem es, mit H2O2 angereichert, wieder eingeströmt wird. So werden sämtliche Flächen des Raumes, auch die für die Wartung wichtigen Komponenten wie Rückluftkanal, Ventilator und Schwebstofffilter, während der Dekontamination anhaltend begast.
Gleichzeitig wird die Anlage einem leichten Unterdruck ausgesetzt, um das Austreten von Biozids aus dem Dekontaminationsbereich zu verhindern. Dies dient auch dem Personenschutz und gewährleistet eine hohe Prozesssicherheit. Im Fall einer eventuell auftretenden Druckstörung erfolgt ein automatischer Dekontaminationsabbruch mit Notspülung. Das Dekontaminationsverfahren beginnt mit dem Einsatz einer entsprechender Menge an H2O2. Es muss entsprechend der Raumgrösse, vor allem auch der Materialeigenschaften im OP, der Oberflächen u. a. bezüglich der Konzentration von H2O2 und der Einwirkzeit eingestellt werden.
Daraus ergeben sich die Prozessdauer und die anschliessende Spülzeit. Nach Abschluss der Dekontamination erfolgt die Freispülung des Raumes von Wasserstoffperoxid über einen Schwebstofffilter und die zugehörige Katalysator. Die aus dem Katalysator entweichenden Abbauprodukte des Wasserstoffperoxids sind Sauerstoff und Wasser, sie erlauben eine unkomplizierte Dekontamination und Freispülung. Innerhalb von drei bis fünf Stunden ist der gesamte Vorgang abgeschlossen, dann liegt die Konzentration an Wasserstoffperoxid in den dekontaminierten Räumen unterhalb von 1 ppm.
Ein wichtiges Element des Verfahrens ist eine umfassende Validierung der mikrobiologischen Dekontaminationswirkung. Eine verlässliche Aussage über die Abtötung von Mikroorganismen bieten Bioindikatoren, wie z.B. Sporenstreifen, Sporenpakete, Agarplatten. Um eine uneingeschränkte Funktionsfähigkeit des Dekontaminationsverfahrens gewährleisten zu können, werden regelmässige Kontrollen mit solchen Bioindikatoren empfohlen.
Ein einfacher Nachweis bezüglich Kontamination bzw. Sterilität besteht in der passiven Methode mit bebrüteten Agarplatten (Abb. 3). Eine Petrischale wird für eine gewisse (Sedimentations)-Zeit der Luft ausgesetzt, danach geschlossen und eingesandt. Die Auswertung der Proben erfolgt i.d.R. in einem Fachlabor während einer 24-stündigen Bebrütung. Durch das Dekontaminationsverfahren ergibt sich i.d.R. eine Keimreduktion von 1:1.000.000 (6 log Reduktion). Als Testkeim wird der Geobazillus stearothermophilus als Spore eingesetzt.
Sie ist diejenige Form des Mikroorganismus, die chemischen und thermischen Einflüssen am längsten Stand hält. Da die Sporen ausserdem noch thermophil sind, sollten sie für die mikrobiologische Auswertung bei 50 - 65°C bebrütet werden. Dadurch bieten sie eine zusätzliche Sicherheit, dass die Resultate durch eventuelle Fremdkeime nicht verfälscht werden. Einige kritische Mikroben für den OP überleben länger, z. B. Staphylokokken, dagegen sterben gram-negative Bakterien wie E.coli bereits innert weniger Stunden nach der Freisetzung ab.
Fazit
Die Dekontamination mit H2O2 entspricht dem heutigen Stand der Dekontaminationstechnik, sie ist sicher, stellt eine Erweiterung der Einsatzgebiete von Hygienemassnahmen im Gesundheitssektor dar und hat ein grosses Wirkungsspektrum.
Weitere Informationen
Detlef Reichenbacher, Marc Thanheiser, Dominique Krüger: Aktueller Stand zur Raumdekontamination mit gasförmigem Wasserstoffperoxid
www.edoc.rki.de
Broschüre Schülke & Mayr GmbH: Bio-Dekontamination von Räumen und Inventar durch die Hydrogen Peroxide Vapour - HPV - Technologie.
www.schuelke.com
AUTORIN Annette v. Kieckebusch-Gück