Anlagenbau & Prozesstechnik

Die Polizei, dein Freund und Helfer?

29.07.2013 -

Die Polizei, dein Freund und Helfer? – Durchsuchungen und Beschlagnahmen bei Unternehmen.

Viele Unternehmen trifft es unvorbereitet, wenn Ermittlungsbehörden vor der Tür stehen, um Beweismittel sicher zu stellen oder Beschlagnahmen durchzuführen.

Was Unternehmen tun können, um Schaden vom Unternehmen abzuwenden, ohne gesetzeswidrig zu handeln, erklärt Dr. Sabine Stetter, Rechtsanwältin der Münchner Kanzlei Peters, Schönberger & Partner, im Interview mit CHEManager.

 


CHEManager: Frau Dr. Stetter, wann kann es zu Durchsuchungen und Beschlagnahmen kommen und was bedeutet das für den Betroffenen?

S. Stetter: Zu Durchsuchungen kommt es dann, wenn für die Ermittlungsbehörden der Verdacht einer Straftat besteht und anzunehmen ist, dass bei dem Betroffenen Beweismittel aufgefunden werden können.

Da in der Regel nicht mit einer freiwilligen Herausgabe der Beweismittel gerechnet wird, wird deren Beschlagnahme angeordnet.

Es ist wichtig zu wissen, dass Durchsuchungen nicht nur beim Verdächtigen zulässig sind, sondern auch bei unverdächtigen Dritten.

Durchsuchungen stellen für die Betroffenen fast immer eine Ausnahmesituation dar.

Bei Unternehmen sind eine starke Beeinträchtigung des laufenden Geschäftsbetriebs, Rufschäden, eine Gefährdung bestehender Geschäftsbeziehungen und in entsprechend gelagerten Fällen sogar Gewinnabschöpfungsmaßnahmen zu befürchten.

 


Gehen die Staatsanwaltschaften heute konsequenter vor als früher?

S. Stetter: Auf jeden Fall. Dies ist darauf zurückzuführen, dass man in den letzten Jahren damit begonnen hat, bestimmte Straftaten, die mitunter im unternehmerischen Bereich vorkommen, gezielt zu bekämpfen.

Infolgedessen stellen Durchsuchungen bei Unternehmen zwischenzeitlich keine Besonderheit mehr dar.

 


Können sich Unternehmen auf Durchsuchungen und Beschlagnahmen vorbereiten? Wenn ja, wie kann das geschehen?

S. Stetter: Unternehmen, die sich auf Durchsuchungen und Beschlagnahmen vorbereitet haben, können sich und ihre Angehörigen durch einen professionellen Umgang mit dieser Situation schützen.

Auch wenn die psychologische Hemmschwelle groß ist - es gehört zu einer verantwortungsvollen Unternehmensleitung, derartige Fälle in Betracht zu ziehen und die Belegschaft darauf vorzubereiten.

Dies kann auf relativ einfache Art und Weise durch Verteilung von „Verhaltensregeln bei Durchsuchungen" geschehen.

Dabei ist jedoch zu beachten, dass selbst die besten Regeln im Ernstfall nichts nützen, wenn sie nicht wirklich verstanden wurden und entsprechend umgesetzt werden.

Deshalb empfiehlt es sich, zusätzlich spezielle Schulungen durchzuführen.

 

 

An wen können sich Unternehmen wenden?

S. Stetter: Der richtige Ansprechpartner sind Strafrechtsexperten, die auf dem Gebiet Wirtschaftsstrafrecht erfahren sind.

 


Verhaltensregeln für Durchsuchungen bei Unternehmen (Stand: März 2008) Diese Hinweise sollen Mitarbeiter in die Lage versetzen, mit Durchsuchungs- und Beschlagnahmemaßnahmen von Ermittlungsbehörden sachgerecht umzugehen. Generell sollte den Beamten selbstbewusst aber höflich und freundlich gegenübergetreten werden. Bitte beachten Sie die folgenden Verhaltensempfehlungen:

 

  1. Informieren Sie - wenn möglich - unverzüglich oder gegebenenfalls nach Ablauf einer verhängten Kontaktsperre die Geschäftsleitung/Rechtsabteilung und einen Rechtsanwalt.
  2. Bitten Sie die Beamten von Steuerfahndung/Polizei und Staatsanwaltschaft, mit Ihnen in Räumlichkeiten zu gehen, die dem allgemeinen Kundenverkehr nicht zugänglich sind, so dass der Geschäftsbetrieb so wenig wie möglich beeinträchtigt wird.
  3. Bitten Sie die Beamten, mit den Durchsuchungsmaßnahmen erst dann zu beginnen, wenn ein Rechtsanwalt bzw. das zuständige Mitglied der Geschäftsleitung/Rechtsabteilung erschienen ist.
  4. Stellen Sie fest, gegen wen sich das durch die Behörden geführte Ermittlungsverfahren richtet und lassen Sie sich nach Möglichkeit den richterlichen Durchsuchungs- bzw. Beschlagnahmebeschluss aushändigen.
  5. Prüfen Sie den Durchsuchungsbeschluss insbesondere daraufhin, ob dieser der jüngste Beschluss und nicht älter als sechs Monate ist (danach unwirksam), ob die Durchsuchung nach § 102 StPO (beim Beschuldigten) oder nach § 103 StPO (bei Dritten) erfolgt. Informieren Sie den Rechtsanwalt bzw. - wenn möglich - das Mitglied der Geschäftsleitung/ Rechtsabteilung nach seinem Erscheinen umgehend über Ihre zwischenzeitlich gewonnenen Erkenntnisse. Beachten Sie, dass eine Durchsuchung bei unverdächtigen Dritten gemäß § 103 StPO nur zur Ergreifung des Beschuldigten oder zur Verfolgung von Spuren einer Straftat bzw. zur Beschlagnahme bestimmter, im Durchsuchungsbeschluss konkret bezeichneter Gegenstände zulässig ist.
  6. Geben Sie - ohne Rechtsbeistand - keine Erklärungen zur Sache ab. Durchsuchungsmaßnahmen werden von Ermittlungsbeamten erfahrungsgemäß häufig genutzt, um aus scheinbar belanglosen Gesprächen oder harmlosen Fragen wertvolle Informationen zu gewinnen. Sofern Ihnen eröffnet wird, dass Sie Beschuldigter des durch die Behörden geführten Ermittlungsverfahrens sind, machen Sie unbedingt von dem Ihnen zustehenden Schweigerecht Gebrauch. Setzen Sie Ihr Recht durch, vor Ihrer Vernehmung einen Verteidiger konsultieren zu dürfen. Sofern Sie als Zeuge während der Durchsuchungsmaßnahme zur Sache vernommen werden sollen, bitten Sie, den Beginn der Vernehmung bis zum Eintreffen eines Rechtsanwalts als Zeugenbeistand zu verschieben. Die Ermittlungsbehörden haben das Recht, Sie - ohne vorherige Aufklärung über das Recht einen Zeugenbeistand hinzuzuziehen - zu vernehmen. Daher verlangen Sie einen Zeugenbeistand und machen Sie bis zu dessen Eintreffen keine Angaben. Verweisen Sie darauf, dass Sie - da Sie die genannten Hintergründe des Verfahrens nicht kennen - nicht abschätzen können, ob Sie im Falle einer Aussage Gefahr laufen, sich selbst zu belasten. Sollten Sie von einem anwesenden Staatsanwalt oder Polizeibeamten danach befragt werden, wo sich bestimmte Gegenstände, die im Durchsuchungsbeschluss näher bezeichnet sind, befinden, sollten diejenigen Angaben gemacht werden, durch die Sie sich sicher nicht selbst belasten und durch die den Ermittlungsbehörden das Auffinden der in Rede stehenden Gegenstände ermöglicht wird. Beispiel: Die Durchsuchung soll der Sicherstellung bestimmter Gegenstände, beispielsweise von Buchhaltungsunterlagen, dienen. Die Buchhalterin wird von dem anwesenden Staatsanwalt danach befragt, wo sich diese Unterlagen befinden. Diese Angaben sollten von ihr grundsätzlich auch ohne Anwesenheit eines Zeugenbeistands umgehend gemacht werden, da ansonsten Ordnungs- und Zwangsmittel gegen die Buchhalterin festgesetzt werden könnten. Würde der anwesende Staatsanwalt die Buchhalterin hingegen nach Einzelheiten zu Vorgängen befragen, die im Durchsuchungsbeschluss beschrieben sind, beispielsweise wie bestimmte Dinge buchhalterisch erfasst wurden, sollte auf die Anwesenheit eines Zeugenbeistands bestanden werden.
  7. Die Durchsuchung kann möglicherweise durch tatsächliche Herausgabe der gesuchten Beweismittel abgewendet werden. Auch wenn Sie kooperieren und den Beamten die gesuchten Unterlagen vorlegen, bestehen Sie auf deren förmliche Beschlagnahme. Lassen Sie diese „unfreiwillige Herausgabe" protokollieren.
  8. Sofern die gesuchten Gegenstände für den Geschäftsbetrieb benötigt werden, fertigen Sie sich - wenn möglich - Kopien an oder überlassen diese den Ermittlungsbeamten.
  9. Achten Sie darauf, dass die Beamten ausschließlich nach den im Durchsuchungsbeschluss bezeichneten Beweismitteln suchen und verhindern Sie so weit wie möglich gezieltes Suchen nach so genannten Zufallsfunden.
  10. Sofern einige Unterlagen beschlagnahmefrei sein könnten, wirken Sie darauf hin, dass diese in versiegelter Form mitgenommen werden.
  11. Verlangen Sie nach Beendigung der Durchsuchung ein detailliertes Verzeichnis der beschlagnahmten Beweismittel.

 


Kontakt:
Dr. Sabine Stetter

Peters, Schönberger & Partner, München
Tel.: 089/38172-0
Fax: 089/38172-204
s.stetter@pspmuc.de