Anlagenbau & Prozesstechnik

Wärmegetriebene Motoren

Eine neuartige, innovative Lösung für Pumpen und Kompressoren

30.04.2019 -

Encontech, ein Spin-Off-Unternehmen der Universität Twente (Enschede, Niederlande), hat in Kooperation mit der Universität Paderborn eine neuartige Wärmekraftmaschine mit vielseitigen Anwendungsbereichen entwickelt. Der Motor wandelt Wärme direkt in mechanische Arbeit um und eignet sich im besonderen Maße für den Einsatz als Kompressor oder Pumpe. Durch die Bauart lässt sich jegliche Form der zur Verfügung stehenden Wärme ab einem Temperaturniveau von 60 °C nutzen. Mit diesen Eigenschaften ist der neuentwickelte Motor eine simple und ökonomische Alternative zu heutigen elektrisch angetriebenen Kompressoren und Pumpen im Megawatt-Leistungsbereich.

Nach einer Studie im Auftrag der EU-Kommission beanspruchen Pumpen und Kompressoren rund 50 % des industriellen Stromverbrauchs [1]. In Haushalten wiederum tragen Kältekompressoren in Kühlschränken einen großen Anteil an den laufenden Stromkosten. Typischerweise werden Kompressoren und Pumpen mit Strom betrieben, welcher zumeist aus fossilen Brennstoffen oder Atomkraft gewonnen wird. Zwischen der Energiequelle und dem letztlichen Nutzen, dem Pumpen bzw. Komprimieren von Fluiden, liegen mehrfache Energieumwandlungen. Darüber hinaus tragen die Einflüsse fossiler Energieträger auf die Umwelt dazu bei, das Konzept konventioneller Antriebsarten für Pumpen und Kompressoren zu überdenken. Der neuentwickelte Wärmemotor vermeidet die zwangsläufig auftretenden Verluste bei der Energieumwandlung, indem die Wärme in nur einem Schritt direkt in mechanische Arbeit überführt wird. Dabei können alternative, nachhaltige und vor allem saubere Energiequellen zum Einsatz kommen.
Das Team von Encontech und der Universität Paderborn arbeitet seit einigen Jahren an der Entwicklung einer kostengünstigen und universellen Alternative zu den gegenwärtigen Kompressoren und Pumpen. Dabei setzt man auf die Verwendung dichter Arbeitsmedien, das Entwickeln eines passenden thermodynamischen Zyklus und die erhebliche technische Vereinfachung des Aufbaus.

Das Arbeitsprinzip des Wärmemotors
Der neu entwickelte, sogenannte isobare Expansionsmotor (IEM) verwendet, wie herkömmliche Wärmemotoren, Wärme als Energieressource. Der Temperaturunterschied zwischen Heizer und Kühler wird genutzt, um mechanische Arbeit zu gewinnen. Das zyklische Erwärmen und Kühlen eines Arbeitsmediums führt zu einem alternierenden Expandieren und Komprimieren des Fluids, woraus in Summe eine positive Arbeit gewonnen wird. Welchen Ursprung die Wärmequelle respektive -senke hat, spielt für den internen Prozess keine Rolle. Der isobare Expansionsmotor grenzt sich von den bekannten Technologien ab: Beispielsweise durch die Verwendung dichter Arbeitsmedien, einem neuen Kompressions-Expansions-­Zyklus, einem vereinfachten Motordesign sowie dem direkten Nutzen hydraulischer Arbeit. Erste Prototypen des isobaren Expansionsmotors wurden im Hochdrucklabor an der Universität Twente bereits getestet. Als Arbeitsmedium wurde R134a verwendet. Die hydraulische Arbeit wurde in den Untersuchungen eingesetzt, um Wasser durch einen hydraulischen Lastkreis zu pumpen.
Dichte Arbeitsmedien besitzen die Eigenschaft, dass sie bei niedriger Zyklustemperatur im flüssigen und bei hoher Zyklustemperatur im gasförmigen oder überkritischen Zustand sind. Leichte Kohlenwasserstoffe, Kältemittel und Kohlendioxid sind nur einige Vertreter, die als Arbeitsmedium im niederen Temperaturbereich, um 100 °C, in Frage kommen. Die Verwendung dieser Medien hat entscheidende Vorteile: Alle reibungsbehafteten und abgedichteten Bauteile und Verbindungen des Motors sind ausschließlich mit flüssigem Arbeitsmedium in Kontakt. Dies vereinfacht die Abdichtung und erleichtert die Schmierung der beweglichen Teile. Durch die Verdampfung und Kondensation können immense Druckunterschiede erreicht werden. Die Druckdifferenz zwischen Kompressions- und Expansionsphase kann dabei einige hundert Bar betragen. IEM erzielen daher eine sehr hohe volumenspezifische Leistung auch bei geringeren Arbeitsfrequenzen. Durch die Wahl eines passenden Arbeitsmediums können bereits Wärmequellen mit einem Temperatur­niveau von 60 °C effektiv genutzt werden. Im Gegensatz zu konventionellen Wärmekraftmaschinen, bei denen die Nutzarbeit üblicherweise an ein Kurbelgetriebe übertragen wird, steht bei den isobaren Expansionsmotoren die Arbeit direkt in hydraulischer Form bereit. Dadurch erhöht sich der Gesamtwirkungsgrad der Anlage.

Anwendung und Potentiale von IEM
Die Kombination aus äußerer Wärmezufuhr und der spezifizierten Auswahl des Arbeitsmediums ermöglicht es nahezu beliebige Wärmequellen ab einem Temperaturniveau von 60 °C zu nutzen. Für den Prozess selbst spielt es dabei keine Rolle, ob die treibende Kraft aus der Sonnenenergie, Geothermie, Prozess­abwärme, Biomasse oder konventionellen Quellen kommt. Eine besonders positive Eigen­schaft zeigt der Motor bei der Förderung von leichten Kohlenwasserstoffen, Flüssig­gasen, Kohlen­dioxid und Kältemitteln (und deren Gemischen), also solchen Stoffen, die auch als Arbeitsmedium in Frage kommen. Unter diesen günstigen Betriebsbedingungen ist keine trennende Membran zwischen Arbeits- und Fördermedium notwendig. Dies unterstreicht das Konzept des innovativen Motors, nämlich die Reduzierung auf das Wesentliche. Mit dem Einsatz einer trennenden Membran eröffnen sich weitere Wege, die bislang durch den Einsatz ölbehafteter Prozesse versperrt oder zumindest aufgrund teurer und komplizierter Technik nur schwer begehbar waren. Dies betrifft vor allem die Lebensmittel- und Elektronikindustrie. Durch den Verzicht auf zusätzliche Schmiermittel zeigt sich die Kryotechnik ebenfalls als ein Gebiet mit erheblichem Potenzial in der Anwendung von IEM.
Isobare Expansionsmotoren lassen sich auf einfache Weise von mehreren Watt zu einigen Megawatt skalieren und somit an individuelle Anforderungen anpassen. Eine große Stärke der Neuentwicklung ist die Flexibilität im Bezug auf die Auslastung. Im Vergleich zu konventio­nellen Kreiselpumpen und Radial-/ Axialverdichter, die eine niedrige Effizienz im Teillastbetrieb aufweisen, arbeiten IEM nämlich auch dann ökonomisch, wenn sie nicht zu 100 % ausgelastet werden.
Gegenwärtig beschäftigt sich das Team aus Enschede und Paderborn mit einer Reihe neuer Demonstrationen, darunter solargetriebene Wasserpumpen für die Umkehrosmose, Hochdruckpumpen für ORC Kraftwerke und thermische Kälteanlagen. Weitere vielversprechende Anwendungsgebiete, wie Geothermie oder Abwärmenutzung in energieintensiven Industriezweigen (Zement-, Metall-, Chemie-, Papierindustrie, petrochemische Industrie, etc.) werden ebenfalls berücksichtigt.

Fazit
Mit dem isobaren Expansionsmotor verringern sich die Investitions- und Wartungskosten, es werden höhere thermische Wirkungsgrade erreicht und (erneuerbare) Energiequellen in einem breiten Temperaturbereich können genutzt werden. Das Entwicklungsteam ist davon überzeugt mit der Neuentwicklung einen signifikanten Beitrag zu der Verbesserung der wirtschaftlichen Lage von Pumpen und Kompressoren zu leisten und im gleichen Zug die Belastung auf die Umwelt zu reduzieren.

Literatur
[1] Almeida, A.T. et al.: Improving the penetration of energy-efficient motors and drives. In Cooperation with University of Coimbra/Department of Electrical Engineering; Electricite de France; ENEL (Italy); ETSU (UK); NESA (Denmark), 2001

Kontakt

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