Anlagenbau & Prozesstechnik

Unsere Standards liegen über der Norm

21.11.2012 -

Unsere Standards liegen über der Norm – Höchste Sicherheit und Qualität im neuen Werk von Vetter Pharma-Fertigung.

Seit über 25 Jahren übernimmt das Ravensburger Unternehmen Vetter als Zulieferer für große internationale Pharma- und Biotech-Konzerne die Abfüllung von Medikamenten in sterile, vorgefüllte Injektionssysteme. In Ravensburg Süd befindet sich ein neuer Produktionsstandort, an dem jetzt eine Produktionslinie für Doppelkammersysteme (mit und ohne Lyophilisierung) sowie eine Kombilinie für Karpulen und Vials (mit und ohne Lyophilisierung) in Betrieb gehen.

CHEManager befragte Thomas Otto von der Vetter- Geschäftsführung zum Ablauf dieses Anlagenbauprojektes und zur Anlagentechnik. Die Fragen stellte Dr. Dieter Wirth.

 


CHEManager: Herr Otto, wie entwickelt sich der Markt, für den Ihre neue Fabrik produziert? Wodurch wird das Wachstum getrieben?

T. Otto: Der Markt für aseptisch vorgefüllte Applikationssysteme, in dem wir uns als Full Service Provider für internationale Pharma- und Biotech-Unternehmen bewegen, hat sich in den letzten Jahren sehr positiv entwickelt. Das Absatzvolumen für aseptisch vorgefüllte Spritzen, Karpulen und Vials erreichte 2005 circa 86 Mrd. US-$.

Dieser Trend wird im Zusammenhang mit der positiven Entwicklung des Arzneimittelhandels anhalten: Für die nächsten Jahre prognostiziert das Marktforschungsinstitut IMS Health für den Gesamtpharmamarkt ein Wachstum von 5 bis 6 %.

Treibend für diese Entwicklung wird die zunehmende Bedeutung biotechnologisch hergestellter Arzneimittel sein, für die sich eine Fertigung mit vorgefüllten Systemen wie Spritzen und Karpulen empfiehlt. Hier erwartet IMS einen Anstieg zwischen 13 und 14 %.

 


Im neuen Werk haben Sie zwei Abfülllinien in Betrieb genommen und können im Endausbau noch zwei weitere hinzufügen. Wann wird diese Kapazitätserweiterung erfolgen?

T. Otto: Aufgrund der positiven Marktentwicklung und der Anzahl der Projekte, die bei unseren Kunden in der Pipeline sind, rechnen wir mit einem Ausbau unserer Kapazitäten in den nächsten drei bis fünf Jahren.

Unser neues Werk, das wir kurz RVS für Ravensburg Vetter Süd nennen, haben wir deshalb bereits so konzipiert, dass wir die zusätzlichen Abfülllinien während des laufenden Betriebs errichten können - bei Bedarf ist also eine Erweiterung innerhalb kürzester Zeit möglich.

 


Die Investitionskosten für die neue Pharmafertigung lagen be insgesamt 100 Mio. €. Was waren dabei die „dicksten Brocken"?

T. Otto: Der größte Teil der Investitionen entfiel auf die Produktionsanlagen und Geräte. Diese umfassten etwa 40 % des gesamten Investitionsvolumens. Für die Bereiche technische Gebäudeausrüstung und Bau/Engineering fielen jeweils etwa weitere 30 % der Kosten an.

 


Wie verlief das Projekt von der Zeitschiene her gesehen?

T. Otto: Wir haben Ende 2003 mit dem Bau des RVS-Werkes begonnen, nach einer umfassenden Konzeptionsphase. Nach drei Jahren - vom Tag der Genehmigung bis Abnahme Mediafill - konnten wir es planmäßig in Betrieb nehmen.

Das ist wirklich Rekordzeit für eine Anlage mit solch hohem Automationsgrad und höchster Qualität.

 


Wie haben Sie den schnellen Übergang von Phase des Anlagenbaus zur Fertigung geschafft?

T. Otto: Wichtig für diesen schnellen Übergang zur Fertigung war u. a., dass Projektmitglieder aus den Bereichen Technik, Validierung und Produktion als Verantwortliche für die Produktion übernommen wurden.

Der Know-how- Transfer war somit sichergestellt. Der Produktionsverantwortliche beispielsweise wurde bereits ein Jahr vor Bauende in das Projektteam integriert, um einen guten Abschluss aus Produktionssicht und eine gelungene Inbetriebnahme in Zusammenarbeit mit den Bereichen Technik und Validierung zu gewährleisten.

 


Wie wurde der Bau der Fabrik vom Projektmanagement her gesehen geführt?

T. Otto: Wir haben eine Gruppe überaus erfahrener Projektmanager, die sich ausschließlich mit der Umsetzung von Vetter-eigenen Infrastrukturprojekten beschäftigen.

Im Falle des neuen Werkes war ein ganzes Team von interdisziplinären Teilprojektmanagern beschäftigt, das von einem internen Projektmanager geführt wurde. Durch diesen integrierten Projektansatz konnten wir RVS planmäßig und im vorgegebenen Kostenrahmen umsetzen.

 


Wie ist die Leittechnik für die hochautomatisierten Anlagen aufgebaut?

T. Otto: Wir haben die Leittechnik in mehrere Bereiche aufgeteilt und sie den Produktionsund Versorgungssystemen eindeutig zugeordnet. Die Bereiche können autark und bottomup betrieben werden - eine regelkonforme und unabhängige Validierung ist damit möglich.

Die kleinsten wichtigen Einheiten sind die Abfülllinien - sie sind unabhängig und können ohne ein übergeordnetes Leitsystem betrieben werden. Wir haben uns für diesen Weg entschieden, um Ausfallrisiken zu minimieren und eine maximale Verfügbarkeit der einzelnen Systemgruppen zu gewährleisten. Durch dieses Konzept kann der Endausbau auf vier Linien ohne Beeinträchtigungen während der laufenden Produktion erfolgen.

Die Produktionssysteme sind über mehrere Ethernet- Ebenen miteinander vernetzt und stellen leistungsfähigen und sicheren Servern die Produktionsdaten in der erforderlichen Tiefe zur Verfügung. Über fünf Siemens PCS 7 und Wonderware Intouch-Systeme können sie jederzeit beobachtet und visualisiert werden.

Die Daten werden CFR 21 Part 11 konform verarbeitet - eine ideale Basis für die Nachrüstung eines MES-Systems, um beispielsweise SAP-Software, ein zentrales Wiegesystem oder ein Electronic-Batchrecord System einbinden zu können.

 


Für welche Feldbus-Technik haben Sie sich entschieden?

T. Otto: Bei der Feldbus-Technik setzen wir auf Originalqualität: In der Anlagenautomation kommen bei RVS der hochverfügbare Profibus DP und im Gebäudebereich das Siemens Bacnet zum Einsatz. Diese Systeme benutzen wir in unserem Hause schon lange, sie haben sich bewährt.

Verwendet werden nur Originalkomponenten, um den Anspruch der höchsten Anlagenverfügbarkeit sicherzustellen. Eine Feldgeräteautomation ist aus diesen Gründen nicht vorgesehen.

 


Wie stellen Sie die hohen Qualitätsstandards für die Herstellung von vorgefüllten Spritzen auf technischem Wege sicher?

T. Otto:
Wir haben schon während der Errichtung des neuen Werkes auf ein GMP-konformes Qualitätsmanagement gesetzt, um höchste Produktqualität und die Erfüllung der behördlichen Anforderungen sicherzustellen. Der maximale Automatisierungsgrad der gesamten Anlage ist ein zentraler Punkt dieses Systems, so sind u. a. die Abfüllvorrichtungen, Waschmaschinen und Gefriertrocknungsprozesse komplett automatisiert.

Auch der Transport der Komponenten und Produkte erfolgt automatisch. Als Teil des Logistikkonzepts des RVS-Werkes ist die gesamte Materialbeförderung nur in eine Richtung ausgelegt, wodurch Verunreinigungen vermieden werden.

Auch beim Personalfluss greift dieses One-Way-Konzept. So öffnen sich beispielsweise die vollautomatischen Schleusen nur in eine Richtung, um einen noch höheren Schutz vor Kontamination zu erreichen. Das Raumlayout des gesamten Werkes stützt unser Bestreben nach Sterilität. Beide Abfülllinien sind klar voneinander getrennt, ebenso wie das Personal der unterschiedlichen Reinraumbereiche.

Zu den Klasse- A-Bereichen setzen wir auf ein Restricted Access Barrier System, kurz RABS, um die Produktion so keimfrei wie möglich zu halten. Darüber hinaus finden alle pharmazeutischen Prozesse, die normalerweise in Reinraumbereichen der Klasse D vorgenommen werden sollen, bei uns in Klasse C statt.

Zusätzlich hat unser Unternehmen mit der Reinraumklasse D einen neuen Standard eingeführt, der für mehr Sicherheit und höhere Qualität sorgt. Mit anderen Worten - wir erfüllen nicht nur die geforderten Normen, sondern gehen weit darüber hinaus.

 


Warum haben Sie im Bereich der Abfüllung auf das RABSKonzept gesetzt?

T. Otto: Ein Raum, in dem sich Menschen befinden, kann nicht gleichwenig Keime enthalten wie ein Raum, in dem keine Menschen sind. Die Einsicht, dass der Mensch der größte Verursacher von Verunreinigungen in der pharmazeutischen Produktion ist, hat uns dazu gebracht, RABS einzusetzen: Wir trennen Mensch und Maschine - die Abfüllung erfolgt vollautomatisch.

Die Anlagenbetreiber müssen nur noch bei Störungen oder beim Nachfüllen von Stopfen eingreifen - und zwar in erster Linie über in die Trennwände integrierte sterile Handschuhe, so genannte Gloves.

 


Wie wird die Dokumentation mit Aufzeichnungen über Qualitätssicherung und Chargenrückverfolgung erstellt?

T. Otto: Um eine lückenlose Dokumentation zu ermöglichen, werden alle Maschinen und Geräte, die wir in der Produktion verwenden, zertifiziert. Dabei wird erfasst, aus welchen Materialien sie bestehen und aus welcher Herstellungscharge sie stammen. Vor, während und nach der Produktion können Komponenten und Substanzen, die für die Fertigung notwendig sind, genau nachverfolgt werden.

Die Glaskörper werden mit einem Code versehen - alle Herstellungsschritte sind damit transparent. Die Daten aus allen Reinräumen werden zentral erfasst und können jederzeit abgerufen werden. Dadurch können wir Abläufe umfassend dokumentieren und die Einzelheiten der Produktion nachvollziehen.

 

Inwiefern können Maßnahmen zur Fälschungssicherheit bei den gefüllten Spritzen eingesetzt werden?

T. Otto: Fälschungssicherheit ist ein zentrales Thema und so aktuell wie nie. Gerade Produzenten hochwertiger Medikamente werden heute vermehrt mit Nachahmungen oder Manipulationen ihrer Produkte konfrontiert.

Wir bieten mit unserem Originalitätsverschluss V-OVS eine Lösung: Das Originalitätssiegel sichert die einmalige Verwendung von Spritzen. Einmal aufgebrochen, kann es nicht wieder verschlossen werden.

Eine bereits erfolgte Öffnung wird durch den Siegelbruch ersichtlich und eine Mehrfachnutzung dadurch ausgeschlossen. Für Pharma- und Biotech-Unternehmen bedeutet diese Verschlusstechnik mehr Sicherheit, für die Patienten einen optimalen Schutz vor gefälschten Arzneimitteln.

 


Welche Flexibilität verfügen die Anlagen im Bereich der Endkonfektionierung der Spritzen?

T. Otto:
Wir unterstützen den Kunden bei der Anpassung seiner Etiketten und Sekundär- Verpackungen an die spezifischen Vorgaben. Das ist für sie von höchster Wichtigkeit, denn nur so sind ihre Produkte wiedererkennbar und können sich vom Wettbewerb abheben.

Wir berücksichtigen auch die Bedürfnisse spezieller Zielgruppen - beispielsweise durch eine Prägung der Produktinformationen in Blindenschrift oder eine Verpackung in leicht zu öffnende Blisterverpackungen. Bei Bedarf montieren wir auch Safety-Device-Systeme, um mit einem Nadelschutz Gesundheitspersonal und Patienten vor Stichverletzungen zu schützen.

Die Verpackungsbeileger können nach den Wünschen unserer Kunden gestaltet werden. So können den Arzneimitteln Booklets, Alkoholtupfer oder auch sterile Nadeln in der Sekundärverpackung beigefügt werden.