Pall: Prozesschromatographie & Optimierungspotentiale Teil 2
Mixed-Mode Sorbentien und Membranen für Capture und Purification zur effizienten und wirtschaftlichen Proteinaufreinigung
Schon in den 70er Jahren experimentierten findige Forscher mit ausgefallenen Mixed-Mode Liganden an den Sorbentien für chromatographische Trennungen, doch lagen im Prozessmaßstab kommerziell verfügbare Sorbentien damals noch in weiter Ferne. Mittlerweile aber haben Mixed-Mode Sorbentien massiven Zugang in die Prozessentwicklung für neue chromatographische Verfahren gefunden. Ein Beispiel ist die in den industriellen Maßstab skalierbare HyperCel Mixed-Mode Plattform zur Proteinaufreinigung. Der Begriff Mixed-Mode bezeichnet einen multiplen Retentionsmechanismus als Grundlage der Wechselwirkungen zwischen der Probe und dem Sorbens. Im ersten Teil dieses Fachbeitrages, der in CHEManager 4/2008 Ende Februar erschienen ist, wurde der „Status Quo" in der Prozesschromatographie beschrieben, mögliche Optimierungspotentiale erörtert und die Leistungsgrenzen der Ionenaustauschchromatographie (IEC), Affinitätschromatographie (AC) und der hydrophoben Interaktionschromatographie (HIC) beschrieben.
Die Entwicklung innovativer Mixed-Mode-Sorbentien und Membranen für die moderne Prozesschromatographie bedeutet für den Anwender wesentliche Leistungsvorteile. So bietet die Familie der HyperCel Mixed-Mode-Sorbentien neue Selektivitäten zum Proteincapture und der Abtrennung unerwünschter Kontaminanten aus unverdünnten Feedstreams. Der multiple Retentionsmechanismus erlaubt die Abtrennung der Zielproteine von Aggregaten, Missfaltungen und Kontaminanten. Sie erfolgt auf der Basis von Hydrophobizitäts- und pI-Unterschieden, sodass auch komplexere Aufreinigungen bewältigt werden können. Alle HyperCel-Sorbentien lassen sich als leistungsstarke Alternative zur hydrophoben Interaktionschromatographe in Abwesenheit hoher Salzkonzentrationen einsetzen.
arüber hinaus eignet sich MEP HyperCel als Protein A-Alternative zur kosteneffizienten Aufreinigung monoklonaler Antikörper. Die neuen Mixed-Mode-Sorbentien können die notwendige Anzahl an chromatographischen Aufreinigungsschritten im Prozess verringern, während die ergänzende Anwendung der Membranchromatographie den finalen Polishing-Schritt zur Abtrennung von Spurenverunreinigungen beschleunigt und vereinfacht. Die biopharmazeutische Produktion erhält damit neue Werkzeuge zur effizienten und wirtschaftlichen Proteinaufreinigung im Prozessmaßstab.
Die Mixed-Mode Sorbentien-Plattform
Die Mixed-Mode Sorbentien-Plattform von Pall umfasst die drei synthetischen Sorbentien MEP HyperCel, HEA HyperCel und PPA HyperCel, deren Liganden auf einer robusten Matrix verankert sind (Abb. 1). In der Praxis werden die Sorbentien bereits in Säulen mit einem Volumen von mehreren 100 l eingesetzt. Die Tabelle fasst wichtige chemisch-physikalische Eigenschaften der Hypercel Mixed-Mode Sorbentien zusammen.
Retention unter physiologischen Bedingungen
Der HyperCel Mixed-Mode Retentionsmechanismus basiert primär auf hydrophoben Wechselwirkungen unter neutralen („physiologischen") Bedingungen (PBS, pH 7,4). Die Zugabe von Ammoniumsulfat oder anderer anti-chaotroper Salze in hoher Konzentration, die seitens der ebenfalls auf hydrophoben Wechselwirkungen basierenden hydrophoben Interaktionschromatographie (HIC) unabdingbar ist, entfällt. Die Elution erfolgt nach moderater pH-Senkung im Sinne eines Stufengradienten durch elektrostatische Abstoßung gleicher (positiver) Ladungen. In der Regel reichen pH-Werte der mobilen Phase zwischen pH 4,5 und pH 4,0 aus. Stärker saure Bedingungen sind nicht erforderlich.
MEP HyperCel ist unter Beladungsbedingungen nicht geladen, während die Proteine (partiell) positiv geladen vorliegen. Die pH-Senkung bewirkt eine Ladungsinduktion durch Protonierung des Pyridinrings der Liganden und eine Verstärkung der Proteinladung. (Dieser Sonderfall wird auch als Hydrophobic Charge Induction Chromatography, HCIC, bezeichnet.) HEA HyperCel und PPA HyperCel sind dagegen bereits unter Beladungsbedingungen (partiell) positiv geladen, sodass die pH-Senkung eine Verstärkung der positiven Sorbens- und Proteinladung bewirkt. Als Folge ergibt sich die angesprochene elektrostatische Abstoßung gleicher (positiver) Ladungen. Sobald diese die hydrophoben Wechselwirkungen in ihrer Stärke übertrifft, löst sich die Probe von der Säule (Abb. 2a/2b).Die Aufreinigung stark basischer Proteine, die unter Standardbeladungsbedingungen (pH 7,4) bereits eine signifikante positive Ladung tragen, erfordert die Einstellung basischerer Bedingungen zur Probenaufgabe. In der Praxis empfiehlt sich dann die Einstellung eines höheren pH-Werts von etwa pH 8. Die Elution erfolgt weiterhin durch pH-Senkung im Zuge eines Stufengradienten. Somit bleibt der pH-Wert der mobilen Phase der entscheidende Parameter, das wichtige „Schräubchen zum Drehen". Das einheitliche Funktionsprinzip der HyperCel-Plattform bedeutet eine wichtige Vereinfachung in der frühen Methodenentwicklung.
Elutionsfolge
Als Faustregel lässt sich festhalten, dass basische Proteine infolge ihrer Struktur vor sauren Proteinen eluieren: je höher der isoelektrische Punkt, desto früher die Elution. Darüber hinaus eluieren hydrophilere Proteine vor hydrophoberen. In der Praxis lassen sich die Zielproteine somit nach basischeren und hydrophileren Kontaminanten von der Säule lösen, während saurere und hydrophobere Verunreinigungen weiter auf dem Sorbens verbleiben. Sie lassen sich in der Regenerationsphase bequem entfernen. Aggregate, die generell hydrophober als das entsprechende Monomer sind, lassen sich sicher abtrennen. Sie eluieren infolge der stärkeren Wechselwirkung mit dem Sorbens zeitlich nach dem monomeren Zielprotein (Abb. 3).
Die HyperCel Mixed-Mode Plattform bietet neue Selektivitäten zur Proteinaufreinigung (orthogonal zu IEX & HIC) und eignet sich insbesondere zur Aufreinigung monoklonaler Antikörper sowie anderer rekombinanter Proteine und Enzyme (Abb. 4).
HIC in Gegenwart moderater Salzmengen
Alle drei HyperCel Mixed-Mode Sorbentien eignen sich als Alternative zur klassischen hydrophoben Interaktionschromatographie (HIC) für die Aufreinigung rekombinanter Proteine und Enzyme bei gleichzeitiger Abreicherung von DNA und Endotoxinen. Sie sind deutlich hydrophober als die meisten anderen zur Proteinaufreinigung verfügbaren hydrophoben Sorbentien, sodass ein hydrophober Interaktionsmechanismus bereits in Abwesenheit größerer Salzmengen unter neutralen Bedingungen erreicht werden kann. Die Bindungskapazitäten klassischer HIC-Sorbentien sind dagegen unter diesen „physiologischen" Bedingungen vernachlässigbar gering.
Die Zugabe HIC-typischer Salze in hohen Konzentrationen kann allerdings, falls notwendig, zur Retentionsverstärkung eingesetzt werden. Alle HyperCel Mixed-Mode Sorbentien sind mit anti-chaotropen Salzen wie Ammoniumsulfat vollständig kompatibel. Im Falle einer nicht befriedigenden Bindungskapazität ließe sich somit eine Optimierung des Retentionsverhaltens durch Zugabe geringer Salzmengen erreichen. So können Proteine nach Zugabe anti-chaotroper Salze sogar unterhalb ihres isoelektrischen Punkts (pI) gebunden werden. Die Elution erfolgt in diesem Fall durch Senkung der Salzkonzentration. Die hierfür sinnvollen Salzausgangskonzentrationen (0,5-1 M) liegen deutlich unter denen für die klassische Hydrophobe Interaktionschromatographie (bis 3 M).
Die Ligandendichte der HyperCel Mixed-Mode Sorbentien ist auf maximale dynamische Bindungskapazität optimiert. Aus vermutlich sterischen Gründen ergäbe eine weitere Erhöhung der Ligandendichte keine weitere Steigerung dieses Parameters. Analog zur Hydrophoben Interaktionschromatographie, die auch als entropiegetriebene Chromatographie bezeichnet wird, erhöht sich die dynamische Bindungskapazität im Falle der HyperCel Mixed-Mode-Sorbentien mit steigender Temperatur. Aus Anwendersicht bedeutet dies, dass eine Temperaturkontrolle von großer Bedeutung ist (Abb. 5).
Die generell milderen chromatographischen Bedingungen gewährleisten in der Praxis einen hohen Erhalt der biologischen Funktionalität der Zielproteine. Der spezifische Mixed-Mode-Mechanismus macht es möglich, Aggregate, Missfaltungen und Kontaminanten in einem Schritt abzutrennen. Das Zielprotein wird in verdünnter Pufferlösung mit moderater Leitfähigkeit (z.B. 50 mM Natriumcitrat, pH 4) gewonnen. Darüber hinaus ergeben sich Vorteile ökologischer und ökonomischer Art.
Protein A Alternative zum günstigen Preis
Monoklonale Antikörper (Mabs) repräsentieren derzeit etwa 35% aller sich in klinischen Studien befindlichen Proteine. Die chromatographische Aufreinigung erfolgt bevorzugt mittels Protein A-Affinitätschromatographie. Ein wesentlicher Nachteil der Verwendung dieses Liganden ist allerdings der sehr hohe Preis von 8.000-12.000 € pro Liter Sorbens. Protein A-Sorbentien sind damit ein wesentlicher Kostenfaktor, den die Industrie gerne senken möchte.
MEP HyperCel eignet sich mit seinen maßgeschneiderten 4-Mercaptoethylpyridin-Liganden als Alternative zur Protein A-Chemie. Die Liganden enthalten mit ihrem heterozyklischen Pyridinring und der Thioetherstruktur Elemente, die in dieser Kombination eine hohe Antikörper-Affinität aufweisen. MEP HyperCel lässt sich zur Aufreinigung verschiedenster Spezies und Subklassen monoklonaler Antikörper einsetzen. Die Bindungskapazitäten entsprechen in etwa denen gängiger Protein A Sorbentien.
Neben den geringeren Kosten ergeben sich weitere wichtige Anwendungsvorteile. Die Elution erfordert vergleichsweise milde pH-Werte. Sie erfolgt auf MEP HyperCel in der Regel im Bereich um pH 4,5 bis pH 4,0, während die Elution auf Protein A Sorbentien typischerweise die angesprochene Senkung auf Werte von pH 3,0 (oder geringer) erfordert. Mildere Elutionsbedingungen sind insbesondere für die große Gruppe von Antikörpern von elementarer Bedeutung, die bereits ab pH 4 zu Aggregatbildung und Ausfällung neigen.
MEP HyperCel ist darüber hinaus gegenüber harschen Regenerationsbedingungen (1 N NaOH) resistent (200 CIP-Zyklen), woraus unmittelbar eine höhere Lebensdauer und eine nochmalige Steigerung der Wirtschaftlichkeit folgt. In Verbindung mit den erheblich niedrigeren Sorbenskosten ergibt sich somit in der Summe ein signifikanter Preisvorteil.
Fertigsäulen zum Selektivitätsscreening
Die effiziente Gestaltung leistungsstarker chromatographischer Aufreinigungsverfahren im Downstream-Bereich biotechnologischer Produktionsprozesse setzt ein schnelles und verlässliches Screening potentiell geeigneter Sorbentien im Entwicklungsmaßstab voraus. Aus diesem Grund sind alle HyperCel Mixed-Mode-Sorbentien in PRC-Fertigsäulen für den Labormaßstab verfügbar (Abb. 6). Die aus Polypropylen gefertigten Chromatographiesäulen (Dimension: 5 x 50 mm, Säulenvolumen: 1 ml) sind zudem als druckstabile Ceramic HyperD („Gel-in-a-Shell") Ionenaustauscher verfügbar. Sie eignen sich beispielsweise zur Aufreinigung monoklonaler und polyklonaler Antikörper, rekombinanter Proteine, Enzyme, Plasmide oder Vakzine. Alle PRC-Säulen, die sich durch hohe Bodenzahlen auszeichnen, können an jedes handelsübliche Chromatographiesystem angeschlossen werden. Sie stellen eine hervorragende Grundlage für die spätere Aufskalierung dar, da sich alle verfügbaren Sorbentien im Labor-, Pilot- und Produktionsmaßstab nutzen lassen.
Die Säulen ergänzen die Familie der LRC-Leersäulen, die mit unterschiedlichen Innendurchmessern (10 mm, 15 mm, 25 mm und 50 mm) und Zylinderlängen (bis 750 mm Betthöhe) erhältlich sind. Die aus Borsilikatglas gefertigten Säulen halten Drücken von bis zu 30 bar stand. Sie verfügen über ein anwenderfreundliches „Screw-Lock-System" mit einlassseitig beweglichem Kunststoffkolben, der die Einstellung von Betthöhen bis 750 mm und damit verbundenen Säulenvolumina bis 900 ml ermöglicht. Auch die Leersäulen sind mit allen handelsüblichen Chromatographiesystemen kompatibel.
Polishing mit Membranadsorbern
Machen die neuen Mixed-Mode Sorbentien die Durchführung eines finalen Polishing-Schritts im Downstream Processing überflüssig? Eher nein. Sie tragen zwar zu einer erheblichen Senkung der Konzentrationen unerwünschter Spurenverunreinigungen (DNA, Endotoxine, Viren, Wirtszellproteine) bei, doch wird deren sichere Entfernung in der Regel auch weiterhin einem separaten Chromatographieschritt vorbehalten bleiben. Dieser darf allerdings keinen zeitlichen Engpass verursachen, sodass der Faktor Geschwindigkeit für das Polishing einen sehr wichtigen Aspekt darstellt. An dieser Stelle liegt das große Potential der Membranchromatographie.
Eine erfolgreiche chromatographische Aufreinigung erfordert generell eine gute Zugänglichkeit der porösen Matrix. In ihr befindet sich der größte Teil der Oberfläche und somit der Liganden, die für die Wechselwirkungen mit der Probe von entscheidender Bedeutung sind. Können Moleküle infolge ihrer Größe oder infolge zu hoher Flussraten nicht in diese Poren eindringen, liefert die chromatographische Trennung keine befriedigenden Ergebnisse. Die offenporigere Struktur von Membranen (~ 8.000 Å) gegenüber der von Sorbentien (~ 1.000 Å) ermöglicht somit eine effiziente Retention auch größerer Makromoleküle bei höheren Flussraten. Der Anwender profitiert von sehr hohen dynamischen Bindungskapazitäten und erfreut sich zudem an einem gegenüber klassischen Sorbentien geringeren Kostenaufwand. Die größere Dimension einer klassischen Säule für vergleichbare Geschwindigkeiten würde erhebliche Mehrkosten verursachen, die aus chromatographischer Sicht weder notwendig noch vertretbar sind.
Die Überlegung, den Polishing-Schritt im Flow Through-Modus durchzuführen, ergibt sich aus der Tatsache, dass das Zielprotein bereits in hoher Konzentration und Reinheit vorliegt. In diesem Modus werden nur die abzutrennenden Spurenverunreinigungen retardiert, während das Zielprotein nicht zurückgehalten wird. Die Verunreinigungen tragen unter Prozessbedingungen allesamt negative Ladungen, sodass in der Regel Anionenaustauscher (Q Modifikation) eingesetzt werden. Sie lassen sich als Single Use-Kapsulen nach Gebrauch bequem mitsamt der Verunreinigungen entsorgen. Da keine Reinigung (und Reinigungsvalidierung) erforderlich ist, liegt hier zudem ein signifikantes Kostensenkungspotential.
Auch der initiale Capture-Schritt kann unter dem Aspekt der Geschwindigkeit gesehen werden. Somit kann die Membranchromatographie auch an dieser Stelle wertvolle Dienste leisten. Eine Voraussetzung ist jedoch eine ausreichende Kapazität der verwendeten Membranen. So lässt sich der derzeit größte kommerziell verfügbare Membranadsorber (Abb. 7), der über ein Membranvolumen von 5 l verfügt, zur Aufarbeitung kleinerer bis mittlerer Prozessvolumina auch im Proteincapture verwenden. Die Membranchromatographie stellt somit ein wichtiges Werkzeug im Downstream Processing dar.