Aus der Not wird eine Tugend
22.04.2013 -
Aus der Not wird eine Tugend – Elektronische Kommissionierung in der Reinigungsmittelindustrie. Beim Familienunternehmen Delta Pronatura gab es in der Vergangenheit keine elektronische Kontrolle bei der Kommissionierung.
Lediglich der Mitarbeiter an der Waage prüfte kurz den Inhalt, was immer wieder zu Rückläufern führte. Diese umzupacken, wieder einzulagern und neu zu kommissionieren kostet Zeit und Geld.
Die elektronische Erfassung mit Scannern und die Anbindung an die Unternehmenssoftware war also eine Möglichkeit, mehr Sicherheit beim Kommissionieren zu bekommen.
Rund 150 Einzelpakete und 20 Paletten mit durchschnittlich je 50 Päckchen verlassen täglich das Warenlager von Delta Pronatura in Egelsbach. Der Hersteller des bekannten Dr. Beckmann-Fleckensalzes und anderer Reinigungs-, Körperpflege-und Pharmaprodukten beliefert in Deutschland eine Vielzahl an Kunden, darunter große Handelsketten.
Jede bis 12 Uhr mittags eingehende Bestellung wird noch am selben Tag bearbeitet. Das sorgt für ein beachtliches Arbeitspensum für die Kommissionierer, die nicht nur flink, sondern auch genau sein müssen.
Schnell landet ein falsches Reinigungsmittel im Paket oder man packt statt der bestellten zehn Stück Gallseife nur fünf in den Karton.
Kein DESADV, kein Kostenrückgang
Entstanden war die Idee für das elektronische Kommissionieren jedoch, da immer mehr Kunden von Delta Pronatura das EDI-Format DESADV für das Lieferavis verlangten.
Schließlich wollen Händler in der Regel bereits vor Eintreffen der Ware wissen, was sie an Lieferung zu erwarten haben. Dafür brauchen sie die Liefermeldung, die sie in ihr Warenwirtschaftssystem übernehmen.
Dies geschieht entweder manuell oder elektronisch mittels eines Datenformates, das von jedem EDV-System sofort gelesen werden kann. Da die zweite Alternative weniger aufwändig ist, verlangen Handelsunternehmen zunehmend von ihren Lieferanten die Bereitstellung von DESADV.
Im Bestell- und im Rechnungswesen kommunizierte Delta Pronatura mit den Händlern bereits elektronisch über die Formate ORDERS und INVOIC.
Nun wollte man auch die Übermittlung der Lieferdaten digitalisieren. „Es war zu erwarten, dass unsere Kunden zusätzliche Konditionsforderungen stellen", sagt Jörg Hirte, kaufmännischer Direktor von Delta Pronatura und fährt fort:
„Wahrscheinlich hätten sie uns den Aufwand für die manuelle Erfassung der Liefermeldungen aufgebürdet." DESADV einzuführen bedeutete aber, auf digitale Kommissionierung umzustellen. Denn das Format setzt die elektronische Datenerfassung voraus.
Ein wichtiger Zusatzeffekt war, dass man auf diese Weise auch mehr Sicherheit erzielt.
Datenabgleich und Etikettierung
Delta Pronatura verwendet als Handling Units Einzelpakete sowie sortenreine und gemischte Paletten. Sowohl die Handling Units als auch die einzelnen Artikel besitzen Barcodes (EAN), die mit mobilen Erfassungsgeräten gescannt werden.
Per Funk wird die Entnahme aus dem Lager und die Zuordnung zur jeweiligen Packeinheit an die Unternehmenssoftware mySAP ERP gemeldet. Das Lager ist über Sende- und Empfangsstationen vernetzt, so genannte WLAN-Access-Points.
Geht eine Bestellung bei Delta Pronatura ein, erzeugt das SAP-System einen Auftrag mit Kommissionierliste. Diese besitzt ebenfalls einen Barcode, den der Kommissionierer zunächst scannt.
Damit hat er alle Daten auf seinem Display und weiß, was er einpacken muss. Es wird immer erst die Nummer der Liste gescannt, anschließend die Nummer der Packeinheit und dann sukzessive jeder einzelne Artikel.
Vergisst der Kommissionierer Produkte oder packt er falsche bzw. zu viele davon ein, bekommt er eine Warnmeldung. Er kann den Auftrag erst dann abschließen, wenn die tatsächlich kommissionierte Ware mit den Daten auf seinem Display übereinstimmt.
Anschließend wird das Paket gewogen und erhält ein Gewichtsetikett. Dafür nutzt das Unternehmen eine Waage von Mettler-Toledo, die ebenfalls an das SAP-System angebunden ist.
Indem der Kommissionierer den Barcode der Verpackung scannt, wird der entsprechende Auftrag von der Wiegesoftware identifiziert. Damit weiß sie auch, welche Artikel zu erwarten sind und wie schwer das befüllte Paket sein muss.
Im System ist für jeden Artikel und jede Kartonage das Gewicht mit einer bestimmten Toleranz hinterlegt. Über das gemessene Gewicht der Kartonage lässt sich kontrollieren, ob tatsächlich die richtigen Produkte kommissioniert wurden.
Bei zu großen Abweichungen bekommt der Mitarbeiter an der Waage eine Warnmeldung. Das Wiegen bietet somit eine zusätzliche Sicherheit. Das Besondere an diesem Projekt: Die digitale Kommissionierung wurde ohne ein SAP-Lagerverwaltungssystem umgesetzt.
Seltene Rückläufer
Auch die Paletten werdengewogen und erhalten einen Barcode, der im System erfasst wird. Über diesen identifiziert man nicht nur Stellplatz und Gewicht der Palette, sondern auch die einzelnen Pakete.
So lässt sich anhand des Barcodes über alle Ebenen hinweg lückenlos nachvollziehen, welche Artikel sich in welcher Stückzahl auf welchen Paletten und in welchen Einzelkartons befinden.
Die Informationen Name und Stückzahl der Produkte sowie das Gewicht der Paletten und Pakete gehen als DESADV aus dem SAP-System heraus an den jeweiligen Kunden. Einige Händler wollen trotzdem nach wie vor einen herkömmlichen Lieferschein.
Auch hier kommissioniert Delta Pronatura heute fast komplett elektronisch. Lediglich die Kommissionierliste wird noch gedruckt und vom Warehouse-Manager an den Lagermitarbeiter übergeben.
Laut Jörg Hirte zahlt sich die digitale Kommissionierung für das Unternehmen aus. So habe man die Rückläuferquote entscheidend gesenkt, auch wenn dies nicht das primäre Ziel gewesen sei. Heute gibt es so gut wie keine Reklamationen mehr.
Dass das Projekt so erfolgreich umgesetzt wurde, ist nicht zuletzt ein Verdienst von D&J Consulting und Cormeta. Beide Unternehmen hatten bei der Umstellung auf die digitale Kommissionierung miteinander kooperiert.
„Die Cormeta-Berater haben bewiesen, dass sie zu den ersten Adressen im SAP-Umfeld gehören", resümieren einstimmig Jörg Hirte sowie Susann Dort und Janko Janev, die beiden Geschäftsführer von D&J Consulting.
EDI, EANCOM und DESADV
Mehr als 60.000 Anwender weltweit tauschen Daten zwischen verschiedenen Computersystemen aus (Electronic Data Interchange - EDI). Das Prinzip von EDI: Die Daten sind hinsichtlich Syntax und Semantik einheitlich und präzise strukturiert und besitzen ein maschinenlesbares Format.
Unter Syntax ist die Ordnung der Zeichen zu verstehen, beispielsweise wie ein Datum abgebildet ist. Bei der Semantik geht es um Bedeutung und Inhalt der Zeichenfolge, also wie man ein Datum beispielsweise als Liefertermin qualifiziert.
Der am weitesten verbreitete EDI-Nachrichtenstandard ist EANCOM und wurde Anfang der 90er Jahre speziell für die Konsumgüterwirtschaft entwickelt.
Inzwischen arbeiten damit vor allem Unternehmen in Industrie, Handel, Logistik und Verwaltung. Das Format basiert auf dem von den Vereinten Nationen festgelegten globalen EDI-Standard EDIFACT, reduziert aber dessen zahlreiche Interpretationsmöglichkeiten.
Es legt klare Regeln, Beschreibungen, Erklärungen und Beispiele zur detaillierten Nutzung von EDIFACT-Nachrichten fest. Derzeit existieren rund 50 EANCOM-Typen, zu denen ORDERS (Bestellung), DESADV (Lieferavis) und INVOIC (Rechnung) gehören.
Diese Nachrichten werden ausgetauscht, um Bestellungen, Liefermeldungen und Rechnungen schneller zu erstellen und zu bearbeiten.
DESADV (Dispatch Advice) beschreibt Einzelheiten über Waren, die unter vereinbarten Bedingungen geliefert worden sind oder zur Lieferung bereitstehen.
Kommissionierung bei Delta Pronatura: Technische Daten
- Unternehmenssoftware: mySAP ERP
- Handheld/Scanner: Symbol PDT 8146
- Funkverbindung: Wireless Local Area Network (WLAN)
- Server: SLTelnet von Seattle Lab
- Waage: Mettler Toledo ID7 MTBalco mit Eigenprogrammierung
- Etikettendruck: Software Etimark
Kontakt:
Cormeta AG, Ettlingen
Tel.: 07243/590-6888
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