Partikelemissionen durch den Menschen
20.06.2011 -
Bei der Diskussion rund um das Thema „Kontaminationsquelle Mensch" steht folgende Fragestellung grundsätzlich im Mittelpunkt: „Wie viele Partikel gibt durchschnittlich ein Mensch pro Minute ab?" Ergänzt wird natürlich diese Fragestellung im Hinblick auf die jeweils interessanten Partikelgrößen. Ergänzt werden muss diese Fragestellung aber auch im Hinblick auf die Bewegungsintensität des Menschen, denn es ist leicht nachvollziehbar, dass ein Mensch, der ruhig dasteht, vermutlich wesentlich weniger Partikel abgibt als ein Mensch, der sich stark bewegt.
Zum Thema „Keimbelastung ausgehend vom Menschen", gibt es an verschiedenen Stellen recht genaue Angaben. Zum Thema „Wie viele Partikel generiert ein Mensch unter welchen Bedingungen?" findet man in der Fachliteratur allerdings nur sehr wenige Aussagen und diese erscheinen bei genauerer Betrachtung als sehr ungenau. Oftmals werden in diesem Zusammenhang Angaben von Austin herangezogen, die um 1970 ermittelt wurden [1]. Neuere Studien zu dem Thema gibt es leider nicht, auch nicht zu der sicherlich ebenfalls sehr interessanten Fragestellung „Wie verhalten sich denn die Partikelzahlen bei einem Mitarbeiter, wenn er beispielsweise einen Kittel trägt im Vergleich zu einem Overall?" Dastex hat dies zum Anlass genommen, über einen längeren Zeitraum eine große Studie zu diesem Thema durchzuführen.
Messaufbau und Einflussgrößen
Die auf dem firmeneigenen Gelände eingerichtete Body-Box-Prüfkabine bildete hierbei die messtechnische Grundlage. Das Prinzip der Messung innerhalb einer Body-Box ist beispielsweise in einer IEST Empfehlung beschrieben [2].
Ein definierter Reinraum (mit der Grundfläche 1,20 m x 1,20 m) ist vollflächig mit einer FFU (H13 Filter) belegt und die Bodenkonstruktion ist so gewählt, dass die Luft möglichst turbulenzarm in den Rückluftschacht geführt werden kann. In der Body-Box selber herrschen konstante Bedingungen bezogen auf Temperatur und Luftfeuchte, auf die jeweils für die Messreihe eingestellte Luftgeschwindigkeit (Luftwechsel) und auf den Reinheitsgrad im Leerlauf (= ohne dass sich eine Person in der Body-Box befindet). Bei laufender Luftaufbereitung, kann in der Body-Box im Leerlauf problemlos die Reinheitsklasse ISO 4 (gemäß ISO 14644-1) aufrechterhalten werden. Betritt nun eine Person die Body-Box, so sind folglich annähernd alle messtechnisch erfassten Partikel von dieser Person und deren Bekleidung. Gemessen wird in der Rückluft an definierten Messpunkten. Bei der Auswertung der erfassten Messdaten gilt es zu berücksichtigen, dass natürlich der Probevolumenstrom in das richtige Verhältnis zum Gesamtvolumenstrom gesetzt werden muss. Es wird viel mehr saubere Luft über die FFU der Prüfkabine zugeführt, als über die in der Rückluft platzierten Messsonden wieder abgesaugt werden kann. Somit ergibt sich ein Multiplikationsfaktor der Messwerte in Abhängigkeit zu der jeweils eingestellten Luftgeschwindigkeit.
Darüber hinaus gilt es eine Vielzahl weiterer Faktoren bei derartigen Messungen zu berücksichtigen. Leicht nachvollziehbar ist es, dass Personen nicht gleichmäßig viel Partikel über den Tageszeitraum abgeben. Auch die jeweils getragene, private „Straßenkleidung" kann in ihrer Partikelabgabe sehr stark variieren. Die Bewegungsintensität während der Untersuchung hat ebenfalls einen entsprechenden Einfluss. Für vergleichende Studien ist es deshalb wichtig möglichst viele dieser Einflussfaktoren weitestgehend konstant zu halten, bzw. im Vorfeld entsprechend zu definieren. Auf Grund der mittlerweile mehrjährigen Erfahrung mit dieser Prüfkabine war es uns möglich, die wichtigsten dieser Einflussfaktoren entsprechend einzugrenzen. Im Folgenden werden nun die verschiedenen Messreihen detaillierter vorgestellt.
Partikelabgabe bei Bewegung in Straßenkleidung
Die erste Messreihe beschäftigte sich mit der eingangs bereits gestellten Fragestellung: Wie viele Partikel gibt ein Mensch in Abhängigkeit zum Bewegungsgrad ab, ohne dass bei dieser Messreihe irgendein Bekleidungselement fest vorgegeben wurde. Das heißt, die Testpersonen konnten für diese Messreihe ihre ganz normale Straßenkleidung tragen. Für diese Untersuchungen stellten sich mehrere Probanden (> 10) zur Verfügung. Es wurde bei den Auswertungen der Messreihe weder nach Geschlecht, noch nach Alter oder Körpergröße differenziert. Für die erste Untersuchungsreihe wurde die Messzeit auf 20 Minuten begrenzt. Während dieser Messzeit, gab es zwei unterschiedliche Bewegungszustände: zum einen eine Gehbewegung (auf der Stelle treten) und still stehen, jeweils in einem festgelegten zeitlichen Rhythmus. Auf Extrembewegungen oder schnelle Bewegungen wurde bewusst im Verlauf dieser Studie verzichtet, da derartige Bewegungen in der Regel „im täglichen Reinraumleben" so gut wie nie vorkommen, bzw. vorkommen sollten. Aus den gesammelten Messwerten wurden die Mittelwerte errechnet und mit dem entsprechendem Multiplikationsfaktor (Verhältnis zwischen Luftvolumen zugeführt über FFU zum Probenvolumen der Partikelzähler) hochgerechnet. Die Ergebnisse (in Abhängigkeit zur Partikelgröße) finden Sie in der Tabelle 1 aufgeführt.
Ein sehr interessanter Nebenaspekt bei diesen Untersuchungen waren einzelne Messwerte bestimmter Probanden. So konnten wir sehr gut nachweisen, dass die private Straßenkleidung ein außerordentlicher Einflussfaktor bezüglich der Partikelabgabe einer Person sein kann (siehe Tabelle 2). In Abhängigkeit von dieser privaten Straßenkleidung variierten die Messwerte bei ein und derselben Person um teilweise den Faktor 8 (und mehr). Diese Erkenntnis war ausschlaggebend für die Entscheidung, bei allen weiteren Messreihen (mit Reinraumkittel, Reinraumoverall usw.) die sogenannte Zwischenkleidung fest zu definieren, um unter der Reinraumoberbekleidung möglichst einheitliche Bedingungen (in Bezug auf die unter der Reinraumbekleidung getragene Kleidung) vorzufinden.
Partikelabgabe in Reinraumbekleidung für Klassen ISO 7 bis 9
Als einheitliche Zwischenbekleidung wurden Jogginganzüge aus 100 % Baumwolle (gleiche Schnitte, gleiches Alter und alle bereits mehrfach gereinigt) ausgewählt. Es zeigte sich schnell, dass die Probanten mit dem Jogginganzug deutlich mehr Partikel abgaben als mit ihrer persönlichen Straßenbekleidung. Ein Erklärungsansatz ist, dass mittlerweile auch in der persönlichen Straßenbekleidung ein sehr hoher Anteil synthetischer Fasern zum Einsatz kommt und somit weniger Abrieb erzeugt wird. Die zweite Testphase musste somit leicht modifiziert werden. In der zweiten Phase trugen die Testpersonen den definierten Jogginganzug, definierte Reinraumschuhe, eine Vlieseinweghaube als Kopfbedeckung und einen jeweils neu dekontaminierten (ASTM-A) Reinraumkittel (gefertigt aus einem hochwertigen Reinraumgewebe), wie er üblicherweise in Reinraumklassen ISO 7 bis 9 (gem. ISO 14644-1) zum Einsatz kommt. Es sollte ursprünglich das gleiche „Bewegungsprogramm" durchgeführt werden wie bei der normalen Straßenbekleidung auch. Da aber durchweg alle Probanten mit Reinraumkitteln mehr Partikel abgaben als in gewöhnlicher Straßenbekleidung, war die Ursache hierfür schnell lokalisiert - der Baumwoll-Jogger. Darauf hin wurde der Ablauf der Phase zwei abgeändert. Die Probanten betraten zunächst mit den Baumwolljoggern und den Reinraumschuhen die Body-Box und wiederholten das definierte Bewegungsprogramm über 10 Minuten. Danach verließen sie die Body-Box und legten den Reinraumkittel sowie die Vlieseinweghaube an. Nach zwei Minuten wurde die Testkabine wieder betreten und die Probanten durften sich drei Minuten lang „frei bewegen" (= Akklimatisierungsphase mit Reinraumbekleidung). Im Anschluss daran startete wieder das gleiche Bewegungsprogramm (gleiche Abfolge) wie in der ersten Versuchsphase (Stehen und Gehsimulation). Die Ergebnisse der Phase 2 finden Sie in Tabelle 3 zusammengefasst (Anmerkung: zwei Probanten haben für die zweite Phase nicht mehr zur Verfügung gestanden).
Partikelabgabe in Reinraumbekleidung für Klassen ISO 5 bis 6
In der dritten Phase trugen die Testpersonen wieder den Baumwoll-Jogginganzug als Zwischenbekleidung. Darüber wurden Reinraumoverall, Reinraumvollschutzhaube, kniehohe Reinraumüberziehstiefel, Nitrilhandschuhe und ein 3-lagiger Einwegmundschutz getragen. Diese Bekleidungsanordnung kommt oftmals in den Reinraumklassen ISO 5 und 6 (gem. ISO 14644-1) zum Einsatz. Der Untersuchungsablauf, also in erster Linie das Bewegungsprogramm, blieben unverändert (im Vergleich zu den ersten beiden Phasen). Vorsichtshalber wurden während dieser Untersuchungsphase ebenfalls Kontrollmessungen „nur mit Baumwoll-Jogginganzügen" durchgeführt. Zum Umziehen hatten die Probanten allerdings 8 Minuten Zeit. Die Ergebnisse dieser Messreihe sind in der Tabelle 4 zusammengefasst (Anmerkung: Für die dritte Phase standen noch 10 Probanten zur Verfügung).
Ersetzt man nun den Baumwoll-Jogginganzug (unter dem Reinraumoverall) durch eine reinraumtaugliche Zwischenbekleidung (Basis 100 % synthetische Fasern), so erhält man die typischen Reinraumbekleidung für den Einsatz in den Klassen ISO 4 und 5 (gem. ISO 14644-1), bzw. für den Einsatz in aseptischen Bereichen. Über die Effizienz einer definierten reinraumtauglichen Zwischenbekleidung gab es schon einige Untersuchungen mit einem ähnlichen Aufbau. An der Stelle sei nur exemplarisch auf eine Studie am ITV-Denkendorf hingewiesen, die u. a. belegt hat, dass mittels einer reinraumtauglichen Zwischenbekleidung die Anzahl der nachgewiesenen Partikel und Keime um 50 % und mehr reduziert werden konnten - ebenfalls im direkten Vergleich zu einer Zwischenbekleidung bestehend aus einem Baumwoll-Jogginganzug [3].
Fazit
Die Studie hat eindrucksvoll bewiesen, mit welcher Bandbreite an Kontaminationen, ausgehend vom Menschen (bei nicht definierter Bekleidung), die Betreiber von Reinräumen zu rechnen haben. Zum anderen zeigten diese umfangreichen Untersuchungen auch, dass mittels eines (an den jeweils geforderten Reinheitsprozess) angepassten Reinraumbekleidungssystems dieses Kontaminationsrisiko minimiert werden kann (Tabelle 5 sowie Graphik 1).
Literatur
[1] P. R. Austin: Design and Operation of Clean Rooms, Troy, Michigan, Business News Publishing Company, 1970
[2] IEST-RP-CC003.3: Garment System Considerations for Cleanrooms and Other Controlled Environments. Institute of Environmental Sciences, USA, Recommended Practice
[3] C. Moschner: Reinraumzwischenbekleidung - Übertriebener Aufwand oder eine effektive Kontaminationsreduktion? Reinraumtechnik 2/2002