Druckluftkosten radikal gesenkt
Alligator Farbwerke realisieren neues energiesparendes Druckluftkonzept
Viele Unternehmen erzeugen ihre Druckluft noch immer viel zu teuer, weil sie ausschließlich Schraubenkompressoren mit fester Drehzahl einsetzen, und das in vielen Fällen sogar mit erheblicher Überdimensionierung. Horrende Leerlaufanteilen von zum Teil mehr als 50 % sind zwangsläufig die Folge. Und wenn dann noch wesentliche Teilströme mit dem Druck der Hauptstation erzeugt werden, obwohl für diese Teilströme - z.B. als Förderluft - nur ein wesentlich niedrigerer Druck benötigt wird, kostet das zusätzlich wertvolle elektrische Energie. Das erkannte man auch bei den Alligator Farbwerken im ostwestfälischen Enger, die zu den Deutschen Amphibolin Werken (u.a. Alpina, Caparol) gehören. Inzwischen produzieren dort in einer neuen Druckluftstation zwei drehzahlgeregelte Schraubenkompressoren die Arbeitsluft. Und die Förderluft wird jetzt von einem separaten Rotationsverdichter erzeugt. Durch dieses neue Gesamtkonzept sank der kostenintensive Leerlaufanteil von über 56 % auf unter 0,5 % - ein klassisches Beispiel für eine besonders wirtschaftliche und zuverlässige Drucklufterzeugung.
Deutliche Energieeinsparung
Die für die Produktion benötigte Druckluft und auch die Förderluft zum Entleeren von Silofahrzeugen wurde bis Anfang 2007 mit zwei ungeregelten Schraubenkompressoren erzeugt (Antriebsleistungen je 110 kW, Höchstdruck 10 bar). Der Förderluftanteil wurde dann über Druckminderer auf 2 bar entspannt. Dieses Konzept arbeitete sehr unwirtschaftlich, weil die zwei Schraubenkompressoren Leerlaufanteile von 60,0 bzw. 56,5 % aufwiesen. Außerdem wurde zu viel elektrische Energie in die Produktion des Förderluftanteils investiert.
Für ein maßgeschneidertes neues Druckluftkonzept wurden zunächst über eine Woche Basiswerte für die Schwankungsbreite der Drucklufterzeugung, die Stromaufnahme und die Leerlaufanteile der Kompressoren ermittelt:
Berechnungen ergaben, dass die Energiekosten der Drucklufterzeugung von damals ca. 14.000 €/a durch ein neues Konzept um mindestens ca. 36% auf ca. 9.000 €/a gesenkt werden konnten, und das bei dem damals niedrigen Energiepreis von nur 5 Cent/kWh. Dieses Einsparpotential sollte sich zusätzlich durch eine getrennte Erzeugung der Förderluft mit einem Höchstdruck von nur 1,8 bar weiter deutlich erhöhen. „Durch die eindeutigen Ergebnisse dieser Messungen und die ermittelten Energieeinsparungen sahen wir dringenden Handlungsbedarf. Nach der Realisierung unseres neuen Druckluftkonzeptes konnten wir die Energiekosten unseres Werkes deutlich reduzieren. 2009 erzielten wir Einsparungen von insgesamt ca. 15 %", erläutert Produktionsleiter Karlheinz Niemeyer.
Neues Druckluftkonzept
In einem ersten Planungsansatz sollte zunächst nur eine neue Kompressorzentrale gebaut und wieder mit den alten ungeregelten Schraubenkompressoren bestückt werden. In enger Zusammenarbeit mit dem Bielefelder Almig-Fachhändler Grutec Druckluftservice wurden aber sehr schnell die wirtschaftlichen Vorteile eines völlig neuen Druckluftkonzeptes deutlich. Bereichsleiter Niemeyer erkannte sofort die großen Vorteile drehzahlgeregelter Schraubenkompressoren: „Der Investitionsaufwand ist zwar zunächst höher, amortisiert sich jedoch sehr schnell durch deutlich reduzierte Energiekosten, die bei mehrjähriger Betrachtung ca. 80 % der Gesamtkosten eines Kompressors ausmachen. Außerdem wurde deutlich, dass Almig schon damals mit den Anlagen der Variable-Baureihe die führende Technologie anbot, so dass wir auf detaillierte Vergleichsangebote verzichten konnten."
Realisierung in zwei Stufen
Daraufhin wurde das neue Druckluftkonzept in zwei Schritten realisiert. Zunächst installierte man nur den ersten drehzahlgeregelten Schraubenkompressor des Typs Variable 65 (Motornennleistung 80 kW, Lieferbandbreite 2,21 bis 10,71 m³/min bezogen auf Betriebsüberdruck 8 bar). Diese neue Anlage wurde als Spitzenlastanlage eingesetzt, während die bereits vorhandenen alten Kompressoren mit fester Drehzahl weiterhin am alten Standort als Grundlastanlagen betrieben wurden.
Almig liefert die einstufig verdichtenden, direkt getriebenen Variable-Anlagen mit Antriebsleistungen von 15 bis 315 kW (Lieferbandbreiten von 0,51 bis 49,6 m³/min, Höchstdrücke 5 bis 13 bar). Die über einen integrierten Frequenzumrichter gefahrenen Anlagen vermeiden teuere Stromspitzen durch Sanftanlauf „bei Null", halten den bedarfsabhängig eingestellten Druck mit einer Spreizung von nur 0,2 bar exakt ein und erzeugen immer nur soviel Druckluft, wie aktuell benötigt wird. Dadurch reduzieren sie kostenintensive Leerlaufzeiten auf ein vernachlässigbares Minimum (im Leerlauf benötigt ein Schraubenkompressor noch immer ca. 30 % der Energie gegenüber dem Lastlauf, obwohl keine Druckluft produziert wird). Deshalb sparen die drehzahlgeregelten Variable-Anlagen bis zu 24 % Energie gegenüber ungeregelten Verdichtern.
Für die Erzeugung der Förderluft mit Höchstdruck von 1,8 bar wurde ein zusätzlicher Rotationsverdichter (Leistung 20 m³/min) installiert. Diese Lösung führte nicht nur zu einer deutlichen Entlastung der vorhandenen Schraubenverdichter, die bisher diesen Förderluftanteil - allerdings zunächst mit einem Druck von 10 bar - zusätzlich produziert hatten. Die getrennte Erzeugung mit dem geforderten Höchstdruck von nur noch 1,8 bar senkte auch den Energieanteil für die Erzeugung der Förderluft deutlich.
Auf Grund der guten Erfahrungen mit der ersten Anlage erfolgte Anfang 2008 die Inbetriebnahme des zweiten baugleichen Schraubenkompressors. Er wurde zusammen mit der bereits ein Jahr alten Anlage in der neuen Station installiert. Nach einem Umbau des Druckluftnetzes konnten dann die beiden alten ungeregelten Kompressoren vom Netz genommen werden. Bei Arbeitsbeginn startet jetzt zunächst die erste Anlage. Sobald sie ca. 90 % ihrer Maximalleistung erreicht hat, startet automatisch die zweite Anlage. Anlage 1 fährt dann so weit zurück, bis beide Kompressoren mit identischer paralleler Leistung arbeiten. Durch die in den Anlagen integrierte Steuerung Air Control 3 werden beide Anlagen im Grundlastwechsel betrieben. Für eine längerfristig gleichmäßige Nutzung wurde die zweite Anlage jedoch zunächst intensiver betrieben, damit durchzuführende Wartungsarbeiten kostengünstig an einem Termin ausgeführt werden können. Die Anzeigetableaus beider Anlagen bestätigten nicht nur deren gleichmäßige Nutzung trotz unterschiedlicher Inbetriebnahmetermine. Die Zahlen bestätigen auch den Leerlaufanteil beider Anlagen von weniger als 0,5 % (Stand Februar 2010).
Druckluftaufbereitung
Die erzeugte Druckluft wird in einem Druckluftkältetrockner (Drucktaupunkt +3°C) getrocknet, in Submikro- und Aktivkohlefiltern technisch ölfrei aufbereitet und vor dem Eintritt in das Netz in einem Behälter (Inhalt 10 m³) gespeichert. Diese Installationsreihenfolge Kompressor-Trockner-Filter-Behälter garantiert, dass bei einem kurzfristig deutlich erhöhten Druckluftbedarf bereits getrocknete, technisch ölfreie Druckluft in ausreichender Menge zur Verfügung steht, wodurch ein Überfahren der Aufbereitungskomponenten (Kältetrockner und Filter) wirksam vermieden wird.
Für die Abdeckung eines zukünftig weiter steigenden Druckluftbedarfs bieten sich für eine Erweiterung der Station zwei Möglichkeiten an:
- Eine zusätzliche geregelte Anlage könnte als gleichberechtigter Kompressor über Grundlastwechsel gefahren werden. Zwei geregelte Anlagen wären dann immer aktiv, die dritte Anlage würde im Stand-by vorgehalten - die Wunschvorstellung von Karlheinz Niemeyer.
- Ein zusätzlicher ungeregelter Kompressor würde ausschließlich als Grundlastanlage eingesetzt. Die beiden bereits vorhandenen Kompressoren würden dann im Wechsel die Spitze abfahren.
Übergeordnete Überwachung
Beide Anlagen werden über das Steuerungs- und Überwachungssystem Air Control 3 betrieben. Zusätzlich fährt Alligator die gesamte Fertigung über eine übergeordnete Prozesssteuerung und Gebäudeleittechnik. In diesem hauptsächlich als Rezeptur- und Visualisierungssystem eingesetzten Konzept werden neben der Gebäudeleittechnik auch wesentliche Einzelinformationen aus dem Druckluftbereich (z.B. über Temperaturen, Druckluftpolster usw.) angezeigt. Außerdem sind begrenzte Eingriffe in die Drucklufterzeugung möglich. Das System sendet bei Abweichungen von vorgegebenen Sollwerten automatisch Informationen an die Werkstatt.
Ganzjährige Abwärmenutzung
Bei der Erzeugung von Druckluft werden 94 % der Leistungsaufnahme in nutzbare Wärme umgewandelt. Davon gehen 2 % als Abstrahlungsverluste verloren, 4 % verbleiben in der Druckluft. Die größten Wärmeanteile werden innerhalb der Kompressoren vom Ölkühler (72 %) und vom Druckluftnachkühler (13 %) abgeleitet bzw. vom Elektromotor abgestrahlt (9 %). Ein Schraubenkompressor arbeitet deshalb nur dann mit höchster Wirtschaftlichkeit, wenn möglichst viel dieser nutzbaren Abwärme verwendet wird. Deshalb hatte Alligator die beiden Anlagen mit Plattenwärmetauschern im Ölkreislauf bestellt. Mit der ´abgezapften´ Wärme wird ganzjährig die Rücklauftemperatur des Heizungssystems angehoben. Dadurch werden die Kessel zur Warmwasseraufbereitung für die Kantine (Heizleistung 1 MW) ganzjährig auf einer erforderlichen Grundtemperatur gehalten. „Diese Aufgabe übernimmt jetzt ausschließlich die Abwärme unserer Schraubenkompressoren und nicht - wie früher - unsere Heizungsanlage. Durch diesen ganzjährig verlustfreien Einsatz der Abwärme der Verdichter sparen wir zusätzlich erhebliche Heizkosten", kommentiert Produktionsleiter Niemeyer.
Fazit
„In den drei Jahren seit Inbetriebnahme des ersten drehzahlgeregelten Variable-Schraubenkompressors haben wir mit diesen Anlagen nur positive Erfahrungen gemacht. Nachdem wir in unserem konzerninternen Arbeitskreis Energie über unsere Erkenntnisse mit diesen Anlagen berichtet hatten, hat inzwischen unsere ´Mutter´, die Amphibolin-Werke in Ober-Ramstadt, ebenfalls den ersten drehzahlgeregelten Variable-Kompressor gekauft", erklärt Produktionsleiter Karlheinz Niemeyer abschließend.